Kulturwandel nötig

Agilität ist mehr als eine Technologie

27.06.2017 von Andreas Gerst
Der Wandel zum agilen Unternehmen ist nur mit den richtigen Technologien und Tools möglich. Dennoch darf man nicht vergessen, dass sich auch die Kultur im Unternehmen wandeln muss.

Agilität verspricht viel: mehr Umsatz und Marktanteile, schnellere Innovationen. Ein „agiles Unternehmen“ zu werden, klingt von vorneherein erfolgsversprechend. Der Weg dorthin ist allerdings nicht ganz so einfach. Sicher, manche Unternehmen haben Agilität quasi in ihrer DNA – für die anderen ist die Umsetzung umso schwieriger. Häufig finden sich gerade in größeren Unternehmen bereits Teams, die weitgehend agil arbeiten. Doch wenn agile und traditionelle Arbeitsweisen aufeinander treffen, kann das zu Spannungen führen.

Wenn Unternehmen neue Wege gehen wollen, kann es zu Spannungen kommen.
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Dies gilt vor allem für Organisationen, die eher an den klassischen Top-Down-Ansatz und die Kontrollfunktionen des Managements glauben. Wenn „agil sein“ aber nur für einzelne Teams gilt, ist das Unternehmen als Ganzes damit noch lange nicht innovativer und anpassungsfähiger. Das ist schade, denn bei allem Hype ist Agilität ein ernstzunehmendes Konzept, das Unternehmen helfen kann, den steigenden Anforderungen des Marktes und der Kunden zu genügen oder ihnen sogar vorzugreifen.

Schnellere Feedback-Zyklen sollen sicherstellen, dass notwendige Veränderungen und Innovationen schnell identifiziert und umgesetzt werden können. Der Grund dafür: Das Team arbeitet ohne Aufgabenwechsel und in kleineren Arbeitseinheiten fokussierter und schneller. Die Entwicklungskosten sinken, ohne dass die Qualität darunter leidet, denn die Qualitätskontrolleure haben mehr Zeit, die inkrementellen Änderungen zu prüfen.

Damit sinkt auch die Fehlerhäufigkeit nach der Übergabe an die Produktion, während gleichzeitig die Planbarkeit steigt. Nicht zuletzt kommen die Produkte so schneller auf den Markt und generieren mehr Umsatz. Kein Wunder also, dass Agilität von Unternehmen in Europa als erfolgskritisch wahrgenommen wird – das bestätigt eine Studie von Coleman Parkes.

Dimensionen der Agilität

Agil zu arbeiten ist ein Trend, der sich längst von der reinen Softwareentwicklung gelöst und sich in die gesamte (auf Software basierende) Wertschöpfungskette fortgesetzt hat – von der Idee bis zum Ergebnis. Agilität betrifft damit zwei essenzielle Aspekte im Unternehmen: Unternehmenskultur und Technologie.

Eine agile Organisation kann mit Veränderungen umgehen und schnell reagieren – konkret: Veränderungen etwa aufgrund von Markteinblicken im Portfolio umsetzen und das genau dort, wo das beste Ergebnis zu erwarten ist. Agilität heißt zunächst, dass Teams sich selbst organisieren und zusammenarbeiten – und das mit einer neuen Ausrichtung. Im Mittelpunkt steht weniger der Shareholder Value – also das Geldverdienen – sondern die Kundenzufriedenheit und damit die bestmöglichen Produkte und der bestmögliche Service.

Skalierbarkeit und Schnelligkeit werden wichtiger, wenn Nachfrage und Angebot in Übereinstimmung gebracht werden sollen. Die Aufgabe des Managements ist es dabei, diese Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, also konkret einem bürokratischen Prozess mit starren Regeln und statischem Reporting den Rücken zu kehren und iterative Arbeitszyklen mit direktem Feedback an dessen Stelle zu setzen. Organisatorisch gesehen müssen sich funktionsbezogene Silos öffnen mit dem Ziel, Entscheidungen schneller und auf breiterer Basis zu treffen. Im besten Falle entsteht bei höchster Transparenz ein Klima der kontinuierlichen Verbesserung.

Diese Art zu arbeiten und zu kommunizieren setzt anderseits aber auch Technologie voraus – denn hohe Agilität und Geschwindigkeit bei optimaler Qualität lassen sich ohne Automatisierung der Arbeitsschritte von Entwicklung bis zur Produktion nicht umsetzen. Genau das wird ja auch von den Konzepten um DevOps und Continuous Delivery vorgeschlagen. Die Verantwortung eines CIOs für eine Anwendung endet erst, wenn diese irgendwann vom letzten Server verschwunden ist. Das gilt für standardisierte Massen-Software ebenso wie für Individualprogrammierungen, für stetig wiederkehrende Routinefälle ebenso wie für chaotische Notsituationen. Anders als bei den traditionelleren Ansätzen, bei denen im Vorfeld viel geplant und ein “Big Bang”-Release angestrebt wird, wird beim agilen Ansatz laufend geplant, getestet, priorisiert und in immer kürzeren Release-Zyklen gelauncht.

