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Vom Java-Server zur Integrationsplattform

03.04.2003
Als Marktführer im Segment der Java-Applikations-Server sieht sich Bea Systems wachsendem Druck durch Konkurrenten wie IBM , Sun und Oracle ausgesetzt. Wie Bea darauf reagiert, erklärt Firmengründer und Chief Executive Officer Alfred Chuang im Gespräch mit CW-Redakteur Sascha Alexander .

CW: Viele Marktbeobachter sehen eine Konsolidierung im Markt für Applikations-Server - zumindest, was die Einstiegsprodukte betrifft. Ist das richtig?

Fotos: Joachim Wendler

CHUANG: Gäbe es eine Marktkonsolidierung, würden die Lizenzpreise sinken. Doch das passiert zumindest im Highend-Segment bisher nicht. Vielmehr boomt derzeit der Markt für Infrastrukturtechnik. Viele Unternehmen müssen Kosten senken und investieren jetzt in ein wirtschaftlicheres Design ihrer Softwarearchitektur. Ende 1998 hatten noch viele ihre IT dezentralisiert, nun ziehen sie ihre Aktivitäten wieder zusammen.

CW: Es gibt zwar anspruchsvolle Java-Projekte, aber die meisten Applikations-Server dienen heute nur zur Web-Anbindung der IT. Marktforscher wie Forrester Research behaupten, dass Bea-Kunden "Weblogic" vor allem als Servlet-Container nutzen und dass IBMs "Websphere" nur dazu dient, dem Mainframe ein Web-Frontend zu geben.

CHUANG: Bis vor wenigen Jahren wurden Applikations-Server vor allem in Entwicklungsprojekten eingesetzt. Jetzt verwendet die Mehrheit unserer Kunden Weblogic auch zum Aufbau eines zentralen Hubs für die Anwendungsintegration. Wir merken dies an immer mehr großen Abschlüssen im Wert von mehr als einer Million Dollar. Über 70 Prozent unserer Klientel setzen dabei mehr als ein Produkt von uns ein und entwickeln nicht nur Servlets, sondern auch Geschäftslogik als Enterprise Javabeans.

CW: Um die diversen Ansätze der Anwendungsintegration abdecken zu können, hat Bea in den letzten zwei Jahren die Produktsuite "Weblogic Platform" um diverse Funktionen zur Anwendungs- und Datenintegration ausgebaut. Wie haben Sie den Wechsel in der Produktstrategie verkraftet?

CHUANG: Das war kein Strategiewechsel. Wir haben vielmehr unser bereits 1994 aufgesetztes Geschäftsmodell jetzt fast vollständig erreicht. Entscheidender war es, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um in den Integrationsmarkt einzusteigen. Im Jahr 2000 hätte das noch keinen Sinn gehabt, weil alle Kunden nur die Anwendungen wollten und sich beispielsweise zunächst wenig für den speziellen Nutzen von Portalen als Integrationsstrategie interessierten.

CW: Und wie sieht es heute aus?

CHUANG: Firmen denken mittlerweile mehr darüber nach, was sie global benötigen, um ihre Anwendungen flexibel integrieren zu können. J2EE wird dabei von allen großen Unternehmen erstmals als der De-facto-Standard für solche Aufgaben wahrgenommen. Im Highend verlangen Kunden allerdings mehr als nur den J2EE-Server für die Entwicklung und den Einsatz von Anwendungen. Sie wollen auch einen Integration Broker für die Anbindung von Standardsoftware und das Backoffice. Java-Applikations-Server und Lösungen für Enterprise Application Integration (EAI) müssen deshalb verschmelzen.

CW: Ihre Plattform ist aber noch im Entstehen. Neben zeitlich koordinierten Upgrades der einzelnen Bestandteile sowie Sicherheits-Features wird es mit der angekündigten Version 8.1 ein durchgängiges Entwicklungs-Framework für die Suite geben. Was ist weiter geplant?

