Ansehen der IT leidet unter Kostendruck

25.02.2003
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Thema „Alignment of Business and IT“ steht derzeit ganz oben auf der Agenda des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Gartner . Wie sich die IT besser an den Erfordernissen des Unternehmens ausrichten kann, diskutierte John Mahoney, , mit CW-Redakteur Robert Gammel .

CW: Die bessere Abstimmung von IT und Geschäftsbelangen war schon vor Jahren ein großes Thema. Warum greift Gartner es jetzt wieder auf?

Mahoney: Bevor ich zu Gartner kam, habe ich mich als CIO selbst jahrelang mit dieser Problematik auseinander gesetzt. Und selbstverständlich wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. In den vergangenen 18 Monaten ist jedoch viel passiert, wodurch das Ansehen der IT in den Unternehmen und damit auch die Abstimmung von Business und IT gelitten haben. Diese Entwicklung begann mit dem Dotcom-Crash und mündete in den starken finanziellen Druck, dem mittlerweile alle Branchen ausgesetzt sind. Die momentane Konzentration auf die Senkung der Kosten führt dazu, dass IT-Ausgaben oft ausschließlich als Gemeinkosten angesehen werden, die zu reduzieren sind.

Das ist aber nur der richtige Blickwinkel für die IT-Grundversorgung. Die Kosten hierfür machen typischerweise ein Drittel der IT-Budgets aus, zumindest in guten Zeiten; momentan liegt dieser Wert eher höher. Ein Viertel der Kosten entfallen auf Verbesserungsaktivitäten, die die Effektivität steigern sollen. Weitere zehn bis 15 Prozent des IT-Budgets fließen zu normalen Zeiten in Projekte, die es Unternehmen erlauben, neue Geschäftsmodelle und Prozesse aufzusetzen. Diese Projekte bringen meist den höchsten strategischen und wirtschaftlichen Vorteil. Deshalb kann man sie natürlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Gemeinkostenreduzierung betrachten.

CW: Was hat diese Unterscheidung mit dem Thema Alignment zu tun?

Mahoney: Es geht darum, anderen Unternehmensbereichen und dem Management deutlich zu machen, was die IT in den drei genannten Bereichen leisten und zum Gesamterfolg des Unternehmens beisteuern kann. Zurzeit ringen viele IT-Abteilungen um Glaubwürdigkeit und Anerkennung. Es bringt nichts, zu sagen, wir können all diese wunderbaren Sachen leisten, wenn einem niemand glaubt. Die IT muss ihre Hausaufgaben machen: Wenn beispielsweise der Desktop-Support nicht funktioniert, wird sie im Unternehmen nie als ernsthafter Partner wahrgenommen.

CW: Wie können die CIOs das Image der IT aufwerten?

Mahoney: Wir geben ihnen drei Ratschläge: Sie sollten ihr Kosten-Management rigoros weiterführen. Zweitens sollten sie ihre Abteilung auf die kommende Erholung und die daraus entstehenden Anforderungen vorbereiten - wir erwarten Anfang 2004 bessere Marktbedingungen. Drittens raten wir den CIOs, einen Teil ihrer Zeit und Mittel für Investitionen in die Zukunft zu verwenden. Zumindest in Best-Practice-Organisationen beobachten wir, dass trotz des Kostendrucks auch die Punkte zwei und drei nicht vernachlässigt werden.

Zehn Gartner-Tipps 1. Methoden entwickeln, um IT-Investitionen und deren Wertbeitrag für beziehungsweise deren Auswirkungen auf das Unternehmen beurteilen zu können.

2. Zuerst folgende Grundsatzfragen klären:

- Entspricht das Projekt der Unternehmensstrategie?

- Wie wirkt sich das Vorhaben auf die Geschäftsprozesse aus?

- Welchen Einfluss hat es auf die IT-Architektur?

- Was soll konkret erreicht werden - Umsatzsteigerungen, Einsparungen oder ein verbesserter Informationsaustausch?

