"Wall Street Journal"

Amazon testet die eigenen Kunden als Paketboten

17.06.2015 von Florian Maier
Der weltgrößte Einzelhändler Amazon experimentiert einem Medienbericht zufolge zunächst in den USA mit einer App, die Amazon-Kunden als Paketboten rekrutiert.

Wie das "Wall Street Journal" berichtet, entwickelt Retail-Riese Amazon.com derzeit eine neue App, die Privatleute zu Paketboten machen soll. Mit einem ähnlichen Konzept hatte vor einigen Jahren das Startup Uber - das gerne ebenfalls in die Logistik expandieren würde - in der Taxibranche für Furore gesorgt. Auch bei den Unternehmen Deliv, Instacart, eBay und Google befinden sich derzeit solche Crowdsourcing-Delivery-Konzepte in Entwicklung. Die Amazon-App soll angeblich "On My Way" ("Bin schon unterwegs") heißen. Der Konzern aus Seattle schweigt bislang zu den Berichten, er wolle seine Kunden zu Zustellern zu machen.

Zumindest in den USA sollen Amazon-Kunden Pakete bald nicht nur empfangen, sondern auch zustellen können.
Foto: Frank Gaertner - shutterstock.com

Neue disruptive Kraft in der Logistikbranche?

Das "WSJ" beruft sich auf dem Unternehmen nahestehende Personen. Diesen Informanten zufolge wird in den USA - wo der Dienst zunächst exklusiv starten könnte - in Betracht gezogen, Privatpersonen für die Auslieferung von Amazon-Paketen zu bezahlen. Dies könnte auch in Form von Amazon-Gutschriften geschehen.

Was die Aufbewahrung von Paketen angeht, sollen demnach vor allem lokale Einzelhändler ins Boot geholt werden, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und dafür entweder pro Paket oder pauschal entlohnt würden. Ob kleine Einzelhändler gewillt sind, mit einem ihrer größten Konkurrenten zu kooperieren, dürfte letztendlich davon abhängen, ob sich ein solches Modell für rechnet. Insbesondere die im Online-Handel verstärkt auftretenden Retouren werden für kleine Händler mit Paketdienst häufig zum Problem. Die Aussicht auf zusätzliche Laufkundschaft als alleinige Kompensation dürfte sie kaum verlocken.

Durch einen Crowdsourcing-Liefedienst könnte Amazon seinen Einfluss auf das Einkaufserlebnis der Kunden ausweiten und gleichzeitig die Kosten für Versand und Verpackung senken. Im vergangenen Jahr stiegen die Versand- und Verpackungskosten von Amazon.com von rund sechs auf acht Milliarden Dollar. Crowdsourcing-Delivery könnte auch helfen verlustreiche Pannen wie im Weihnachtsgeschäft 2013 künftig zu vermeiden. Damals musste Amazon US-Kunden entschädigen, deren Pakete nicht rechtzeitig zum Fest ankamen.

