Kommentar

BPM auf der grünen Wiese gibt es nicht

11.05.2009 von Frank Joecks
Business-Prozess-Management (BPM) ist im Grundsatz nichts Neues. Und doch ist es eine der brisantesten Herausforderungen der modernen IT.

Über Sinn und Zweck, Vor- und Nachteile, über "BPM auf dem Papier" ist viel geschrieben worden und wird ausführlich diskutiert. Von der gemeinsamen Sprache der Fach- und IT-Abteilungen ist die Rede, von einer schnelleren, flexibleren, agilen Umsetzung der Geschäftsprozesse und dies über technologische und systemtechnische Grenzen hinweg.

Frank Joecks

Das hört sich gut an und glaubt man den bekannten Analysten, so wird sich der Markt für BPM-Systeme in den nächsten vier Jahren nahezu verdoppeln. Nicht zuletzt durch die Übernahmen von Bea durch Oracle, WebMethods durch die Software AG und IONA durch Progress zeigt sich eine Konzentration auf die Themen BPM und SOA. Der Trend ist klar: Alle großen Software- und Infrastrukturanbieter positionieren sich entsprechend und bieten auffallend ähnliche Produkt-Suiten an. Ehemalige Partner werden zu Wettbewerbern.

Und die Kundenseite? Was sich auf Powerpoint-Folien gut anhört und in Demo-Präsentationen prima aussieht, stellt sich in der Praxis deutlich komplexer dar. Kritische Punkte sind dabei die Migration von Systemen und die Modernisierung von Anwendungslandschaften - beides Schritte, die ein sukzessives und evolutionäres Vorgehen erfordern. Ein "BPM auf der grünen Wiese" haben wir bisher nicht gesehen. Aber technisch ist vieles machbar, wenn auch unter teilweise großen Anstrengungen und mit Lösungen, die, zumindest heute, oft nicht den technischen Konzepten entsprechen. Erfolgsfaktoren sind jedoch nicht (nur) technologisch begründet, sondern liegen auf einem anderen Gebiet.

360-Grad-BPM

BPM in Verbindung mit einer Service-orientierten Architektur (SOA) stellt elementar neue Anforderungen an die Organisation und die Denkweise eines Unternehmens. Und das betrifft besonders die IT. Die Agilität prozesszentrierter Systeme muss um ein Vielfaches höher sein als bisher, Reaktionszeiten in der Softwareentwicklung von Monaten sind hingegen nicht länger akzeptabel. Das setzt ein durchgängiges Prozessmodell voraus - viele sprechen hier von "360-Grad-BPM". Das wiederum bedingt Lösungen zu Themen wie Prozessverwaltung und Prozessanalyse in Echtzeit, Versionierung, Überwachung und Steuerung von Services sowie die Integration regelgestützter Systeme. In der Realität, also in den Produktivsystemen der Unternehmen, sind diese Themen noch nicht angekommen - vereinzelt, punktuell: ja, in Summe aber: nein.

Mit universellem Ansatz zur individuellen Lösung

Der mustergültige Einsatz einer umfassenden BPM-Suite ist bislang die Ausnahme, und schaut man auf die Referenzen der Anbieter, entdeckt man dahinter meist eine nicht ganz so vorbildliche Implementierung. Das ist aber auch nicht das Problem, denn die Ansätze der Hersteller sind gut und es stellt sich immer auch die Frage, ob ein bestimmtes Produkt überhaupt passt beziehungsweise notwendig ist. BPM ist ein universeller Ansatz, führt aber zu einer individuellen Realisierung.

Was leider immer unterschätzt wird, ist der Faktor Mensch. Eine prozesszentrische Sicht setzt nicht nur neue Systeme, neue Rollen und auch neue Technologien voraus. BPM ist ein strategisches Thema, das Top-Down geführt sein muss und das eine Abkehr von der applikationszentrischen Sicht bedeutet. Diese Abkehr ist nicht beliebt und es ist mitunter die größte Herausforderung, die Akzeptanz im Unternehmen herzustellen.

Die Perspektiven für alle Marktteilnehmer sind eindeutig. Die Buzzwords kommen und gehen, aber zur Modernisierung der IT-Landschaften, zu agileren, prozessorientierten und flexiblen Systemen gibt es keine Alternativen, unabhängig von Technologien und Standards.