Gartner über iPad & Co.

Auswahlkriterien für den Tablet-PC

23.07.2011 von Thomas Pelkmann
Die Analysten unterscheiden 3 Tablet-Typen. Laut Gartner gibt es sowohl für Tablet-PCs neuer als auch alter Prägung individuelle Anwendungsszenarien.

Das Interesse an Tablet-PCs in den Unternehmen wächst. Galten die berührungsempfindlichen Geräte zunächst als bloßes Spielzeug ohne Nutzen fürs Geschäft, hat bei den Verantwortlichen innerhalb weniger Monate ein radikaler Bewusstseinswandel stattgefunden: Nun gibt es kaum noch eine IT-Abteilung, die nicht intensiv über Einsatz-Szenarien für iPad & Co. nachdenkt.

Bei aller Hysterie um die neuen Geräte, bei allem Interesse an vertikalen und horizontalen Anwendungen: Ein Ersatz für vorhandenes Equipment sind die Tablet-PCs dennoch nicht oder nur eingeschränkt, meint Gartner in einer aktuellen Research Note, weil die Geräte noch nicht in der Lage seien, etwa Office-Dokumente von Desktop originalgetreu wiederzugeben, meint Gartner. Zudem funktionierten Tablet-PCs ohne die von herkömmlichen Rechnern gewohnte Peripherie mit Tastatur und Maus nur sehr eingeschränkt. Schließlich sei die Gestensteuerung zwar sehr intuitiv, aber - etwa bei der Erkennung von Handschriften - dennoch sehr limitiert.

Dazu kommt, dass die neuste Generation von Tablet-PCs im Vergleich zu den meist stiftbasierten Geräten, die schon seit Jahren in zahlreichen Nischen eingesetzt werden, nicht immer und automatisch überlegen sei. Es komme halt auf die Einsatz-Szenarien an, meint Gartner und empfiehlt, sich sehr genau zu überlegen, wo wer welche Aufgaben mit einem Tablet-PC erledigen soll.

Für diese Evaluierungen hat Gartner ein umfangreiches Framework entwickelt, dass unterschiedliche Gerätetypen aus dem Tablet-Bereich mit den jeweiligen Funktions- und Ausstattungsmerkmalen auf spezielle Anwendungs-Szenarien abbildet. Am Ende dieser Analyse könnte dann für jedes Unternehmen das Gerät stehen, dass sich für das jeweilige Einsatz-Szenario am besten eignet.

Gartners Entscheidungsliste für Tablet-PCs.
Foto: Gartner

In der Abbildung ist zu sehen, wie Gartner diese Analyse am Beispiel eines Informationsarbeiters durchführt, der in der alltäglichen Umgebung eines Geschäftsbetriebes unterwegs ist. Ein Wert von 0 bedeutet: Dieser Faktor eignet sich gar nicht oder trifft überhaupt nicht zu. 10 meint die höchste Übereinstimmung.

Der Beispielmitarbeiter von Gartner benötigt keinen sonderlich robusten Computer, legt aber Wert darauf, dass sich der Tablet-PC einfach bedienen lässt. Auch auf das Gewicht des Gerätes kommt es an, weil der Kollege den ganzen Tag damit unterwegs ist. Bei der Bewertung der Geräte innerhalb der Anwendungsfälle legt Gartner eine Reihe allgemeiner Kriterien zugrunde, lässt aber auch Raum für individuelle Entscheidungskriterien.

Slate PC, Media Tablet, Convertibles

Damit die Wahl des richtigen Geräts bei vielen Kriterien nicht zur Qual wird, klassifiziert Gartner drei Arten von Tablet-PCs: "Slate PCs" sind traditionelle Tablet-PCs ohne Tastatur, dafür mit Stiftbedienung. "Media Tablets" meint die neusten Tablet-PCs mit Multitouch und Gestensteuerung, aber - im Vergleich zu Desktop-PCs - nur eingeschränkten Betriebssystemen. Bei "Convertibles" schließlich handelt es sich im Grunde genommen um Notebooks mit Tastatur, deren Monitor man aber so drehen kann, dass er im Tablet-Mode flach auf dem Keyboard liegt.

Für die Bewertung der Geräte und Anforderungen gibt Gartner verschiedene Kriterien vor, die hier im Überblick kurz erläutert werden.

