Der De-Facto-Qualitätsstandard CMMI (Capability Maturity Model Integration) zielt auf die Prozessverbesserung und Risikovermeidung im gesamten Lifecycle von IT-Systemen - von der Entwicklung bis zum Betrieb - ab. Es gibt verschiedene Varianten des Modells: CMMI for Development (CMMI-Dev) deckt die wesentlichen Prozesse für die Entwicklung von Produkten aus Elektronik, Mechanik und Software ab. CMMI for Acquisition (CMMI-Acq) behandelt die Beschaffungsprozesse bei der Entwicklung von Produkten. Und im März dieses Jahres wurde eine weitere Variante des Modells veröffentlicht: CMMI for Services (CMMI-Svc) befasst sich mit Prozessen zur Planung und Leistung von Dienstleistungen sowie mit deren Management.
Prozessgebiete und Reifegrade
Mit den drei CMMI-Varianten eignet sich CMMI als einheitliche Basis zum prozessorientierten Qualitäts-Management für die verschiedenen Aufgabengebiete in der IT. Das heißt, es lassen sich mit einer definierten Qualität IT-Produkte entwickeln beziehungsweise IT-Services erbringen. Um Prozesse verschiedener Unternehmen vergleichbar machen zu können, werden ihre Anforderungen in so genannte Prozessgebiete zusammengefasst. Es gibt unterschiedliche Vorgehensmodelle, um die Prozess zu strukturieren und die CMMI-Anforderungen zu erfüllen. In der Entwicklung sind das etwa der RUP (Rational Unified Process), das V-Modell XT oder agile Methoden.
Abgrenzung zu Itil
Beim IT-Service-Management hat sich in Europa die IT Infrastructure Library (Itil) etabliert. Im Gegensatz zu Itil adressiert CMMI-Svc aber nicht nur IT-Services, sondern auch Dienstleistungen aus anderen Bereichen - etwa dem Gesundheitswesen und der öffentlichen Verwaltung. Mit Ausnahme von Prozessdefinition und Projektsteuerung umfasst Itil die Prozessgebiete von CMM-Svc weitgehend. Umgekehrt werden die Prozesse und Funktionen von Itil durch die Prozessgebiete von CMMI-Svc mit Ausnahme des Financial-Management und des Information-Security-Management abgedeckt.
Wegen seiner Flexibilität ist CMMI in Firmen mit unterschiedlicher Größe und Struktur anwendbar. Den Kern aller drei CMMI-Varianten bilden die folgenden Prozessgebiet-Kategorien:
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Process Management: beinhaltet die Definition und Verbesserung der unternehmensweit verwendeten Prozesse sowie die Schulung der Mitarbeiter.
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Projekt-Management: umfasst die Prozessgebiete zur Steuerung einzelner Projekte.
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Support: beinhaltet Querschnittsthemen - etwa Configuration-Management zur Unterstützung der anderen Prozessgebiete.
Daneben gibt es für jede CMMI-Variante eine Kategorie mit spezifischen Prozessgebieten:
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Engineering (CMMI-Dev): umfasst die technischen Entwicklungsthemen von den Produktanforderungen bis zur Auslieferung von Produkten
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Acquisition (CMMI-Acq): beinhaltet alle Prozessgebiete zur Beschaffung von Systemkomponenten und Services
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Service Establishment and Deployment CMMI-Svc):umfasst die Prozesse zur Erbringung von Services
Qualitätsmessung bei CMMI
Die Qualität der Prozesse wird bei CMMI mit Hilfe von verschiedenen Reifegradstufen gemessen (siehe Kasten "Stufenweise Prozessverbesserung"). Durch ihre generischen Ziele bilden die Reifegrade ein Qualitätsmodell, das eine stufenweise Verbesserung der Prozessqualität ermöglicht und liefern damit einen Maßstab für die Stabilität von Prozessen.
Stufenweise Prozessverbesserung
Reifegrad 1: Der Prozess erreicht seine Ziele, allerdings ohne nachvollziehbare Planung und Steuerung. Der Erfolg solcher Prozesse hängt weitgehend vom Engagement und der Kompetenz einzelner Mitarbeiter ab.
Reifegrad 2: Der Prozess verläuft geplant und gesteuert. Die wesentlichen Management-Aktivitäten - Zeitplanung, Aufwandsschätzung und Erfolgskontrolle - erfolgen durch die Prozessverantwortlichen.
