VDE-Fachtagung

Breitbandausbau: Wunschdenken vs. Realität

11.05.2015 von Rolf Froböse
Im Fokus einer aktuellen Fachtagung zu der die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (ITG) zahlreiche Experten geladen hatte, standen die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Breitbandversorgung in Deutschland.

Das anspruchsvolle Ziel der Bundesregierung zum Ausbau des Breitbandnetzes soll durch den Einsatz aller derzeit und zukünftig verfügbarer Technologien erreicht werden. Anlässlich der VDE-Fachtagung zeigte sich Frank Selle als Sprecher des auf Telekommunikationsfragen spezialisierten Consulting-Unternehmens seim & partner hinsichtlich der Zielvorgaben skeptisch. "Insbesondere in ländlichen Räumen sind die Pläne nicht realisierbar", verdeutlichte Selle. Das Festhalten an der Kupferinfrastruktur verschärfe zusehends das Stadt-Land-Gefälle. "Die Telekommunikationsunternehmen bauen nur in wirtschaftlich attraktiven Gebieten aus, der ländliche Raum bleibt zurück", wetterte der Experte. Das Problem werde durch die aktuelle Förderlandschaft weiter verschärft. Die nach wie vor fehlenden Rechtsgrundlagen blockierten Anreize für die Wirtschaft, sich auch in vermeintlich unrentablen Gebieten zu engagieren.

Die Breitbandstrategie der Bundesregierung proklamiert eine flächendeckende Versorgung mit Bandbreiten von 50 MBit/s bis zum Jahr 2018.
Foto: Telekom

Breitband-Vorbild Skandinavien

Angaben von Florian Borst von der Stuttgarter econtech GmbH zufolge wird der Ausbau des Netzes im ländlichen Bereich durch hohe Verlegekosten gehemmt. "Zur Erreichung einer 100-prozentigen Anschlussrate der Haushalte in Deutschland mit mindestens 50 MBit/s wären Investitionen von rund 20 Milliarden Euro erforderlich", kalkulierte Borst. Allein die Erschließung der letzten fünf Prozent der Haushalte würde rund acht Milliarden Euro kosten. Der Blick nach Skandinavien zeige aber, dass ein effizienter und flächendeckender Breitbandausbau machbar ist. Es wäre daher sinnvoll, aus den positiven Erfahrungen der Nachbarn zu lernen und die dortigen Firmen zu motivieren, mit ihren Erfahrungen nach Deutschland zu kommen.

"Das politische Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung mit mindestens 50 Mbit/s im Download bis zum Jahr 2018 lässt sich effektiv nur mit einem Technologiemix aus leitungsgebundenen Breitbandkabelnetzen und Mobilfunklösungen erreichen", argumentierte Thomas Eibeck von der Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH in Unterföhring. Hierbei müsse der privatwirtschaftliche Breitbandausbau klar Vorrang haben vor staatlichen Eingriffen. Fördermaßnahmen sollten nur in "weißen Flecken" in Betracht gezogen werden, wo auf absehbare Zeit ein eigenwirtschaftlicher Ausbau nicht erfolgen könne. Die Förderung des Ausbaus passiver Glasfaser-Infrastrukturen in so genannten Betreibermodellen sei dabei der Ansatz, der zu Investitionen in echte Hochleistungsnetze führen könne und zugleich die größte Wettbewerbsneutralität und Anbieteroffenheit verspreche.