CHUANG: Die fundamentalen Bestandteile sind vorhanden. Zusätzlich planen wir einen Sicherheits-Server auf der Basis des Java-Management-API JMX und andere Sicherheitstechniken für die Verwaltung verteilter J2EE-Implementierungen. Ferner entwickeln wir derzeit Java-APIs, über die sich Java-Anwendungen intern verwalten und durch Prozeduren ohne Zutun des Endbenutzers wiederherstellen sowie mit System-Management-Software kombinieren lassen.

CW: Derzeit tragen Ihre neuen Produkte nur etwa 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Die restlichen 80 Prozent stammen aus dem bisherigen Geschäft mit Weblogic und dem Transaktionsmonitor "Tuxedo". An wen verkauft Bea die Portal- oder Integrationssoftware?

CHUANG: Die meisten Verkäufe gehen in die bestehende Kundenbasis, die sich auf 14000 beläuft. Jedes Quartal machen wir zwischen 2600 und 2700 Geschäfte. Wir gewinnen aber auch Neukunden. So hat die Mehrheit der 400 Unternehmen, die "Weblogic Integration" einsetzen, zum ersten Mal bei uns gekauft.

CW: Wenn das Geschäft so gut läuft und die Preise stabil sind, warum haben Sie dann kürzlich mit "Weblogic Express" und "Weblogic Server Workgroup Edition" billigere Ausgaben Ihres J2EE-Servers Weblogic auf den Markt gebracht?

CHUANG: Weblogic Express soll den klassischen Web-Server, der vor allem zur Erzeugung statischer Web-Seiten dient, durch eine weiterentwickelte Alternative ablösen.

CW: Sie wollen also mit verbreiteten Implementierungen wie dem "Apache Server" konkurrieren?

CHUANG: Mit jedem beliebigen Web-Server. Wir sind billiger als Microsoft oder Apache, da wir für 495 Dollar pro CPU auch den kompletten Support mitliefern. Günstiger geht es nicht.

CW: Und was ist mit populären Open-Source-Produkten wie dem J2EE-Server "Jboss"?

CHUANG: Ich würde Anwendungslogik nicht auf einem Server programmieren, dessen Entwickler ich nicht kenne. Open Source ist außerdem nicht kostenlos, denn die Anwender müssen für den Support bezahlen, und es gibt keinen garantierten Service-Level.

CW: Sind die beiden Einstiegsvarianten von Weblogic spezielle Angebote für mittelständische Kunden, wie sie Ihr schärfster Konkurrent IBM mit seinem J2EE-Server "Websphere Express" umwirbt?

CHUANG: So haben es Marktbeobachter wahrgenommen, weil die Produkte erschwinglich sind. Uns geht es aber vor allem darum, Unternehmen den Einstieg in die Arbeit mit J2EE-Servern zu erleichtern. Wir hoffen, dass sie dann sukzessive auf die Highend-Produkte migrieren werden. Aber natürlich erweitern wir so auch unsere Kundenbasis im Lowend.

CW: Bea muss bei der Vermarktung seiner Produkte ganz auf Partner setzen. IBM hat aber mit Global Services einen kräftigen Dienstleistungsarm, kann Hardware anbieten, ist traditionell stark im Backoffice von Unternehmen vertreten und hat wie Bea mittlerweile einen Marktanteil von rund einem Drittel. Zudem sind Wettbewerber wie Sun oder Oracle bereits bei Kunden etabliert und machen Boden gut. Wie will Bea sich mit seiner Plattform in Unternehmen durchsetzen?

CHUANG: Wir verlieren keine Marktanteile. Zudem haben wir in den letzten drei Quartalen eine genaue Kundenbefragung vorgenommen und können zeigen, wie unsere Produkte eingesetzt werden. IBM hat mit Sicherheit Kunden gewonnen und viele Softwarelizenzen verkauft. Entscheidend ist aber, wie viel davon auch produktiv sind.

CW: Bea rühmt sich, über 2500 Partner zu haben. Doch die Großen der Branche wie Siebel oder SAP empfehlen als J2EE-Implementierung IBMs Websphere.

