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Arbeitgeber warten auf die Big-Data-Fachleute

13.08.2012 von Dietmar Müller
Die Berufsprognosen für Big-Data-Experten sind gut. Gesucht sind - mal wieder - Mitarbeiter, die keine Angst haben, aus komplexen Zusammenhängen vernünftige Ergebnisse zu produzieren.
Big-Data-Profis sollen aus Datenbergen die richtigen Informationen zusammenstellen.
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Die Lage ist ziemlich eindeutig: Unternehmen weltweit verfügen nicht über die notwendigen Fähigkeiten, einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Analyse von immer größeren Big-Data-Bergen zu ziehen. Gerade einmal ein Drittel aller Firmen kann neue Daten tatsächlich nutzen, um Geschäftsentscheidungen zu treffen und Wettbewerbsvorteile zu erzielen, so eine Studie im Auftrag von EMC. Vor allem fehlt es an Experten zur Datenanalyse.

Hans-Peter Kemptner, IBM: Der Big-Data-Spezialist der Zukunft muss kein Infrastrukturprofi sein, der sich mit technischen Details befasst."
Foto: IBM

Was müssen nun diese Experten mitbringen, und welche spezifischen Anforderungen haben Arbeitgeber an solche Spezialisten für Datenberge? Alle von der CW befragten Experten waren sich in einer Sache einig: Dass ein Spezialist für Big Data auch ein Spezialist für Business Intelligence (BI) sein muss. "Der Fokus eines Big-Data-Experten der Zukunft liegt auf dem Management von großen Datenmengen und der Wertschöpfung daraus", stellt beispielsweise Hans-Peter Kemptner fest, IBM-Chefarchitekt und Lehrbeauftragter Storage- und Archivsysteme an der FH Oberösterreich in Wels.

"Wer im Big-Data-Umfeld arbeiten möchte, muss - egal ob in der Entwicklung oder im Pre-Sales- Bereich - analytischen Verstand und den Blick für Zahlen und Zusammenhänge mitbringen", so Steffen Weissbarth, CEO des Data-Mining-Experten Exasol. "Im Bereich Big Data werden große Speicher- und Rechencluster betrieben, so dass auf breites und fundiertes Infrastruktur- und Betriebssystem Know-how nicht verzichtet werden kann", ergänzt Fritz Schinkel, Director Solutions & Innovations bei Fujitsu Technology Solutions. Wichtige Voraussetzung dafür sei abstraktes und analytisches Denken, das in einem Studium wie etwa Mathematik, Physik oder Informatik geschult werde. Kenntnisse in statistischen Methoden seien ebenfalls von Vorteil. Aber nicht alles könne einem angehenden Big-Data-Analysten beigebracht werden, Phantasie und Offenheit sollten bereits vorhanden sein, so Schinkel.

Unis nicht auf Big Data vorbereitet

Die Studie "The State of Business Intelligence in Academia 2010" des Teradata University Network und der Special Interest Group on Decision Support, Knowledge and Data Management Systems (SIGDSS), zeigt, dass es den meisten Universitäten nicht gelingt, entsprechend qualifizierten Absolventen hervorzubringen. Zu häufig haben diese entweder ein tiefgreifendes technisches Wissen über Business Intelligence, verstehen aber nicht, wie sich diese Fähigkeiten für geschäftliche Anforderungen nutzen lassen. Oder sie haben fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse, die sie nicht mit einschlägigen BI-Tools anwenden können.

"Drei Mega-Trends haben zu einem Mangel von Big-Data-Experten geführt: dass in vielen Branchen exponentiell wachsende Datenvolumen, die Zunahme neuer Anwendungen und neuer Datenquellen sowie die Konzentration auf betriebswirtschaftlichen Optimierung", so Hermann Wimmer, President Europe, Middle East and Africa (EMEA) beim Spezialisten für Enterprise Data Warehousing Teradata.

Laut dem Bericht "Big Data: The next frontier for innovation, competition and productivity" des McKinsey Global Institute vom Mai vergangenen Jahres wird bis 2018 allein der Bedarf in den USA nach diesen gut ausgebildeten BI-Experten die verfügbaren Arbeitskräfte um 60 Prozent übersteigen. Er sagt zudem voraus, dass allein in den USA bis 2018 zusätzlich 190.000 hochgradig spezialisierte Analysten und weitere 1,5 Millionen Manager mit einem Verständnis für Datenanalysen benötigt werden, um die Potenziale von Big Data auszuschöpfen.