Status Quo: Breitbandausbau in Deutschland
LTE-Technologie
Die Mobilfunktechnik LTE (Long-Term Evolution) stellt derzeit in Deutschland Bandbreiten von bis zu 150 Mbit/s (Downlink) bereit.
Der europäische Telekommunikationsmarkt
Eine Analyse des europäischen Telekommunikationsmarktes durch die britische TK-Regulierungsbehörde Ofcom ergab, dass bei Breitband-Anschlüssen mit 30 Mbit/s und mehr Deutschland derzeit in der EU einen hinteren Platz einnimmt. Pro 100 Einwohner sind fünf Anschlüsse mit 30 Mbit/s oder mehr vorhanden.
Verteilung der mobilen Breitbandverbindungen
Nach Daten der britischen TK-Regulierungsbehörde Ofcom liegt die Zahl der mobilen Breitbandverbindungen pro 100 Einwohner in Deutschland (3G, HSPA, LTE) unter Werten in anderen EU-Ländern. Darunter sind auch Flächenstaaten wie Frankreich (FR), Italien (IT), Spanien (ES) und Großbritannien (UK) zu finden.
Verteilung der mobilen Breitbandverbindungen
Nach Daten der britischen TK-Regulierungsbehörde Ofcom liegt die Zahl der mobilen Breitbandverbindungen pro 100 Einwohner in Deutschland (3G, HSPA, LTE) unter Werten in anderen EU-Ländern. Darunter sind auch Flächenstaaten wie Frankreich (FR), Italien (IT), Spanien (ES) und Großbritannien (UK) zu finden.
Marktanteile der Breitbandanschlüsse
Nach wie vor ist die Telekom in Deutschland mit Abstand größter Anbieter von Breitbandanschlüssen, die über kabelgebundene Netze wie DSL oder TV-Kabel bereitgestellt werden.
Verteilung der Anschlüsse nach Bandbreite
Weiter Weg bis 50 Mbit/s: Nach Angaben des Telekommunikations-Verbandes VATM verfügten 2013 in Deutschland gerade einmal 1,3 Prozent der Festnetzkunden in Deutschland über einen Anschluss mit mehr als 50 Mbit/s. An die 12, 5 Prozent nutzen Anschlüsse mit 16 bis 50 Mbit/s.
Entwicklung der DSL-Technologie
Entwicklung der DSL-Technik: Derzeit ist VDSL2 Vectoring mit 100 Mbit/s die Übermittlungstechnik mit der größten Bandbreite, die über Kupferkabel angeboten wird. Die Deutsche Telekom hat in Feldversuchen bereits den VDSL2-Nachfolgestandard G.Fast getestet, der mehr als 1 GBit/s bereitstellt.
Wie Vectoring funktioniert
Bei der Übermittlung von Daten über ungeschirmte Kupferkabel treten Störungen (Übersprechen) zwischen den Kupferadern auf. Bei Vectoring werden die Störeinflüsse am Kabelende geschätzt und vom DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer) mithilfe einer speziellen Kanalcodierung kompensiert.
Kabel Deutschland Sprach- und Datendienste
Die Vodafone-Tochter Kabel Deutschland spricht mit ihren Sprach- und Datendiensten via TV-Kabelnetz gezielt Geschäftskunden an. Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) 2014 im September zeigte das Unternehmen, dass sich über das TV-Kabelnetz Datenraten von 1 GBit/s und mehr erreichen lassen.
Breitband-Anschlüsse in Deutschland
Nach Angaben der Beratungsfirma Wik-Consult zeigt sich bei der Verteilung der Breitband-Anschlüsse weiterhin eine deutliche Dominanz der Telekom (TDG, Telekom Deutschland GmbH). Ein Zuwachs ist bei der Zahl der Breitband-Anschlüsse über das Kabel-TV-Netz zu beobachten.
Zukunftsmusik
Bereits 2012 gelang es Kabel Deutschland in einem Labortest, über herkömmliche TV-Kabel Daten mit 4 GBit/s zu übertragen.
Aufbau eines Glasfasernetzes
Das Fibre to the Home Council Europe favorisiert die Verlegung von Glasfaserkabel bis zu "Distribution Points" (dp) im Keller von Gebäuden oder einzelnen Wohnungen. Das erlaubt höhere Datenraten über Kupferkabel auf den letzten Metern (Varianten 2 und 3). Telekommunikationsfirmen wie die Telekom bevorzugen dagegen Variante 1.
Bandbreiteklassen nach Technologien
Eine Studie im Auftrag der Bundesnetzagentur ergab, dass 2013 die Mehrzahl der Nutzer von LTE-Mobilfunk und Kabel-TV-Netzen eine höhere Bandbreite verwendeten als DSL-/VDSL-Kunden.
Anteile der vermarkteten Datenübertragungsrate
Nach Messungen im Auftrag der Bundesnetzagentur stellen die Service-Provider ihren Kunden in der Praxis nur in seltenen Fällen die vertraglich zugesicherte Bandbreite zur Verfügung. Als Grund werden meist technische Limitierungen wie eine unzureichende Kabelqualität genannt.
Bandbreiteklassen nach Regionen
Nicht verwunderlich ist, dass 2013 in Städten deutlich mehr Nutzer über Breitbandanschlüsse mit 25 bis 50 Mbit/s verfügten als in Vororten oder auf dem Land.
Anteile der vermarkteten Datenübertragungsrate
Das Kabel lässt sich in allen Bereichen gut vermarkten.
Technologien nach Regionen
In allen Regionen kann die DSL-Technologie punkten.
Breitbandausbau in Europa
Deutschland kann sich gut an der Spitze behaupten.
LTE-Technologie
LTE-Technologie in der Praxis.
Glasfasertechnik
Glasfasertechnologie in der Praxis.

