Am Arbeitsplatz: Um Kopf und Kragen gesurft

26.07.2007 von Alexander Freimark
Anzeige  Wer privat am Arbeitsplatz surft, riskiert seinen Job. Selbst wenn Unternehmen das private Surfen erlauben, müssen Regeln beachtet werden. Die Grauzone ist groß und gefährlich.

Die schlechte Nachricht vorweg: Kein Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, das Internet am Arbeitsplatz zu privaten Zwecken zu nutzen. Alles Weitere hängt maßgeblich davon ab, welche Regelung der Arbeitgeber getroffen hat – er verbietet die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz, er erlaubt sie oder er duldet sie. Die drei Optionen unterteilen sich wiederum in verschiedene Sonderfälle, die direkt aus dem Verhalten des Arbeitnehmers abgeleitet werden. Daher ist es nur schwer möglich, verallgemeinernde Aussagen zum privaten Surfen im Büro zu treffen. Dies ist nicht überraschend, handelt es sich doch um ein juristisches Thema – folglich gilt: "Es kommt darauf an …". Die Grauzone ist in diesen Fällen relativ groß, und meistens müssen Richter die Grenzen ziehen. Eine Daumenregel gibt es jedoch: Der privat surfende Arbeitnehmer gibt seinem Arbeitgeber scharfe Munition an die Hand, falls dieser es darauf anlegt, den Mitarbeiter loszuwerden. Wer also auf Nummer sicher gehen will, sollte den Browser nur dienstlich verwenden – auch wenn das nicht immer leicht fällt.

Ausgehend von den drei Entscheidungen des Arbeitgebers (verbieten, dulden, erlauben) erläutern wir die Situation rund um das private Surfen am Arbeitsplatz.

1. Privates Surfen ist verboten

Untersagt der Arbeitgeber das private Surfen am Arbeitsplatz, ist die Lage relativ klar: Wer gegen das Verbot verstößt, riskiert Sanktionen. Bei Bagatellen beziehungsweise begründeten Notfällen hat der Arbeitnehmer immerhin noch die Chance, ungeschoren davonzukommen. In allen anderen Fällen droht (bei einem guten Betriebsklima) ein persönlicher Termin mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung, bei einem schlechten Betriebsklima ist mindestens mit einer Abmahnung zu rechnen. Sollte der Missetäter Web-Seiten mit Sex, Kinderpornos oder anderen strafrechtlich relevanten Inhalten angesteuert haben, kann der Arbeitgeber gegebenenfalls bereits im ersten Schritt mit einer fristlosen Kündigung durchkommen.

Dabei ist jedoch ein Punkt zu beachten: Der Arbeitgeber darf die Web-Nutzung seiner Mitarbeiter nicht rund um die Uhr kontrollieren. Nach Angaben von Datenschützern muss eine "automatisierte Vollkontrolle" als ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten unterbleiben. Kontrollen seien nur stichprobenweise und bei konkretem Missbrauchsverdacht zulässig. "Der Arbeitgeber darf nicht in privaten E-Mails 'herumschnüffeln', aber er darf Kenntnis davon nehmen, ob privat kommuniziert worden ist", beschreibt der Münchner Anwalt Hans-Christoph Schimmelpfennig von der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz die vorherrschende Situation. Wurde das Internet privat trotz des Verbotes genutzt, könne das Unternehmen entsprechend reagieren, etwa mit einer Abmahnung oder einer Kündigung.

Gewissensfrage im Büro: Darf ich, oder darf ich nicht?

Allen Firmen wird generell empfohlen, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen oder in einer Betriebsordnung die technischen und organisatorischen Fragen der Protokollierung und Auswertung eindeutig zu regeln. Soweit die Nutzung von E-Mail und Internet zu "Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherung des ordnungsgemäßen Betriebes der Verfahren" protokolliert wird, wie es bei Datenschützern heißt, dürfen diese Daten nur für diese Zwecke genutzt werden. Eine Verwertung zur Verhaltens- und Leistungskontrolle der Beschäftigten ist unzulässig. Rechtsanwalt Schimmelpfennig fordert Unternehmen darüber hinaus dazu auf, "die wesentlichen Kontrollmechanismen den Arbeitnehmern gegenüber offen zu legen". Auch dienstlich gerechtfertigte Überwachungen sollten so transparent wir möglich gestaltet sein, damit dem Arbeitgeber im Streitfall kein Strick aus den Maßnahmen gedreht werden könne.

Doch auch bei einem Verbot der privaten Nutzung des Internets gibt es Ausnahmen von der Regel: Kurzes Surfen rechtfertigt keine Kündigung, entschied das Mainzer Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz im März 2006. So sei eine Kündigung sozial nicht gerechtfertigt, wenn der dienstlich zur Verfügung gestellte Internetzugang nur kurzfristig und nur für unverfängliche Zwecke genutzt wurde, heißt es in dem Urteil (Az.: 4 Sa 958/05). Eine Stunde pro Monat galt hier als "kurzfristig". Dabei war die betroffene Mitarbeiterin zuvor wegen des privaten Surfens vom Arbeitgeber sogar erfolgreich abgemahnt worden.