Der McKinsey-Report liefert noch weitere Erkenntnisse. Am stärksten sind Unternehmen daher an Studenten interessiert, die

Unternehmen stellen am häufigsten Nachwuchsarbeitskräfte ein, die vor allem einen Abschluss in betrieblicher Informationstechnik (51 Prozent), Informatik (41 Prozent), Mathematik oder Statistik (34 Prozent) vorweisen können.

Die vier Herausforderungen von Big Data
Die vier Herausforderungen von Big Data
Das Thema Big Data befasst sich eigentlich mit vier Herausforderungen:
Die schiere Menge:
Das für Unternehmen relevante Datenvolumen steigt weiter drastisch an. Heute schon werden Datenmengen im Terabyte-Bereich analysiert, in Kürze dürften Petabyte und Exabyte auf der Agenda stehen.
Der Zeitdruck:
Analysen der gewaltigen Datenberge sollten idealerweise in Echtzeit zur Verfügung stehen. Denn die Unternehmen stehen vor der Aufgabe, dass sie zeitnah auf Marktänderungen reagieren müssen.
Die mangelnde Struktur:
Die Analysen müssen immer häufig Datenquellen mit kaum strukturierten Beständen berücksichtigen. Das heißt: die Komplexität der Datenanalysen steigt. Neben den bekannten Datenquellen, etwa den vorhandenen ERP-Systemen, kommen neue hinzu. Dazu zählen Daten aus M-to-M-Applikationen, also beispielsweise Sensordaten, Daten aus On-Board-Systemen, RFID-Daten aus der Logistikkette, aber auch Daten aus Weblogs und Social-Media-Plattformen etc.
Die wachsende Anwenderzahl:
Die potenziellen internen und externen User werden immer mehr. Sie kommen beispielsweise über Self-Service-Portale, die im Web zugänglich sind.

Big Data: Nachgefragte Skills

Die Unternehmen benötigen eine Mischung aus technischen und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten wie Statistik und Mathematik, Betriebswirtschaftslehre sowie analytisches Verständnis. Gegenwärtig vermitteln Universitäten diese Fähigkeiten in verschiedenen Studiengängen, keiner davon entspricht allerdings vollständig den Big-Data-Anforderungen von Unternehmen, so Peter Chamoni, BI-Experte und Professor an der Mercator School of Management, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik.

Steffen Weisbarth, Exasol: "In der Hochschulausbildung ist noch deutlich Luft nach oben."
Foto: Exasol

Studenten müssen sich also selbständig in Sachen Big Data Analytics sattelfest machen. "Hochschulabsolventen, die bei Exasol in der Entwicklung der Datenbank-Management-Software einsteigen möchten, sollten natürlich Java und SQL-Kennnisse mitbringen", so CEO Steffen Weissbarth. Die Ausbildungsangebote der Hochschulen im Bereich Business Intelligence hält auch er für unzureichend. Da gebe es "noch deutlich Luft nach oben", die Lehrpläne sollten zügig an die Big-Data-Entwicklung angepasst werden.

Professor Chamoni berichtet, dass Big-Data-Analysen zumeist auf Basis derselben Referenzarchitektur wie klassisches BI erfolgt - allerdings mit anderen Softwarelösungen, zum Beispiel Hadoop-Komponenten. Diese Komponenten sollten angehende Spezialisten aus dem efef kennen. Eine weitere solche Komponenten wäre etwa der MapReduce-Algorithmus, der 2004 von Google vorgestellt wurde, aber noch immer die Grundlage für viele Big-Data-Technologien bildet. Seitdem haben viele Projekte und Firmen mit soliden Konzepten und Produkten das Lösungsspektrum erweitert. Dabei gilt es genau hinzusehen, da derzeit offenkundig jeder Speicher- und jeder BI-Spezialist plötzlich das Thema Big Data für sich entdeckt hat.

Dominik Wagenknecht, Technology Architect bei Accenture, berichtete in einem Workshop in Mainz von seinen Erfahrungen bezüglich der Ausbildung von Big Data-Spezialisten: "Persönlich würde ich bei den grundlegenden Theorien für verteilte Systeme beginnen und dadurch erst über einen kleinen Umweg mit CAP und Dynamo in Richtung MapReduce und Hadoop-Ökosystem gehen."

