Interview IoT

Mehr Vertrauen in Predictive Analytics nötig

17.10.2016
Anzeige  Martina Weidner spürt sie als Senior Solution Advisor im Center of Excellence Internet of Things/Industrie 4.0 für SAP zusammen mit Produktionsunternehmen Ansätze auf, um Sensordaten in Mehrwert zu verwandeln.

Frau Weidner, Sie haben vor zwanzig Jahren die IT eines Anlagen- und Maschinenbauers geleitet. Was war damals anders?

Zu der Zeit lag der Fokus auf CIM (Computer Integrated Manufacturing). Es ging darum durchgängige, integrierte Unternehmensprozesse und Informationsflüsse zu schaffen. Die Automatisierungsebene – und damit auch die damals selbstverständlich schon vorhandene Sensorik – wurde eher nicht betrachtet. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht machte man sich keine Gedanken über mögliche Anwendungsfälle, die auf der Analyse von Sensor-basierten Daten beruhten.

Damals gab es aber auch noch weniger ausgefeilte Möglichkeiten, die Daten zu verarbeiten und Erkenntnisse daraus zu gewinnen …

Das ist richtig. Die technologischen Möglichkeiten, um granulare Massendaten von Sensoren zu erheben, zu speichern und zu verarbeiten bzw. zu analysieren, fand man vor allem im Bereich technischer und wissenschaftlicher Anwendungen, in „Expertensystemen“. Für die Nutzung im alltäglichen betriebswirtschaftlichen Kontext eines produzierenden Unternehmens kamen diese schon aus Gründen der Kosten und Komplexität nicht in Frage. Über den Mehrwert vorausschauender (predictive) Analysen dachte man nicht nach. Aussagekräftige, wenn auch in die Vergangenheit gerichtete Analysen, waren jedoch schon ein großer Gewinn.

Welche Rolle spielt SAP HANA für die Analyse der Daten?

Der große Nachteil der Vergangenheit war, dass es sich bei den Analysen zu Grunde liegenden Daten in der Regel um Aggregate, also vorverdichtete Informationen, handelte. Es bedurfte immer eines gewissen zeitlichen Aufwandes für die Erstellung, Speicherung und Bereitstellung dieser Aggregate. Von Analysen und Erkenntnissen in Echtzeit konnte also keine Rede sein. Die Vorverdichtung von Daten kann zudem die Qualität der Analyseergebnisse beeinträchtigen. Durch die Fähigkeit zur In-Memory-Verarbeitung benötigt SAP HANA keine Aggregate mehr. Daten völlig unterschiedlicher Herkunft können im Rohzustand fast in Echtzeit aufgenommen und verarbeitet beziehungsweise analysiert werden.

Internet of Things: Die 4 wichtigsten Szenarien im Produktionsumfeld

Welche Möglichkeiten eröffnet dieser technologische Fortschritt? Welche neuen Szenarien sehen Sie im Produktionsumfeld?

Die Möglichkeit, Rohdaten aus der Automatisierung in Korrelation zu diversen zusätzlichen technischen, räumlichen und anderen Daten zu analysieren, ist beispielsweise ein wichtiges Element für die Identifizierung von Verhaltensmustern. Diese unter bestimmten Bedingungen auftretenden Ereignisse oder Muster wiederum sind die Basis dafür, algorithmische Modelle für vorausschauende Analysen im Bereich der Qualitätssicherung und der Instandhaltung zu entwickeln. Wenn man sich die Wartungs- und Instandhaltungsprozesse in einem produzierenden Unternehmen ansieht, so beruhen diese in der Regel auf Wartungsplänen, die entweder zeitbezogen in regelmäßigen Intervallen oder leistungsbasiert je nach Beanspruchung der Bauteile ausgelegt sind. Viele Unternehmen haben über die Jahre festgestellt, dass die Wartung in zahlreichen Fällen zu früh - also bereits, wenn noch alles in Ordnung ist - oder doch zu spät - etwa bei einem unerwarteten Ausfall - gemacht wird. Es kommt auch durchaus vor, dass Maschinen und Anlagen augenscheinlich zwar korrekt funktionieren, sich versteckte Probleme oder Abweichungen von der spezifizierten Betriebsnorm jedoch negativ auf die Qualität der hergestellten Produkte auswirken. All dies verursacht unnötige Kosten. Es wäre also sinnvoll,

  • das Verhalten und den Zustand der Betriebsmittel über festzulegende Schwellwerte zu überwachen, Condition Monitoring genannt

  • die Sensordaten aus den Anlagenstationen, über die Raumtemperatur oder besondere Merkmale der gerade produzierten Produkte in Korrelation zu ebenfalls erhobenen aufgetretenen Ereignissen wie einem Maschinenausfall oder Temperaturabfall zu bringen

  • diese - nicht wenigen - Daten hinsichtlich bestimmter Verhaltensmuster zu analysieren und

  • daraus ein Konzept für die Vorhersage von Instandhaltungsfällen (Predictive Maintenance) oder unzulässigen Qualitätsabweichungen (Predictive Quality) zu entwickeln.

Berechnet man nun allein mit Bezug auf dringend benötigte Engpass-Ressourcen oder teures Spezial-Equipment die durch Produktionsausfälle, unnötige Wartung, Behebung von Qualitätsmängeln und Ausschuss verursachten Kosten und stellt sie dem Aufwand für die Implementierung prädiktiver Lösungen gegenüber, werden die Vorteile solcher Lösungen schnell sichtbar.

Hat sich die vorausschauende Analyse bereits im Unternehmensalltag durchgesetzt?

Davon kann sicherlich noch nicht die Rede sein. Auch wenn viele Unternehmen mit den vorhandenen Methoden und Vorgehensweisen nicht mehr die gewünschten Ergebnisse erzielen können, muss erst noch das richtige Verständnis und Vertrauen für und in Predictive Analytics entstehen.

SAP möchte hier unterstützen, etwa durch das Angebot, eine Cloud-basierte Infrastruktur für die Implementierung erster Piloten zu nutzen. Darüber hinaus können wir mit unseren Data Scientists Kunden darin unterstützen, die Verhaltensmuster zu identifizieren und Analysemodelle aufzubauen. Erfolgreiche Implementierungen und Lösungs-Rollouts wie Predictive Quality Analytics bei Papier Köhler bestätigen diesen Ansatz.

Mehr Informationen

Auf der Internet of Things World vom 19. bis 20. September 2016 werden diverse SAP Kunden sowie Oliver Edinger als Head of IoT und Industrie 4.0, Deutschland von SAP vertreten sein. Hier geht es zur Agenda, hier zur Anmeldung.

Die Internet of Things Conference findet vom 12. bis zum 15. September 2016 in Berlin statt. Mit dabei ist u.a. Sven Haiges von SAP Hybris. Zur Anmeldung.

Diesen Beitrag finden Sie auch im SAP News Center.