Von ITIL-Verstößen bis Misstrauen

3 Kernprobleme beim ITSM

11.02.2013 von Andreas Schaffry
IT Service Management in Unternehmen ist durch inkonsistente, manuelle und intransparente Aktivitäten geprägt, zeigt eine Umfrage von Serena Software.
Die Softwareentwickler in Unternehmen fühlen sich von den Admins ausgebremst.
Foto: Serena Software

Der Geschäftserfolg von Unternehmen basiert heutzutage meist auf applikationsgesteuerten Umgebungen. Jedoch sind die IT-Abteilungen nicht in der Lage, IT-Services für spezielle Business-Anforderungen zeitnah bereitzustellen wie von den Fachbereichen gefordert. Im Gegenteil: Die Fachabteilungen betrachten die IT-Organisation in den meisten Fällen als größtes Hindernis für den Unternehmenserfolg.

Das gaben 92 Prozent der IT-Profis an, die an der Studie "IT Service Management Trends 2012: The State of the Dev-Ops Union" von Serena Software, einem US-Anbieter von Lösungen für die Anwendungsentwicklung, teilnahmen. Die rund 200 Umfrageteilnehmer gaben Auskunft über ihre Zufriedenheit bei der Umsetzung von IT-Service-Management-(ITSM)-Prozessen in ihrem Unternehmen. Die Antworten lassen sich in drei Kernergebnissen zusammenfassen.

1. Misstrauen zwischen Entwicklung und Systemadministration

Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Für Unternehmen, die eine Transformation zur Online-Firma durchlaufen, sind "Always-On"-Applikationen gleichbedeutend mit der Geschäftstätigkeit. Die IT muss solche Anwendungen auf der Basis agiler Methoden in Höchstgeschwindigkeit entwickeln und Wartungsprozesse schnell durchführen können. Dafür ist es notwendig, dass die Softwareentwicklung (Development) und die Systemadministration (Operations) sehr eng zusammenarbeiten.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Drei Viertel der Umfrageteilnehmer auf Entwicklerseite, die agile Methoden einsetzen, sehen in den Admins den Hemmschuh für agile Entwicklungsprozesse. Im Gegenzug werfen 72 Prozent der Systemadministratoren den Entwicklern vor, ihre Belange nicht richtig zu unterstützen. Dieser sogenannte "DevOps-Konflikt" bedroht laut Studie letztlich die Agilität und Flexibilität von Unternehmen.

2. ITSM-Prozesse sind unzureichend verknüpft

Systemadministratoren beklagen sich über die mangelnde Unterstützung durch die Developer.
Foto: Serena Software

Inkonsistente und manuelle ITSM-Prozesse stehen einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Systemadministration im Weg; Anforderungen aus dem Business können somit nicht zeitnah erfüllt werden. 70 Prozent der Befragten berichten von unproduktiven Release-Management-Prozessen. Auch Unterbrechungen gefährden den Erfolg von Entwicklungs- und IT-Betriebsprozessen.

Am häufigsten werden Change- und Release-Management-Prozesse abgebrochen, obwohl diese für die Service-Überführung gemäß dem ITIL-V3-Regelwerk elementar wichtig sind. Dies teilten 72 Prozent der Umfrageteilnehmer mit. 56 Prozent der IT-Profis berichten, dass ihre IT-Organisationen gerade dabei sind, die Abläufe beim Change-Request-Management zu definieren und zu automatisieren.

60 Prozent der Teilnehmer geben an, dass sie "wenig bis keine" Einsicht in geplante Änderungsprozesse haben, weil die Kommunikation über E-Mails, Excel-Tabellen oder durch mündliche Absprachen erfolgt. Somit stehen wichtige und zeitkritische Informationen zu Änderungen erst mit starker Zeitverzögerung, zum Teil auch unvollständig, zur Verfügung.