CHUANG: Die IBM hat mit Software noch nie Erfolg gehabt. Sie ist immer noch ein Computerbauer und Dienstleister. Siebel macht zwar mehr Werbung für IBM, aber unsere Geschäftsbeziehungen mit ihnen sind mindestens genauso eng. Mit der SAP ist das anders, zumal sie einen eigenen Applikations-Server hat. Die SAP-Kunden werden entscheiden, welcher Java-Server sich für ihre Anwendungen durchsetzt.

CW: Neben Neulizenzen erzielt Bea rund 40 Prozent seiner Gesamtumsätze mit Wartung und Updates. Wie steht es um das Beratungsgeschäft?

CHUANG: Weniger als zehn Prozent unserer Einnahmen stammen aus dem Consulting. Wir würden gern mehr machen, müssen dies aber Partnern wie Accenture, KPMG oder Cap Gemini Ernst & Young überlassen. IBM hat zwar seit der Übernahme von Pricewaterhouse-Coopers einen Anteil von 20 Prozent im Markt, konkurriert aber jetzt mit den anderen 80 Prozent der Beratungsunternehmen. Diese halten deshalb nun zu uns.

CW: Sie sagen zwar, dass der Wandel hin zum Plattformanbieter kein Strategiewechsel ist. Dennoch musste offenbar die Organisation erheblich erneuert werden. Rund ein Drittel der 2000 Mitarbeiter wurden in den letzten 18 Monaten ausgetauscht, vom früheren Management sind nur noch zwei Mitglieder übrig geblieben.

CHUANG: Wir haben im letzten Jahr hervorragend gearbeitet und sind operativ hochprofitabel. Aber jetzt benötigen wir Wachstum, um Bea zu einem Unternehmen mit zehn bis 20 Milliarden Dollar Umsatz zu machen. Außerdem gab es auf dem Arbeitsmarkt viele gute Leute. So kam beispielsweise Charles Ill zu uns, vorher Vice President of Worldwide Geography Sales bei der IBM Software Group und für 14 Milliarden Dollar Umsatz verantwortlich. Er ist nun unser Executive Vice President Sales. Chief Marketing Officer Todd Nielsen betreute acht Jahre lang die Entwicklergemeinde bei Microsoft. Oliver Helleboid, President Product Organization, ist seit 20 Jahren in der IT-Industrie und baute bei Hewlett-Packard das Geschäft mit der System-Management-Software "Openview" auf.

CW: Wie Ihre Wettbewerber werben Sie mit der Standardkonformität und Offenheit Ihres J2EE-Servers. In der Praxis finden sich in den Implementierungen aber stets zusätzliche, oft proprietäre Dienste, die eine Portierung erschweren. Bea hat etwa neuerdings die "Webflow"-Technik im Portal oder das "Java Web Services File" als Teil von "Weblogic Workshop" eingeführt. Gleiches ist zu befürchten mit der Unterstützung von Web-Services, zumal nicht einmal die Basiskomponenten Soap, WSDL oder UDDI jemals von einem Standardisierungsgremium verabschiedet wurden.

CHUANG: Es stimmt, dass wir und IBM Spezifikationen vor der allgemeinen Standardisierung ausliefern. Wir reichen unsere Vorschläge aber stets beim Java Community Process ein und stellen sie im Quellcode der Java-Gemeinde zur Verfügung, auch wenn Wettbewerber uns dann kopieren.

Wenn ein Hersteller künftig Vorschläge zu Web-Services implementiert, sollten sich Anwender zunächst fragen, welche Absichten er damit verfolgt. Wir zumindest wollen unsere Vorschläge so früh wie möglich einreichen. Wenn aber die Abstimmung da-rüber zu lang dauert, veröffentlichen wir den Quellcode. Eine hundertprozentige Standardisierung von Web-Services wird es nie geben, weil dies zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Wir müssen daher als Hersteller eine Balance zwischen Innovation und Standard finden.