Agilität beginnt ganz oben

Aber wo beginnen? In der Organisation oder mit der Technologie? Eine Antwort darauf wird immer individuell sein. Ist das IT-Team bereits unter großem Druck und der Ruf nach mehr Innovation, weniger Overhead oder höherem Service-Level laut, so liegt der Ansatzpunkt auf der Hand. Geht es um Marktanteile und Profitabilität, so hängt dies nicht alleine an der IT und den Entwicklern – es gilt, in der Organisation anzusetzen. Natürlich kann das Unternehmen diesen Weg aber auch nicht ohne die entsprechende Technologie und damit ohne die IT gehen.

Wer aber Unternehmen auf ihrem Weg zur Agilität begleitet hat, weiß, dass der Erfolg stark – wenn nicht sogar fast ausschließlich - vom Management-Buy-in abhängt. Chefs, die dem Konzept des kontinuierlichen Wandels nicht positiv gegenüberstehen, werden kaum agile Strukturen aufbauen und unterstützen. Immerhin müssen sie im Zuge dieses Strukturwandels auch ihre eigene Rolle neu definieren: weg von starren Hierarchien und Kontrollmechanismen. Sie müssen den Teams mehr Verantwortung und Freiheit geben, vor allem was die Art und Weise angeht, wie diese ihre Arbeit erledigen und ihre Aufgaben setzen und priorisieren.

Diese Selbst-Organisation zu ertragen ist gerade am Anfang oft nicht leicht, denn sie setzt viel Vertrauen – auch in die Offenheit der Teammitglieder – voraus. Führungsaufgabe ist es dann, klare Ziele zu setzen, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit diese erreicht werden können und gerade am Anfang die schwierigen Entscheidungen zu treffen. Ist der Chef von dem agilen Konzept überzeugt, würdigt die Erfolge und akzeptiert auch Misserfolge, werden auch die Teams eher mitziehen.

Technologie – Wegbereiter des Konzepts

Und doch ist die Grundlage all dieser agilen Ansätze Technologie. Durch Agile-Lösungen können die Teams ihre Arbeit so koordinieren, dass sie letztlich eine höhere Softwarequalität und Zuverlässigkeit bei der Bereitstellung erzielen. Ein zentraler Portfolioüberblick bietet den Projektmanagern genaue Informationen zu Status, Kosten, geschäftlichen Ergebnissen und Ressourcenauslastung für alle Projekte. Dies wird umso wichtiger, wenn Teams – dank Software – selbständiger und schneller arbeiten, schneller Releases umsetzen und intensiver kommunizieren.

Agile- und Lean-Verfahren wie Scrum und Kanban verlangen nach anderen Projektmanagementfunktionen als traditionellere Ansätze und nach Technologie, die tiefen Einblick in den Stand der Dinge gibt und Entscheidungen zu Unternehmen und Investitionen unterstützt. Beides zusammen koppelt Agile-Teams an die Projektleitung und die Führungsebene. Informationen auf allen Ebenen müssen nahtlos über eine API-basierte Integration ausgetauscht werden.

8 Vorteile von Scrum
Schneller als Plan-Build-Run
Die Anforderungen an Software verändern sich im Laufe der Entwicklung oft erheblich - anders als bei einem Auto zum Beispiel. Dem tragen agile Methoden wie Scrum Rechnung.
Besseres Ineinandergreifen
Bei traditioneller Softwareentwicklung greifen Zahnräder oft nicht ineinander, sondern sie rotieren nebeneinander vor sich hin. Scrum sorgt für nahtlosere Prozesse.
Jeder spricht mit jedem
Bei vielen Softwareprojekten mangelt es an gelungener Kommunikation, bei Scrum ist regelmäßiges Feedback für alle Beteiligten Pflicht.
Mehr Qualität
Mit Hilfe von Scrum entwickelte Software ist in der Regel besser als andere, weil hier frühzeitig das Feedback der Kunden integriert wurde.
Chaos führt nicht zu Panik
Chaotisch ist Scrum insofern, als sich der damit verbundene Prozess nicht einfach mit einem Pfeil beschreiben lässt, der links auf dem Blatt Papier anfängt und irgendwo rechts aufhört. Sondern er ist mehrdimensional. Wenn sich alle an bestimmte Regeln halten, läuft trotzdem nichts aus dem Ruder.
Im Mittelpunkt: Der Mensch
Scrum heißt Gedränge. Und es bedeutet, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen in dem Sinne, dass ihm die Methode ermöglicht, effizient und gleichzeitig kreativ zu arbeiten.
Automatisierte Tools statt Selbstgestricktes
Oft verwendet jede Abteilung eigene Anwendungen, um Entwicklungsschritte zu dokumentieren, zum Beispiel Excel. Automatisierte, vor allem einheitliche Tools beschleunigen hier die Abläufe erheblich.
Nicht nur am Ende testen
Zeitgemäße Entwicklungsumgebungen erlauben es, auch einzelne Module zwischendurch zu testen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Es ist letztlich Technologie, die eine agile Organisation möglich macht. Dennoch sollte man nicht den Fehler machen, einfach einige Tools einzuführen und nicht über die Software hinauszudenken. Agilität ist ein laufender Prozess, der von Tools und Lösungen nur unterstützt wird. So essenziell diese auch sein mögen – wenn das Konzept nicht gelebt und immer wieder angepasst wird, wird sich Agilität nicht erfolgreich und vor allem nachhaltig durchsetzen können. (haf)