Arbeitgeber

„Bekannte Konzerne sind nicht attraktiver als Mittelständler“

13.08.2014 von Peter Ilg
Die meisten IT-Spezialisten arbeiten im Mittelstand und nur wenige in Konzernen. Doch dort würden die meisten IT-Absolventen am liebsten anfangen. Dieses Wunschdenken ist falsch, meint Martin Vesterling, Inhaber der Vesterling Personalberatung München, weil junge wie auch berufserfahrene Informatiker eher im Mittelstand vorfinden, was sie sich von ihrem Arbeitgebern erhoffen.

CW: Im Ranking des Berliner Forschungsinstituts Trendence über die beliebtesten Arbeitgeber von angehenden Informatikern führen seit Jahren Google und SAP. Was haben diese Unternehmen, was andere nicht haben?

Vesterling: Beide sind groß und bekannt, sie haben marktgängige Produkte und sehr viel Geld für Employer Branding. Ich würde aus Bekanntheit, Größe und finanziellen Möglichkeiten nicht ableiten, dass Arbeitsplätze in solchen Firmen attraktiver wären als in anderen.

Martin Vesterling von der gleichnamigen Personalberatung möchte angehenden Informatikern die Vorzüge mittelständischer Unternehmen schmackhaft machen.
Foto: Vesterling

CW: Klaffen also Wunsch und Wirklichkeit auseinander?

Vesterling: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich weder Google noch SAP näher kenne. Aber: In Umfragen bekannte Unternehmen zu nennen ist cool. Wenn es um einen konkreten Job geht, ist es mit der Coolness rasch vorbei, weil andere Werte zählen. Allen voran der Wohnort. Wenn Google oder SAP nicht vor der Haustüre sind, ist das schon für manche ein Ausschlusskriterium.

CW: Auf was achten berufserfahrene Informatiker bei der Arbeitgeberwahl?

Vesterling: Mit zunehmendem Alter sinkt die Umzugsbereitschaft. Beschäftigte mit Familie sind noch weniger bereit, für einen neuen Job die vertraute Umgebung aufzugeben. Berufserfahrene legen großen Wert darauf, dass der Arbeitsplatz in der Nähe des Wohnorts ist, und sie wollen Work-Life-Balance. Dazu gehören flexible Arbeitsbedingungen, Gleitzeit, Homeoffice. In der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann der Mittelstand gegenüber Konzernen punkten. Ältere Arbeitnehmer legen auch größeren Wert auf Arbeitsplatzsicherheit als Jüngere. Familienunternehmen denken an die nächste Generation und nicht an das nächste Quartal, das macht die Jobs deutlich sicherer.

CW: Was ist Absolventen bei der Wahl ihres Arbeitgebers am wichtigsten?

Vesterling: Sie treten am liebsten eine Position an, die Flexibilität hinsichtlich der Karriere verspricht. Sie möchten sich nicht zu früh auf ein Fachthema festlegen, auch nicht gleich für eine Fach- oder Managementkarriere entscheiden müssen. Sie wollen ihre Möglichkeiten erst einmal ausloten und das können sie am besten in einer mittelständischen Firma, in der es keine stringente Arbeitsteilung wie in Konzernen gibt.