Vom Umgang mit disruptiven Trends
Internet der Dinge
Ob Autos, Konsumgüter oder öffentliche Infrastruktur - immer mehr Dinge werden mit dem Internet verknüpft. Das Internet der Dinge stellt neue Ansprüche an Vernetzung mit traditioneller Software, was deren Lizenzen berührt. Das heißt: Lizenzkosten können in Höhen gehen, die IT-Entscheidern heute noch gar nicht bewusst sind.
App Store
Anbieter wie Apple und Google waren eigentlich immer auf Endverbraucher ausgerichtet, so Gartner. Sie bringen ein anderes Geschäftsgebaren mit als klassische Vendoren. IT-Entscheider sollten auch bedenken, dass immer mehr mobile Geräte im Firmeneinsatz sind - was immer mehr Kosten mit sich bringen kann.
Big Data
Mit der Menge an Daten wächst der Bedarf an Datenbanken und Storage. Möglicherweise muss in Sachen Service-Levels nachverhandelt werden. Mehr Daten heißt auch mehr Notwendigkeit, Qualität und Integration zu überprüfen.
BYOD
Wenn die Mitarbeiter eigene Geräte mit an den Arbeitsplatz bringen (BYOD = Bring your own device), mag mancher Finanz-Chef an Kostensparen denken. Gartner betont, dass private Handhelds am Arbeitsplatz immer auch Sicherheitsprobleme und Risiken darstellen. Das wiederum kann Kosten verursachen. Außerdem müssen mindestens Policies für den BYOD-Umgang erstellt werden, was auf jeden Fall Zeit kostet.
Virtualisierung
Nach den Erfahrungen von Gartner hat beispielsweise Desktop-Virtualisierung häufig nicht zu den erwarteten Kostensenkungen geführt. Statt dessen bereitet die Komplexität virtualisierter Umgebungen oft Probleme - die Komplexität der Verhandlungen mit den Providern übrigens auch.
Wartungsgebühren
Kein neues Thema, aber eines mit immer neuen Aspekten: Maintenance. Glaubt man Gartner, sind Software-Anbieter zunehmend auf Wartungs-Gebühren angewiesen, da sie bis zu 50 Prozent des Umsatzes ausmachen können. Sie werden also versuchen, diese zu erhöhen. IT-Entscheider sollten ihre Skills in Sachen Beschaffung optimieren. Außerdem bleibt abzuwarten, was die EU beim Thema Weiterverkauf von Lizenzen noch entscheiden wird.
Cloud Computing
Cloud Computing wird sich weiter durchsetzen. Das Thema gewinnt zunehmend an Popularität, was für CIOs mit zwei Aspekten verbunden ist: den Risiken der Cloud - und dem Risiko, dass die Fachabteilungen "an der IT vorbei" kaufen.
Software Audits
Nach Beobachtung von Gartner gewinnen Software-Audits an Schärfe. Eine Studie der Marktforscher im vierten Quartal 2012 zeigte, dass 63 Prozent der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Audit zu überstehen hatten.

Probleme bei Crowdsourcing Delivery

Demgegenüber stehen jedoch auch einige Hürden bei der Umsetzung eines solchen Projektes. Die Größen der Zusteller-Branche - DHL, UPS und Konsorten - dürften über die Amazon-Pläne, sollten sich diese bewahrheiten, nicht gerade erfreut sein. Die Verhandlungsposition des Tech-Riesen gegenüber den Zustelldiensten dürfte durch die "On My Way"-Pläne immerhin entscheidend gestärkt werden.

Ein weiteres Problem: Die etablierten Zustelldienste arbeiten bereits enorm kosteneffizient, was disruptive Kräfte hier bislang ausgebremst hat. Um auch als Transport-Dienstleister Fuß zu fassen, bräuchte Amazon bei seinen in den USA derzeit täglich rund 3,5 Millionen verschickten Paketen sowohl einen beträchtlichen Nutzerstamm für "On My Way", als auch ein schlüssiges Finanzkonzept. Das bislang größte Problem besteht allerdings in der Haftungsfrage: Wer übernimmt den Schaden bei verlorenen oder gestohlenen Paketen?