Das sollten Sie bei ITSM vermeiden
Sie lassen sich von billiger Software blenden und denken nicht voraus: Über die acht häufigsten Fehler von CIOs beim Service Management.
1. Lastenhefte sind nicht zukunftsorientiert:
In der Regel beschreiben Lastenhefte den aktuellen Funktionsbedarf einer ITSM-Lösung. Da IT-Organisationen die vorhandene IT-Landschaft jedoch laufend durch technologische Innovationen und neue Prozesse erweitern, muss die Entscheidung für ein ITSM-Tool in die Zukunft gerichtet sein und auch mögliche neue Anforderungen für die nächsten zwei bis drei Jahre erfassen.
2. IT-Betriebskosten werden unterschätzt:
Bei Business-Applikationen werden Folgekosten von Beginn an in die Projektplanung einbezogen. Immerhin machen sie rund ein Viertel der Implementierungskosten aus. Nicht so bei ITSM-Software. Insbesondere der Personalbedarf für den laufenden Betrieb wird unterschätzt. IT-Organisationen von Konzernen brauchen in der Regel ein Team von vier bis fünf Mitarbeitern. Auch Outsourcing kostet Geld.
3. ITSM-Tools sind keine Out-of-the-Box-Systeme:
Um Werkzeuge für das IT-Service-Management sinnvoll zu nutzen, müssen diese ständig mit Daten aus den Business-Systemen gefüttert werden, die zugleich laufend zu pflegen sind. Ebenso wichtig ist die Betreuung der Schnittstellen zwischen den ITSM-Tools und den angeschlossenen IT-Systemen. Oft sind das mehr als 100.
4. All-in-One-Ansatz statt:
IT-Verantwortliche wollen in der Regel alle Anforderungen an das IT-Service-Management durch integrierte ITSM-Produkte eines Herstellers abbilden. Die Vorzüge: einfache Implementierung und direkte Integration, geringere Projektkosten und weniger Bedarf an Spezial-Know-how. Diese Vorteile werden jedoch mit erheblichen Leistungseinschränkungen erkauft, weil kein Werkzeug ein Top-Spezialist auf jedem Gebiet sein kann.
5. Die Auswahl von ITSM-Tools erfolgt emotional statt rational:
CIOs führen zwar die klassischen Schritte bei der Evaluierung von ITSM-Werkzeugen durch - Erstellung des Anforderungsprofils, Ausschreibung, Proof of Concept mit ausgewählten Anbietern. Die Entscheidung für ein Tool erfolgt jedoch meist aus dem Bauch heraus, etwa nach dem Look-and-Feel der Benutzeroberflächen.
6. Unternehmen tappen in die Preisfalle:
Erfahrungsgemäß machen die Softwarekosten nur ein Drittel der gesamten Aufwendungen aus. Zwei Drittel der Kosten - meist Summen in sechsstelliger Höhe - verschlingt die Projektrealisierung mit internen oder externen Ressourcen. Letztere können IT-Verantwortliche durch geschicktes Verhandeln und unter Nutzung des Wettbewerbs der Anbieter um 50 bis 70 Prozent gegenüber dem Listenpreis reduzieren.
7. Investitionssicherheit wird zu wenig beachtet:
Unternehmen beziehen in die Auswahl des künftigen ITSM-Lieferanten kaum Aspekte wie Weiterentwicklung der ITSM-Lösung und Investitionssicherheit ein. Das könnte sich später einmal rächen. Wichtige Bewertungskriterien, die Aufschluss über die Zukunftssicherheit einer Lösung geben, sind zum Beispiel die Größe der Entwicklungsmannschaft, das F&E-Budget sowie Fusions- oder Übernahmeprozesse beim Hersteller.
8. Tool-Gläubigkeit statt Prozessorientierung:
In der Praxis tritt beim ITSM die Prozesssicht häufig in den Hintergrund. Stattdessen dominieren funktionale und technische Aspekte. Effizienzsteigerungen lassen sich jedoch nur durch optimierte Prozesse, die durch ITSM-Lösungen angemessen unterstützt werden, erzielen und nicht umgekehrt.

3. Tool-Einsatz noch wenig verbreitet

Auch geteilte Kalender erhöhen die Transparenz in den Entwicklungs- und Bereitstellungsprozessen sowie bei Änderungswünschen. Doch nur sechs Prozent nutzen gemeinsame Release-Kalender, die von Entwicklern und Administratoren gleichermaßen eingesehen werden können.

Manuelle ITSM-Prozesse beim Incident Management, Change Management oder Request Management sind wenig effizient.
Foto: Serena Software

16 Prozent der Befragten setzen eine Configuration Management Database (CMDB) lediglich ein, um damit die Auswirkungen von Änderungen auf die IT-Infrastruktur zu analysieren. 21 Prozent verwenden sie zur Nachverfolgung von Konfigurationselementen. Ein Fünftel hat gar keine CMDB installiert.

200 ITSM-Profis befragt

Serena Software führte die Umfrage im Rahmen der "Fusion 2012 Conference" des US-amerikanischen IT Service Management Forum (ITSMF) durch. Die Fragen zum ITSM fokussierten sich besonders auf die ITIL-Disziplin "Service Transition", die koordinierte Änderungen an Diensten und Service-Management-Prozessen sicherstellen soll. Die Teilnehmer der Befragung - darunter Fachbesucher sowie Experten - stammten aus Unternehmen unterschiedlicher Größen und diversen Branchen wie dem Finanz- und Behördensektor, dem Gesundheitswesen oder der Industrie.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)