1. Bildschirm

Beim Bildschirm etwa stellt sich die Frage, ob man einen resistiven oder kapazitiven Touchscreen benötigt. Resistive Bildschirme lassen sich auch per Stift und sogar mit Handschuhen bedienen, kapazitive nur mit dem Finger oder über spezielle Eingabestifte. Wer in einer Umgebung arbeitet, wo Handschuhe Pflicht sind, muss einen resistiven Bildschirme wählen, der vor allem bei älteren Touch-PCs vorkommt. Die lösen zwar die gestellte Aufgabe, bieten aber nicht so gute Sichtbarkeit der Bildschirminhalte. Moderne Geräte wie iPhone, iPad oder das Galaxy Tab verfügen über kapazitive Bildschirme und lassen sich intuitiver bedienen. Handschuhe oder gar Prothesen eignen sich für diese Geräte allerdings nicht.

Top-Apps fürs mobile Büro
OFFICE 2 HD
Unter den Office-Apps ist dies der Billigheimer. Dafür muss man bei der Funktionalität in erster Linie in Kauf nehmen, keine „.xlsx“-Tabellen öffnen zu können. Leider blieb es nicht dabei, denn unseren Testtext würfelte Office 2 HD etwas durcheinander: Bilder fehlten, Kommentare und Fußnoten wurden in richtigen Text verwandelt, auch das Layout geriet etwas aus der Form und wurde leider auch so gespeichert. Beschränkt man sich auf reine Texte und einfache Tabellen, hat man diese Probleme nicht und kann sich an die gelungene Bedienung für einfachere Dokumente sehr gut gewöhnen. 5,99 Euro
DOCUMENTS TO GO PREMIUM
Keine andere App kann Texte, Tabellen und Präsentationen gleichermaßen bearbeiten. Die Präsentationen entfallen bei der sechs Euro günstigeren Normalversion, ebenso wie die Fähigkeit, Dokumente auch online bei Dropbox, Google Docs und Co zu speichern. Für Leute, die gern mal zu Hause auf dem Balkon arbeiten, ist das für Mac und Windows verfügbare Zusatzprogramm, das Dokumente automatisch mit dem Rechner auf dem Schreibtisch synchronisiert, eine sehr komfortable Lösung. Die sparsamen Bedienelemente erinnern stark daran, dass die App ihre Anfänge auf dem iPhone nahm, und machen den Umgang mit dem Programm leider etwas zäher als bei den anderen Kandidaten.
Documents To Go
Documents To Go ist nichts für Leute, die auf akkurates Layout Wert legen, denn Bilder, Grafiken und Diagramme werden teils gar nicht erst mit angezeigt, und Textformatierungen stimmen in der Anzeige oft nicht mit dem Ursprungsdokument überein. Doch die App erhält all diese Elemente, kommt mit Fußnoten und Kommentaren zurecht und fügt alle Änderungen akkurat ein, sodass beim Empfänger dann doch wieder alles stimmt. Insofern empfiehlt sich die App vor allem für die Überarbeitung vorhandener Dokumente. 13,99 Euro (Premium-Version)
QUICKOFFICE
Diese noch recht neue App beschränkt sich auf Word-Texte und Excel-Tabellen, stellt deren Layout aber recht akkurat auf dem Schirm dar, wenngleich manches Bild verrutschte. Dank der übersichtlichen Bedienung ist auch das Verändern der Dokumente komfortabel möglich.
QUICKOFFICE
Die englische Programmsprache dürfte manchen vor allem bei der Suche nach Excel-Formeln nerven. Die Textverarbeitung zeigte weder Fußnoten noch Kommentare und ließ Letztere beim Sichern kommentarlos weg, ließ die Dokumentenstruktur aber ansonsten meist intakt. Wenn man um diese Schwächen weiß, lässt sich Quickoffice aber sehr gut nutzen, um Dokumente zu kontrollieren und kleinere Korrekturen vorzunehmen, denn die Bedienung macht durchaus Spaß. 3,99 Euro
APPLE IWORK
Fürs iPad muss man Pages für Texte, Numbers für Tabellen und Keynote für Präsentationen für jeweils 7,99 Euro getrennt erwerben. Alle Apps entsprechen ihren Gegenstücken auf dem Mac und unterstützen auch deren Dateiformate. Word-, Excel- und Powerpoint-Dateien können also nur im- und exportiert werden, doch dafür sind die Apple-Apps die einzigen, die wenigstens dabei anzeigen, welche Eigenschaften den Dokumenten verloren gehen, statt sie wie manch andere App einfach wegzulassen. Die ganz große Stärke von iWork ist, dass jedes Programm unzählige und sehr schicke Vorlagen mitbringt, die sich als Ausgangspunkt für neue Dokumente eignen und sich dank der gelungenen Bedienung gut mit Leben füllen lassen.
Numbers
Numbers war das einzige Programm im Test, mit dem wir ein Diagramm erzeugen konnten, wenngleich die Möglichkeiten auf ein sinnvolles Minimum begrenzt sind. Mit Keynote lässt sich im Flieger noch eine Präsentation entwerfen, die man mit etwas gutem Willen danach sogar jemandem auf dem iPad zeigen würde - das gelingt mit Documents To Go eher nicht. Spätestens beim Dateiaustausch stolpert Apple allerdings über die eigenen Füße, denn hier hängen die iWork-Apps meilenweit hinter der Konkurrenz zurück: Lokaler Dateiaustausch, lediglich verkabelt per iTunes, und als einziger Cloud-Dienst Mobile Me sind vollkommen unzureichend - leider. Je 7,99 Euro