Die größten Paketdienste in Deutschland im Vergleich – Hintergrund, Umsatz, Kennzahlen, Zusteller
DHL
<b>Hintergrund:</b> DHL gehört seit 202 zur Deutschen Post AG. Die Buchstaben stehen für die Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Firmengründer Dalsey, Hillblom und Lynn. DHL betreibt in Deutsch­land 33 Paketzentren, 200 Zustellbasen und 3.000 Zustellstützpunkte. Kunden können in rund 12.000 Filialen und über 2.650 Packstationen Pakete in Empfang nehmen und an mehr als 29.000 Stellen abgeben. Firmensitz: Bonn <br><br> <b>Umsatz:</b> 3,75 Milliarden Euro (2013; Deutschland) <br><br> <b>Transportvolumen:</b> 1,02 Milliarden Pakete in Deutschland (2013) <br><br> <b>Zusteller:</b> DHL beschäftigt bundes­weit rund 62.000 Zusteller. Mit der Gewerk­schaft Verdi wurde vereinbart, maximal 990 der 39.800 Bezirke an Subunternehmer zu vergeben
DPD
<b>Hintergrund:</b> DPD gehört seit 2001 zur französischen GeoPost. Als Dynamic Parcel Distribution wurde DPD 1976 von 18 deutschen Speditions­firmen gegründet. DPD betreibt in Deutschland 75 Depots, in mehr als 5.000 Paket­shops können Kunden Pakete abholen und versenden. Firmensitz (D): Aschaffenburg <br><br> <b>Umsatz:</b> 4,39 Milliarden Euro (2013; Gesamtkonzern) <br><br> <b>Transportvolumen:</b> 320 Millionen Pakete pro Jahr in Deutschland <br><br> <b>Zusteller:</b> DPD lässt seine Pakete ausschließ­lich von Subunternehmen ausliefern. Die etwa 1.000 System­partner beschäftigen mehr als 8.000 Zusteller.
GLS
<b>Hintergrund:</b> Gehört zur britischen Royal Mail. Wurde 1989 als German Parcel gegründet und 1999 von der Royal Mail über­nommen und fortan unter dem Dach von General Logistics Systems weitergeführt. GLS-Kunden stehen deutsch­land­weit rund 5.000 Paket­shops zur Verfügung. Das Standort­netz besteht aus 60 Depots, 18 davon dienen zusätzlich als regionale Verteilzentren. Firmensitz (D): Neuenstein. <br><br> <b>Umsatz:</b> 1,96 Milliarden Euro (2013/14; Konzernumsatz) <br><br> <b>Transportvolumen:</b> 404 Millionen Pakete pro Jahr weltweit <br><br> <b>Zusteller:</b> GLS wickelt die gesamte Paket­zustellung in Deutsch­land über Subunternehmen ab. Rund 4.500 Lieferfahr­zeuge sind dafür im Einsatz.
Hermes
<b>Hintergrund:</b> Hermes gehört zur Otto Group Hamburg. Unter dieser Marke agieren elf Gesell­schaften, die welt­weit handels­nahe und logistische Dienst­leistungen erbringen. Für die Zustellung von Paketen bis 31,5 kg ist die Hermes Logistik-Gruppe Deutschland GmbH (HLGD) verantwortlich. Sie betreibt sechs Hauptumschlagbasen, 59 Niederlassungen und mehr als 500 Sat-Depots. Firmensitz: Hamburg. <br><br> <b>Umsatz:</b> 2,08 Milliarden Euro (2013; Gesamtkonzern) <br><br> <b>Transportvolumen:</b> ca. 300 Millionen Pakete pro Jahr in Deutschland <br><br> <b>Zusteller:</b> Die Sendungen werden an ca. 400 selbständige Zusteller (Subunternehmer) weitergegeben, die rund rund 10.000 Fahrer beschäftigen und 87 Prozent des Auftrags­volumens für Hermes zustellen. Bei Hermes selbst arbeiten ca. 570 Fahrer in Festan­stellung.
UPS
<b>Hintergrund:</b> Gehört zu United Parcel Service of America. UPS betreibt in Deutschland 72 Paketzentren, und verfügt über rund 2.500 Access-Point-Stand­orte, an denen Kunden Pakete abholen können. Firmensitz (D): Neuss <br><br> <b>Umsatz:</b> 44,5 Milliarden Euro (2013; Konzernumsatz) <br><br> <b>Transportvolumen:</b> 4,3 Milliarden Pakete pro Jahr weltweit <br><br> <b>Zusteller:</b> Die Gewerk­schaft Verdi geht davon aus, dass etwa 40 Prozent der Aufträge an Subunternehmer gehen, den Rest bewältigen Vollzeit-Angestellte von UPS.

Immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten

Amazon experimentiert in den USA bereits seit längerem mit alternativen Zustellmethoden. In verschiedenen US-Städten sind beispielsweise Fahrradboten im Einsatz, damit Prime-Kunden ihre Pakete falls gewünscht innerhalb einer Stunde erhalten. Im vergangenen Jahr wurde in San Francisco zudem bereits die Auslieferung von Paketen via Taxi und Uber-Fahrer getestet. Auch den Einsatz von Liefer-Drohnen hat Amazon vor kurzem getestet. In Deutschland hatte zuletzt ein Pilotprojekt für Aufsehen gesorgt, bei dem Amazon in Zusammenarbeit mit Audi und DHL Kunden Pakete direkt in den Kofferraum ihres Autos liefert.