Infrastrukturvorplanung von Glasfasernetzen

In einem Gemeinschaftsprojekt der Fachhochschule Südwestfalen und der Bauhaus-Universität Weimar wurden Szenarien untersucht, um dem enormen Breitbandausbau-Bedarf in ländlichen Gegenden zu befriedigen. In seinem Vortrag skizzierte Jens Wiggenbrock vom Fachbereich Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede den aktuellen Stand eines Forschungsprojekts, das darauf abzielt die Erstellung von Infrastrukturvorplanungen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Methoden entwickelt, die bereits vorhandenes Wissen über Aufbau und Zustand bestehender Infrastrukturen zur ressourcenoptimierten Vorplanung von Topologie und Kosten beim Glasfaser-Breitbandausbau nutzbar machen.

"Aus den vorgestellten Methoden können die optimalen Strecken und die Dimensionierung für eine vorausschauende Glasfaserleerrohrverlegung direkt abgeleitet werden", erläuterte Wiggenbrock. Die Forschungsarbeit leiste somit einen Beitrag zur Förderung des Breitbandausbaus insbesondere im ländlichen Raum und zeige langfristig finanzierbare Wege zu einem flächendeckenden Ausbau von Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetzen weit jenseits von 50 MBit/s auf. (bw)

Breitbandanschlüsse in Deutschland
Breitbandanschlüsse in Deutschland
Die Zahl der Breitbandanschlüsse ist 2013 vorläufigen Schätzungen zufolge nur leicht gestiegen.
Breitbandanschlüsse in Deutschland
DSL dominant: Die Verteilung der DSL- und FTTB-/FTTH-Anschlüsse nach Downstream-Bandbreite.
Breitbandanschlüsse in Deutschland
Allein die steigende Nachfrage nach Video lässt den Bandbreitenbedarf bis 2020 auf 100 Mbit/s steigen.
Breitbandanschlüsse in Deutschland
Für das DSL-Vectoring sprechen auch deutlich geringere Investitionskosten im Vergleich zum Glasfaserausbau.
Breitbandanschlüsse in Deutschland
Mit DSL-Vectoring können auch auf dem Kupferkabel 100 Mbit/s übertragen werden.
Breitbandanschlüsse in Deutschland
Die VDSL2-Baugruppe für die Multi-Zugangsplattform MileGate von KEYMILE verfügt über eine integrierte Vectoring-Einheit und unter-stützt System-Level-Vectoring.