GPTW
Auszeichnung der besten ITK-Arbeitgeber 2014
In einer feierlichen Zeremonie wurden am 10. März 2014 im Rahmen der Computermesse CeBIT in Hannover die besten Arbeitgeber der ITK 2014 prämiert.
50 Unternehmen...
...wurden im diesjährigen Wettbewerb "Great Place to Work in der ITK 2014" ausgezeichnet. Sie haben die zufriedensten Mitarbeiter und die beste Personalarbeit.
Von den Besten lernen:
Great-Place-to-Work-Geschäftsführer im Gespräch mit Bernd Schlüter, Geschäftsführer von QAware. Der Münchner IT-Dienstleister hatte in der Größenklasse der Unternehmen unter 50 Mitarbeiter den ersten Platz erreicht.
Das sind die Sieger in der Kategorie unter 50 Mitarbeiter:
Neben QAware wurden in Hannover secova, Living Business, mayato, Pentland Firth, COMPIRICUS und Module Works ausgezeichnet.
Georg Heeren, Geschäftsführer von mayato,..
..freut sich über den zweiten Platz in der Größenklasse unter 50 Mitarbeiter. Der auf Business Intelligence spezialisierte IT-Dienstleister fördert den Teamgeist mit vierteljährlichen Events, vom Katamaran-Segeln auf Malta bis zum vorweihnachtlichen Treffen in Wien.
Die ersten vier Gewinnerunternehmen in der Kategorie 50 bis 100 Mitarbeiter....
...heißen Perbit, Projektron, viadee und mindsquare.
Susanne Weber, Personalchefin der Paessler AG,...
ist froh, dass der Nürnberger Dienstleister für Netzwerk-Monitoring sich auf Anhieb unter die Top 50 platzieren konnte. Im inhabergeführten Unternehmen gibt es einen engen Austausch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften.
Zu den Siegern in der Kategorie 50 bis 100 Mitarbeiter...
...gehörten die Unternehmen Paessler, Meltwater, Adlon Systems, itdesign und Fortis IT-Services.
Glückliche Gewinner...
Der Softwareanbieter Projektron konnte sich auf dem zweiten Platz in der Größenklasse 50 bis 100 Mitarbeiter behaupten. Die Berliner punkten mit Familienfreundlichkeit und einem hohen Frauenanteil: 55 Prozent der Führungskräfte sind weiblich.
Das sind die besten ITK-Arbeitgeber in der Größenklasse 101-500 Mitarbeiter:
Preise gab es für Compeople, MaibornWolff, SAS Institute, Convista Consulting, Simcorp, Compusafe, Technidata
Axel Streich, Leiter der Anwendungswentwicklung bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall...
...hat sich mit seiner IT-Abteilung als einer der wenigen Anwender dem Wettbewerb um die besten ITK-Arbeitgeber gestellt und den vierten Platz in der Größenklasse 501 bis 1000 Mitarbeiter erreicht.
Iner der Größenklassen zwischen 501 und 1000 Mitarbeiter wurden in Hannover diese Unternehmen...
..als beste Arbeitgeber ausgezeichnet: Immobilienscout, Adesso, Schwäbisch Hall, All for one Steeb, Daimler TSS und TDS.
Microsoft konnte seinen ersten Platz in der Größenkategorie über 1000 Mitarbeiter verteidigen.
Andreas Schubert von Great Place to Work gratuliert HR-Chefin Elke Frank ( Mitte) und Recruiting-Chefin Ina Bourmer.
Die besten ITK-Arbeitgeber der Größenklasse über 1000 Mitarbeiter auf einen Blick:
Microsoft, Ebay, T-Systems Multimedia Solutions, EMC, Telefonica und msg systems.
Genug Gelegenheit, sich auszutauschen...
...hatten die Siegerunternehmen im Kongresszentrum auf der CeBIt vor und nach der Preisverleihung.

CW: Laut Trendence Studie gehört die Automobilbranche zu den Aufsteigern, unter den beliebtesten Arbeitgebern von jungen IT-Spezialisten. Haben auch Professionals erkannt, dass Autos fahrende Computer sind, sie weiter aufgerüstet werden und ihr Wissen deshalb gebraucht wird?

Vesterling: Die Automobilbranche ist im Aufwind, was sich in der Beschäftigung widerspiegelt. Doch IT-Arbeitsplätze entstehen weniger bei den Automobilherstellern, sondern eher bei den mittelständischen Zulieferern. Und ja: das haben die Jungen wie die Älteren mitbekommen, dass sie in der Automobil- und anderen Branchen gebraucht werden, nicht nur wie früher in den IT-Abteilungen, sondern sehr produktnah in der Entwicklung von Fahrerassistenz- oder Multi-Media-Systemen zum Beispiel.

Die Personalberatung Versterling

… ist spezialisiert auf die Vermittlung von IT-Spezialisten. Aktuell hat das Unternehmen über 500 offene IT-Stellen, die es für Kunden besetzen soll. Das sind vor allem mittelständische Familienunternehmen mit bis zu 30.000 Beschäftigten. Die Berater von Vesterling suchen Absolventen und Spezialisten, Geschäftsführer und Nachfolger. Der Inhaber der Personalberatung, Martin Vesterling, 51 Jahre, ist Diplom-Informatiker und fast alle seiner 17 Mitarbeiter in der Beratung sind das auch. „Wir sind vom Fach, das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Vesterling.