Ein weiterer Sonderfall: Auf der Grundlage eines Verbotes der privaten Nutzung von Internet und Email ist die "dienstlich motivierte" Privatnutzung regelmäßig zulässig, berichtet der Branchenverband Bitkom. Dienstlich motivierte Privatnutzung liege dann vor, "wenn die Notwendigkeit der Kommunikation aus Umständen resultiert, die in der Sphäre des Arbeitgebers begründet sind und deren Gestattung sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableitet". Dies gilt beispielsweise, wenn ein privater Termin aus geschäftlichen Gründen nicht eingehalten werden kann und deshalb der Betroffene informiert werden soll. Ebenfalls als zulässig anzusehen ist der private Austausch am Arbeitsplatz in begrenztem Umfang, wie etwa die Verabredung zum Mittagessen. In beiden Fällen bleibe das Verbot der privaten Nutzung uneingeschränkt bestehen.

Fazit: Wenn privates Surfen verboten ist, spielt ein Arbeitnehmer mit dem Feuer, falls er gegen die Vorgabe verstößt. Auf harte Sanktionen muss man sich in diesem Fall immer einstellen.

2. Privates Surfen ist erlaubt

Erlaubt der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit, darf gesurft werden, bis der Router glüht – wer dieser Meinung ist, liegt leider falsch. Sex & Crime verbieten sich auch hier, und wer den halben Arbeitstag bei YouTube nach potenziellen Kunden sucht, riskiert ebenfalls seinen Job. Dazu ein aktuelles Urteil: "Auch wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist, kann sie eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen und den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigen", führte das Bundesarbeitsgericht kürzlich aus (Urteil vom 31. Mai 2007- 2 AZR 200/06). Die Grauzone zwischen "erheblich" und "irrelevant" muss wie immer im Einzelfall vor Gericht entschieden werden: "Ob sie (die Pflichtverletzung) das für eine Kündigung erforderliche Gewicht hat, hängt unter anderem von ihrem Umfang, der etwa damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nutzung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab." Das heißt: Je länger gesurft, desto leichter gefeuert. Wenn die Causa öffentlich und damit peinlich (Pornos, strafbare Inhalte) für die Firma wird, sinken die Chancen des Mitarbeiters auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage.

Ist die Privatnutzung des Internets erlaubt, wird aus dem Arbeitgeber ein Provider, weshalb er dem Fernmeldegeheimnis unterliegt. Damit muss sich das Unternehmen als TK-Anbieter behandeln lassen, dessen "Kunde" der Arbeitnehmer ist. Private Kommunikation muss wie private Post behandelt werden, und auch das Surfen darf nicht überwacht werden. "Daher ist bereits die Kenntnisnahme vom Vorliegen privater Internet-Kommunikation unzulässig", berichtet Anwalt Schimmelpfennig. Zudem dürfe der Arbeitgeber in diesem Fall nicht auf die betriebliche beziehungsweise dienstliche Korrespondenz zugreifen, da der elektronische Briefkasten durch die Privatkorrespondenz "infiziert" sei. In der Praxis ist das jedoch nur schwer umzusetzen. Zudem hat vermutlich jeder Arbeitgeber ein Interesse daran, den Missbrauch auch der privaten Nutzung zu unterbinden. Folglich empfiehlt es sich, die private Nutzung einzuschränken – zeitlich etwa auf die Pausen beziehungsweise durch die Sperrung einschlägiger Webseiten.

Auch bei generell erlaubter Privatnutzung gibt es zeitliche Grenzen, die allerdings nicht in Stein gemeißelt sind. Laut Anwalt Schimmelpfennig hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich eine ganz erhebliche Verletzung der Arbeitspflicht bei einem Mitarbeiter angenommen, wenn innerhalb von zwei Monaten täglich das Internet zwischen 15 Minuten und knapp drei Stunden privat genutzt wird. In rund zehn Wochen habe sich der Arbeitsausfall auf zirka zehn Prozent der Arbeitszeit belaufen. Auch unter Berücksichtigung der Pausenzeiten sei dies zu viel. "Die Rechtsprechung der Untergerichte ist aber oft anders", führt der Münchner Anwalt weiter aus. Bei zehn Minuten privatem Surfen pro Tag oder 80 bis 100 Stunden pro Jahr habe ein Arbeitsgericht noch keine unzulässige Privatnutzung angenommen, so Schimmelpfennig. In der Regel müssten Arbeitgeber wegen der unklaren Rechtslage eine vorherige Abmahnung aussprechen, bevor sie kündigen.

Fazit: Wer am Arbeitsplatz privat Surfen darf, hat Glück. Dieses sollte jedoch nicht über Gebühr strapaziert werden – zeitliche, rechtliche und moralische Grenzen gelten auch hier. Die Grenzen werden durch ein Arbeitsgericht gesetzt. Einen Blanko-Surfschein gibt es folglich nicht, selbst wenn das Surfen erlaubt ist.