Big-Data-Know-how wird etwa von spezialisierten Anbietern wie SAS, Teradata oder EMC vermittelt. Letzterer beispielsweise bietet neben der Ausbildung im eigenen Hause auch Seminare in Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten an. Die Teilnahme am Programm ist kostenlos. Ausbilder Joachim Worf berichtet, dass zu den Teilnehmern, der mit einem Zertifikat abschließenden fünftägigen Ausbildung IT-Leiter, Datenbank-Professionals, Wirtschafts- und Datenanalysten sowie Studenten an Hochschulen und Universitäten gehören.

Über diese technischen Skills hinaus raten Insider aber noch zu weiteren Fähigkeiten: "Ein solides Fachwissen ist immer ein Basisbaustein für eine berufliche Karriere. Allerdings befinden wir uns heute im Zeitalter der Vernetzung. Aus diesem Grunde sind die sozialen Skills immer wichtiger", erklärt Bernd Hilgenberg vom CIO Consulting Team. Auch Schinkel von Fujitsu hält die technischen Skills für notwendig, aber nicht ausschlaggebend: "Programmierkenntnisse lassen sich im Job schnell erwerben." Das bestätigt Andreas Reuter, CIO der Senator GmbH & Co. KGaA: "Hervorragendes technisches Verständnis und logisches Denken setze ich voraus. Das fachspezifische Wissen kann sich ein so gepolter Mensch aneignen."

Quereinsteiger willkommen

Nun muss es nicht unbedingt ein Universitätsabsolvent sein, der sich den Datenbergen entgegenstemmt. Auch Quereinsteiger haben gute Chancen unterzukommen. "Ausreichende Praxiserfahrung kann nach meiner Einschätzung einen Hochschulabschluss gut kompensieren, wenn die anderen Faktoren auch vorhanden sind. Quereinsteiger aus dem Bereich Business Intelligence sind für mich ebenso denkbar wie auch Controller", glaubt Hilgenberg. Und IBM-Mann Keptner ergänzt: "Der Big-Data-Experte der Zukunft muss kein Infrastrukturspezialist sein, der sich mit technischen Details befasst, sondern er sollte ein IT-Architekt sein, der sowohl die Technik als auch die Anforderungen der Geschäftsbereiche versteht." Nicht die Technologie, sondern das Verständnis der Geschäftsanforderungen und die Kosten-/Nutzenbetrachtung seien maßgeblich.

Fritz Schinkel, Fujitsu: "Auf breites und fundiertes Infrastruktur- und Betriebssystem-Know-how kann nicht verzichtet werden.
Foto: Fujitsu

Schinkel von Fujitsu betrachtet den Quereinstieg gar als Bereicherung für ein Big-Data-Team. Absolventen der Linguistik, Biologie oder Philosophie könnten weitere Perspektiven und sinnvolle Ansätze einbringen. Das eröffnet völlig neue Perspektiven für diplomierte Wittgenstein-, Darwin- und Nietzsche-Exegeten!

Big-Data-Award: Jetzt noch mitmachen!

Unterstützt von einer Topjury zeichnet die COMPUTERWOCHE vorbildliche Projekte und Technologien aus. Nur noch bis zum 24. August 2012 haben Sie die Möglichkeit, sich als Bewerber am Big Data Contest zu beteiligen.

Wenn ja, dann bewerben Sie sich jetzt! Weitere Informationen zum Award unter: www.bigdata12.de. Am 26. und 27. September 2012 stellt die CW dann die Projekte auf dem Big-Data-Kongress in Offenbach vor.

big data Jury
Die BigData-Jury
Die COMPUTERWOCHE zeichnet die besten Projekte im Rahmen der Big Data12-Konferenz am 26./27. September 2012 in Offenbach aus.
Professor Dr. Walter Brenner
Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen
Norbert Deuschle
Deuschle Storage Business Consulting & Research
Professor Dr. Andreas Seufert
Steinbeis Hochschule Berlin, Institut für Business Intelligence Leitung Fachkreis BI des internationalen Controllervereins
Andreas Zilch
Vorstand Experton Group AG