Reifegrad 3: Hier verlagert sich die Sichtweise von der Betrachtung einzelner Projekte auf die Organisation als Ganzes. Während es auf Reifegrad 2 keine verbindlichen Vorgaben für Planung und Steuerung geben muss, ist ein Prozess auf Reifegrad 3 immer geplant und gesteuert auf Basis unternehmensweiter Standards.
Reifegrad 4: Der Prozess wird durch statistische und andere quantitative Kennzahlen gesteuert. Auf Basis einheitlicher Prozesse lassen sich solche Kennzahlen anwenden, um Projekte vergleichbar und Arbeitsabläufe vorhersagbar zu machen.
Reifegrad 5: Der Prozess wird durch die systematische Auswahl und Einführung neuer Methoden und Technologien kontinuierlich verbessert.
Services erfordern eigene Prozessgebiete
Die Entwicklung eines Produktes ist eine abgegrenzte Aufgabe für einen definierten Zeitraum. Im Rahmen der Entwicklung werden spezifizierte Anforderungen umgesetzt, das Produkt wird getestet, abgenommen und dem Aufraggeber übergeben. In der Regel wird es nur einmal entwickelt, daher ist die Entwicklung mehr oder weniger stark projektorientiert. Typisches Beispiel sind Software-Projekte, bei denen ein definiertes Produkt entwickelt und geliefert wird.
Ein Service dagegen ist eine Leistung, die nicht speicherbar ist und bei ihrer Erzeugung direkt konsumiert wird. Er basiert auf der dauerhaften Fähigkeit einer Organisation, eine vereinbarte Leistung zu erbringen. Im Rahmen eines Service-Agreements wird der Service Gegenstand der Leistung und das Verfahren für seine Erbringung beschrieben. Typisches Beispiel ist der Betrieb eines User Help Desk, bei dem der IT-Dienstleister die Verfügbarkeit von Support-Leistungen innerhalb definierter Fristen mit bestimmten Reaktionszeiten zusichert. Für die Erbringung von Services wird meist eine feste Linienorganisation installiert. Wegen dieser Besonderheiten sind eigene CMMI-Prozessgebiete für das Service-Management sinnvoll. Die zentralen Konzepte für Prozessreife und -verbesserung im Unternehmen gelten allerdings für alle Prozessgebiete.
Prozessgebiete von CMMI-Svc
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CMMI-Kern zuzüglich der Prozessgebiete der Kategorie Service Establishment and Deployment.
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Service Delivery (SD): Ziel dieses Prozessgebiets ist die Lieferung von Services entsprechend den vereinbarten Service Agreements als Grundlage der Beziehung zwischen Provider und Kunde.
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Incident Resolution and Prevention (IRP): Ziel ist die zeitgerechte und effektive Lösung von Incidents und die Planung vorbeugender Maßnahmen gegen Störungen der Servicequalität.
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Service System Development (SSD): Ziel ist die Entwicklung und Pflege des Systems einschließlich seiner Komponenten, um aktuelle oder absehbare Service Agreements zu erfüllen.
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Service System Transition (SST): Ziel ist die Einführung neuer oder geänderter Service-System-Komponenten sowie die Steuerung der Auswirkungen auf den laufenden Betrieb.
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Capacity and Availability Management (CAM): Ziel dieses Prozessgebiets ist die Gewährleistung der erforderlichen Kapazität und Verfügbarkeit des Systems.
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Service Continuity (SCON): Ziel ist die Planung von Maßnahmen zur Kontinuität von Services während und nach einer Unterbrechung des normalen Betriebs.
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Strategic Service Management (STSM): Ziel ist die Entwicklung von Standard-Services und eines Servicekataloges entsprechend den strategischen Zielen des Unternehmens.
Fazit: Die Verwendung von CMMI-Svc lohnt sich
CMMI hat sich in vielen Jahren als Modell zur Prozessverbesserung in der IT bewährt. Die Prozessgebiete von CMMI-Svc decken mit ihren spezifischen Zielen die wesentlichen Aufgaben im IT-Service-Management (ITSM) ab und können somit als Checkliste für die Vollständigkeit von ITSM-Prozessen dienen. Und mit dem Qualitätsmodell auf Basis von Reifegraden garantiert die konsequente Anwendung von CMMI-Svc eine vollständige und nachhaltige Einführung von ITSM-Prozessen. Weitere Informationen zu dem neuen Konzept finden Sie beim SEI (Software Engineering Institute). (sp)