Es muss nicht immer Multitouch sein

Die zweite Frage an den Bildschirm betrifft seinen Umgang mit Lichteinfall. Nicht jeder Monitor bleibt bei direkter Sonneneinstrahlung lesbar. Manche Displays bieten Polarisationsfilter oder Hintergrundbeleuchtung, um nicht nur bei senkrecht auftreffendem Licht zu funktionieren. Gartner rät Unternehmen, speziell dazu Tests mit Lichteinfall in anderen Winkeln als 90 Grad durchzuführen.

2. Steuerung der Geräte

Ein weiteres Kriterium für die Entscheidungsfindung betrifft die Steuerung der Geräte. Die Multitouch-Oberfläche moderner Tablet-PCs erlaubt Eingaben von unterschiedlichen Punkten der Oberfläche und spezielle Gesten wie Wischen, Zusammendrücken oder Auseinanderziehen der Finger. Diese Gestensteuerung ist damit wesentlich intuitiver als die Bedienung über Stift oder Maus. Allerdings sind auch Einsatz-Szenarien denkbar, bei denen es nicht um solche differenzierten Inputs geht. Dort mag ein einfacher Stift etwa fürs Abhaken von Listen absolut ausreichen.

3. Konnektivität

Wichtiges Entscheidungskriterium ist natürlich auch die Konnektivität der Geräte: Wer außerhalb des Firmennetzes Anschluss an die Unternehmens-IT braucht, kommt um UMTS und demnächst LTE-fähige Geräte nicht herum. Tablet-PCs ohne W-LAN wird es wohl überhaupt nicht geben. Allerdings muss für die Arbeit mit diesen Geräten die Infrastruktur im Unternehmen passen, was im Einzelfall zum Beispiel den Ausbau des Funknetzes erfordern könnte.

Auch die Kommunikation der Geräte mit der Außenwelt ist wichtig: Hier geizen viele Tablet-PCs mit Anschlüssen, um an Gewicht zu sparen. Ein einziger, zudem proprietärer Stecker wie beim iPad reicht aber oft nicht aus. Je nach Einsatz-Szenario muss ein Gerät auch über Video-out, USB oder HDMI-Anschluss verfügen. Wer mit dem Gerät auch Telefon-Funktionen oder Videoconferencing nutzen möchte, kommt zudem ohne Bluetooth fürs Headset und ohne Frontkamera kaum aus.

4. Gewicht

Wer viel mit Tablet-PCs im Stehen oder Gehen arbeiten soll, braucht leichte, portable Geräte. Traditionelle Tablet-PCs und Convertibles erfüllen diese Kriterien nicht. Dafür bieten diese Geräte Vorteile im Einsatz unter widrigen Umweltbedingungen: Sie sind oft robuster als moderne Tablets, mitunter sogar wasserabweisend, und erweisen sich als weniger anfällig für Extremsituationen zum Beispiel bei der regelmäßigen Sterilisation von Geräten im medizinischen Bereich. Welche dieser Kriterien wichtig sind, entscheidet wie immer das Anwendungs-Szenario.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.