Bildungs-Outsourcing birgt Risiken

15.04.2004 von Helga Ballauf
Kommt die Gehaltsbuchhaltung billiger, wenn sie extern erledigt wird? Wem kann man die Auswahl von Leiharbeitern übertragen? Solche Fragen beschäftigten die Personalabteilungen in den vergangenen Jahren. Nun geht es einen Schritt weiter: Bildungsdienstleister bieten Personal- und Unternehmensentwicklung im Paket an.

Es ist ein diskretes Geschäft. Dass die Institute, die "Human Resource Outsourcing" betreiben, die Namen ihrer Kunden nicht an die große Glocke hängen, versteht sich von selbst. Externe haben über Interna zu schweigen. Doch auch die Unternehmen selbst, die betriebliche Weiterbildung und Personalentwicklung auslagern, tun das lieber inkognito. Man lässt sich nicht in die Karten schauen.

Die Suche nach externen Partnern für die Personalqualifizierung wird in Firmen dann zum Thema, wenn alle Ressorts gehalten sind, ihren exakten Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens nachzuweisen. Oder aber, wenn die Personalentwicklungsabteilung bereits vor dem Problem steht, wie sie gleich bleibende Leistung mit weniger Ressourcen erbringen kann. Oft aber geht die Initiative von den Bildungsdienstleistern aus: Sie bieten Unternehmen, mit denen sie bereits länger kooperieren - als klassisches Schulungsinstitut, als Ausbildungspartner oder als E-Learning-Anbieter - weitergehende Dienste an.

"Wir vereinbaren von vornherein den Weg der Rückübertragung." Edgar Storz, Unilog Integrata Training AG.

Die auf IT-Training spezialisierte Tübinger Unilog Integrata Training AG beispielsweise nimmt ihren Kunden entweder Teilaufgaben ab - wie etwa die Teilnehmeradministration - oder aber den gesamten Qualifizierungsprozess. Entscheidend für die Auftraggeber sei, berichtet Unilog-Manager Edgar Storz, wer welche Aufgabe kostengünstiger erledigen könne sowie die Abwägung: "Wie werden die Prozesse besser und effizienter? Wie lassen sich Ausgaben sparen?"

Das setzt eine Detailanalyse voraus. Sie betrifft die tatsächlichen Kosten der Weiterbildungsabteilung ebenso wie die Ausgaben für Trainings oder Supervisionen, die anderswo im Unternehmen entstehen, sowie die Frage, ob und wie Kompetenzprofile der Beschäftigten erhoben und verwaltet werden. Im zweiten Schritt geht es um die Verzahnung von Personal- und Unternehmensentwicklung. Storz: "Qualifizierungsziele müssen von Geschäftszielen abgeleitet werden. Wenn sich die Strategie ändert, hat das Konsequenzen für die Weiterbildung. Wir helfen dem Kunden, diesen Regelkreis immer wieder neu zu justieren."

Ein heikles Feld, muss doch das Innenleben des Unternehmens vor dem externen Partner ausgebreitet werden. Vertrauen ist die Voraussetzung, flankiert von klaren Vertraulichkeitsregeln. Außerdem, sagt Storz, "vereinbaren wir von vornherein den Weg der Rückübertragung - falls der Kunde einmal das Qualifizierungsgeschäft wieder in die Firma zurückholen will."

Er empfiehlt, sehr früh Betriebs- oder Personalräte einzubeziehen, unabhängig davon, ob alles oder nur eine Teilaufgabe ausgelagert wird. Unabdingbar ist die Einigung mit der Mitarbeitervertretung, wenn die Unilog Integrata Training AG unter bestimmten Voraussetzungen sogar das outgesourcete Personal des Kunden übernimmt.

Die Frankfurter Firmen Signum IT und Provadis sind selbst Ausgründungen, Erstere von Weiterbildungsexperten des ehemaligen AEG-Konzerns, Letztere von Qualifizierungsspezialisten des Chemieriesen Hoechst. Sporen haben sich beide Unternehmen zunächst im Ausbildungs-Management verdient. Inzwischen wird den Kunden zunehmend auch die Übernahme der Personal- und Organisationsentwicklung angeboten.

Ansprechpartner im Unternehmen notwendig

Für Provadis-Geschäftsführer Udo Lemke steht fest: "Ein Konzept zur Bedarfsanalyse und Qualifizierungsplanung, das auf die Bedürfnisse des Unternehmens und der Mitarbeiter abgestimmt ist, gelingt uns nur dann, wenn Vertrauen und gute Beziehungen zum Kunden gewachsen sind." Entscheidend sei, Lösungen anzubieten, die weniger kosten, aber besser sind als hausinterne Varianten. Lemke ist wichtig, dass beim Kunden ein kompetenter Ansprechpartner mit Entscheidungsbefugnis für die Personalentwicklung verbleibt: "Unternehmen, die auf diese Person verzichten, gehen ein echtes Risiko beim Auslagern des Bildungsprozesses ein."

In der Rezession senken die Firmen schnell das Weiterbildungsbudget. Kommt das externen Anbietern zugute, weil mehr Aufgaben kostensparend nach draußen vergeben werden? "Nein", sagt Lemke. "Auch wir sind von den Kürzungen betroffen. Erst wenige Unternehmen beherzigen, dass Versäumnisse bei der Kompetenzentwicklung langfristig die Marktchancen schmälern."

Auf dem Feld des "Human Resource Management" wächst die Konkurrenz: Neben den Bildungsinstituten versuchen IT-Dienstleister und Unternehmensberater sich zu etablieren. Auch die T-Systems Multimedia Solutions GmbH steigt ins Geschäft ein. Die Telekom-Tochter in Dresden bietet als E-Learning-Spezialist ein Paket aus technologischen Grundlagen, Inhalten und Service an, berichtet Bereichsleiter Frank Schönefeld: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass E-Learning als singuläre Dienstleistung zu kurz greift." Deshalb werden interessierte Kunden nun auch beraten, wie sie den virtuellen Wissenserwerb in ein gemischtes Lernkonzept einbinden können. "Die Nachfrage ist allerdings gering", räumt Schönefeld ein, weil derzeit jede Weiterbildungsabteilung zusätzliche Ausgaben scheue. Die Konsequenz von T-Systems Multimedia heißt: ins eigene Paket Aufgaben wie Bewerber-Management, Ziele-Monitoring und Kompetenz-Management integrieren und mit der Unternehmensspitze des Kunden ins Geschäft kommen.

Weiterbildung als Kernkompetenz

Schönefeld sieht jedoch klare Grenzen, wenn ein Unternehmen das gesamte "Human Resource Management" auslagern will. "Zugespitzt formuliert", sagt er, "ist es bei Beschäftigten am Fließband nicht problematisch, bei Kundenberatern dagegen schon." Jedes Unternehmen müsse sich beim Outsourcing auf diesem Feld gut überlegen, wie speziell oder wie austauschbar die Fähigkeiten der Mitarbeiter seien, um die es gehe, und auf wie viel Kontrolle man verzichte. T-Systems Multimedia hat für sich selbst entschieden, berichtet er: "Interne Weiterbildungsprozesse gehören zu unserem Kern-Know-how. Diese wichtige Stellschraube für die Entwicklung des eigenen Geschäfts wollen wir nicht aus der Hand geben." (hk)

*Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.