3. Die Verantwortung an die internen Auftraggeber übergeben und deren Sprache sprechen.

4. Die IT-Ausgaben und -Strategien zum Vorstandsthema machen.

5. Objektive und verlässliche Richtlinien formulieren, die beim Aufbau geeigneter Strukturen für die strikte Ausrichtung der IT nach Geschäftsbelangen helfen.

6. Externe Beratung hinzuziehen.

7. Selbstkritische Fragen vor Projektbeginn beantworten.

8. Vier Lenkungsausschüsse einführen: ein Gremium für die IT-Strategie, einen beratenden IT-Investitionsausschuss, eine Stelle, die sich um die IT-Architektur und die Einhaltung von Standards kümmert, sowie einen Projektausschuss.

9. Projekte schnell beenden, wenn sich ein Misserfolg abzeichnet.

10. Den Erfolg permanent messen und die anfangs formulierten Ziele nicht aus den Augen verlieren.

CW: Wieso sollten sich die IT-Abteilungen auf den Aufschwung vorbereiten?

Mahoney: Wir haben derzeit nicht nur eine einfache Krise. Zurzeit ändern sich die Geschäftsstrategien grundlegend - vor allem unter dem Einfluss des zunehmend globalen Wettbewerbs um Kunden, Kapital, Personal, Märkte und teilweise sogar um Zulieferer. Hier wird die IT stark gefordert sein. Bei ihrer konsequenten Ausrichtung auf Unternehmensbelange geht es also keineswegs nur darum, ein paar Löcher in der Unternehmensorganisation zu stopfen.

CW: Welche Fortschritte machen die Unternehmen bei dem Versuch, IT-Aktivitäten besser zu steuern?

Mahoney: Die meisten großen Firmen haben etwas, das wenigstens ein bisschen nach Governance aussieht. Dennoch ist es für viele IT-Verantwortliche schwierig, die IT-Strategie in die Agenda der Leitungsebene einzubringen. Deshalb raten wir den CIOs: Sorgen Sie dafür, dass wichtige Vorhaben vom Vorstand verstanden und unterstützt werden. Dazu brauchen Sie ein konsistentes Framework und Maßstäbe, wie sie an andere Investitionen, beispielsweise für ein neues Lager oder eine Marketing-Kampagne, angelegt werden. IT-Projekte sind ja in erster Linie Geschäftsinitiativen.

CW: Gartner rät den Unternehmen, externe Unterstützung hinzuzuziehen. Warum?

Mahoney: Die externe Beratung ist ein sehr guter Weg, um einen unparteiischen Blick auf die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten. IT-Abteilungen vergleichen sich oft nur mit denen anderer Unternehmen, um herauszufinden, ob sie ihre Arbeit gut machen. Wir raten ihnen aber, sich nicht auf solche Benchmarks zu beschränken. Sie sollten sich vielmehr mit den wirklichen Alternativen vergleichen - und das sind die externen Service-Provider.

CW: Was halten Sie von dem Trend, IT-Budgets in die auftraggebenden Fachabteilungen zu verlagern?

Mahoney: Das ist ein passender Ansatz. Wir haben schon vor einigen Jahren einen Trend zum Zero-Budget-CIO festgestellt. Das heißt, dass der CIO ein Budget für den Betrieb der Systeme hat, das aber über innerbetriebliche Serviceverträge abgerechnet wird. Das direkte Budget des CIO fällt sehr klein aus, weil alle neuen Entwicklungen von den Fachabteilungen verantwortet und betrieben werden. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Deswegen haben die CIOs nicht weniger Macht oder Bedeutung. Ebenso wie die Finanzchefs üben sie großen Einfluss in den Unternehmen aus, ohne alle Gelder selbst zu kontrollieren.

CW: In Manager-Kreisen wird aber die Höhe des zu verantwortenden Budgets als Maßstab für die Stellung im Unternehmen angesehen.

Mahoney: Es muss allein darum gehen, was für das Geschäft gut und notwendig ist. CIOs haben allerdings sicherzustellen, dass eine derartige Organisation nicht zu einem chaotischen, anarchistischen Durcheinander führt. Deshalb sollten sie auch der unternehmensweiten IT-Architektur mehr Aufmerksamkeit schenken.