3. Privates Surfen ist nicht geregelt

Früher herrschte (vornehmlich unter Arbeitnehmern) die Meinung, dass ohne explizite Regelung im Unternehmen das Surfen grundsätzlich erlaubt sei. Das ist falsch. "Die private Benutzung betrieblicher Kommunikationseinrichtungen ist prinzipiell unzulässig - auch dann, wenn keine ausdrücklichen betrieblichen Verbote zur privaten Nutzung existieren", sagte der Münchner Rechtsanwalt Max-Lion Keller vergangenes Jahr im CW-Interview. Will sagen: Die private Nutzung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. "Letztendlich geht es um die Entwertung der Arbeitszeit", formuliert es Rechtsanwalt Schimmelpfennig.

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Interessant wird die "Regelung via Nicht-Regelung" durch die Formulierung "betriebliche Übung", die den Spieß umdreht. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um "den Umstand, dass ein Arbeitnehmer aus der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu Recht ableiten darf, dass der Arbeitgeber sich auch in Zukunft beziehungsweise auf Dauer so verhalten wird". Parallelen gibt es etwa zum Weihnachtsgeld, das über Jahre vorbehaltlos gezahlt wird und daraufhin nicht einfach vom Arbeitgeber abgesetzt werden darf. Beim privaten Surfen verhält es sich vermeintlich ähnlich: Wer eine gewisse Zeitspanne ohne Kontrolle privat surfen durfte, kann davon ausgehen, dass einem keine Nachteile erwachsen, wenn man weiterhin privat surft. Die "gewisse Zeitspanne" wird hierzulande in der Regel mit sechs bis zwölf Monaten angegeben. Allerdings wirkt auch in diesem Fall das oben angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Dauer des Surf-Trips beziehungsweise die Inhalte der besuchten Seiten im Einzelfall darüber entscheiden, was Recht ist. Außerdem gebe es zunehmend "gute Gründe", so Anwalt Schimmelpfennig, dass es eine "betriebliche Übung" für die Privatnutzung des Internets nicht geben kann. Einen Anspruch für die Zukunft müsse also eine frühere Duldung nicht begründen.

Fazit: Wer sich auf die "betriebliche Übung" beim privaten Surfen beruft – also eine Art Gewohnheitsrecht – kann damit vor Gericht durchkommen. Es bleibt aber dem Arbeitgeber überlassen, die Nicht-Regelung durch eine Regelung zu ersetzen. Auch sollte man immer daran denken, den guten Willen und die eventuelle Freizügigkeit seines Arbeitgebers nicht auszunutzen. Webseiten mit Sex und Crime sind auch bei einer Duldung für Arbeitnehmer tabu.

4. Finanzielle Konsequenzen

Ungeachtet der Regelungen zum privaten Surfen: Wenn jemand Schadcode auf den Arbeitsplatzrechner lädt und das Netz ausfällt oder Malware beziehungsweise diskriminierendes Material im Unternehmen verbreitet wird, kann der Arbeitnehmer im Schadensfall vom Arbeitgeber zur Brust genommen werden – es greift die Arbeitnehmerhaftung. Allerdings wird diese eingeschränkt: "Bei leichter Fahrlässigkeit soll der Arbeitnehmer nicht haften, bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kommt eine alleinige Haftung in Betracht", beschreibt Rechtsanwalt Schimmelpfennig die Bandbreite. Bei "normaler" Fahrlässigkeit teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Haftung. Ist die private Nutzung verboten oder untersagt eine spezielle "Internet-Policy" etwa die Verbreitung diskriminierender Inhalte, könne man von einer groben Fahrlässigkeit oder von Vorsatz ausgehen. "Dann haftet der Arbeitnehmer", berichtet der Rechtsanwalt.

5. Fazit für Arbeitnehmer

Es gilt der Grundsatz: Fragen kostet nichts. Jeder Arbeitnehmer sollte sich (vor allem bei Antritt einer neuen Stelle) darüber informieren, wie das private Surfen im Unternehmen gehandhabt wird. Wer einfach eine Duldung beziehungsweise Erlaubnis unterstellt und lossurft, kann schnell in die Falle tappen. Mit einer schriftlichen Aussage der Personalabteilung hat man eine gewisse Sicherheit – sofern die Personalabteilung überhaupt in der Lage ist, eine umfassende Antwort auf die Frage zu geben. Ansonsten gilt der gesunde Menschenverstand: Zeitliche und rechtlich-moralische Grenzen sind in jedem Fall einzuhalten, wobei es irrelevant ist, ob der Arbeitgeber privates Surfen erlaubt, duldet oder verbietet. Wer als Arbeitnehmer zudem auf einer "Abschussliste" steht, muss höchste Vorsicht walten lassen, um die eigene Verhandlungsposition nicht ungewollt zu unterminieren. (ajf)