Massenansturm

Chaos bei der Hochschulzulassung geht weiter

13.04.2011
So viele junge Menschen wie nie werden in diesem Jahr auf Studienplatzsuche sein. Ein zentrales Bewerbungssystem via Internet sollte endlich das jährliche Zulassungschaos in den NC-Mangel-Fächern beenden. Doch der Start ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Geburtenstarke Abiturjahrgänge, dazu doppelte Abiturientenjahrgänge in Bayern und Niedersachsen wegen der Schulzeitverkürzung - und obendrein noch mehr Studienbewerber wegen der Wehrpflicht-Aussetzung: Dennoch sollte im Hochschulanfänger-Rekordjahr 2011 alles besser werden - versprechen Hochschulrektoren und Länder seit Monaten. Doch am Dienstag stoppten sie den Start des geplanten zentralen Hochschulzulassungssystems für die Numerus-Clausus-Studienfächer - vorerst auf unbestimmte Zeit. Das Chaos bei der Studieneinschreibung geht damit weiter.

Sicherheit und Qualität gehe schließlich vor Schnelligkeit, auch im Interesse der vielen Studienbewerber, versuchte die Stiftung hochschulstart.de zu beschwichtigen. Sie ist die Nachfolgerin der früheren Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund. Als gemeinsame Stiftung von Ländern und Hochschulen soll sie jetzt das neue System betreiben.

Doch schon Mitte März war bei einer Anhörung im Bundestag deutlich geworden, dass es an den Schnittstellen zwischen dem jetzt hochmodern aufgerüsteten zentralen Computersystem in Dortmund und der zum Teil veralteten Software vieler Hochschulverwaltungen erhebliche Probleme gibt. Die Zahl der Fehler bei den Tests war größer als erwartet.

Es ist ein hoch kompliziertes "dialogorientiertes System" und soll einmal das modernste Zulassungsverfahren in ganz Europa werden, schwärmen die Entwickler seit Monaten. Der Bund hat dafür 15 Millionen Euro ausgegeben. Doch vieles erinnert an die Pannenserie bei Einführung des Lkw-Maut-Systems Toll Collect. Die Telekom-Tochter "T-Systems" weist vorbeugend alle Schuld von sich. Der überwiegende Teil der Hochschulmitarbeiter sei bei Schulungen total begeistert. Nur: Die Einbindung "in die heterogenen Softwarelandschaften" der einzelnen Hochschulen mache halt noch viel Arbeit.

Bis zu zwölf Studienwünsche soll ein Bewerber auf der Internet-Plattform der Stiftung ankreuzen können - nebst Angaben zur Abi-Note, Leistungskursen, Eigenprofil und Interessenschwerpunkt. Die Hochschule entscheidet dann im Online-Zugriff, ob sie den Bewerber auch will. Nimmt er dann das Studienplatzangebot an, ist er automatisch für andere Hochschulen gesperrt.

Autonomie gefordert

Doch es sind nicht nur technische Probleme, die den Start des gut gemeinten Systems erschweren. Ein Teil der Universitäten hat noch immer Vorbehalte, auch nur einen kleinen Teil der technischen Einschreibmodalitäten einer zentralen Stelle zu übertragen. Befürchtet wird ein Verlust an Hochschulautonomie. Schließlich waren es vor allem die Hochschulrektoren, die auf die Zerschlagung der von ihnen ungeliebten alten ZVS drängten. Mit dem alten ZVS-System werden heute nur noch die Bewerbungen für Medizin und Pharmazie abgewickelt. Und das klappt noch immer fast reibungslos.

Doch die Länder wollen das jährliche Chaos mit Doppelzulassungen und der Blockade freier Studienplätze auch in den anderen NC-Fächern nicht länger hinnehmen. Allein im vergangenem Wintersemester blieben fast 17.000 Studienplätze in den begehrten Mangelfächern auch nach Abschluss mehrerer Nachrückrunden unbesetzt - wie jetzt aus einem internen Bericht der Kultusminister hervorgeht, der der dpa vorliegt. Im Vorjahr waren es "mindestens 18.000 Plätze". Das kostet viel Geld. Schließlich bekommen die Länder bei der Abrechnung des Hochschulpaktes auch nur dann Geld vom Bund, wenn der Studienplatz tatsächlich auch besetzt wird - und nicht wenn er frei bleibt.

Vier Länder - Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz - haben ihre Hochschulen bereits verpflichtet, an dem neuen System teilzunehmen. Doch bei der Anhörung im Bundestag wurde auch deutlich: Doppelzulassungen lassen sich künftig nur vermeiden, wenn möglichst alle Hochschulen teilnehmen und auch die jetzt noch bei den Planungen außen vor liegenden Lehramtsstudiengänge einbezogen werden. Auch ist noch nicht in allen Ländern geklärt, wer für die laufenden Kosten der neuen Stiftung aufkommen soll. Pro Vermittlung braucht die Stiftung 20 Euro, um künftig ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Viele Hochschulen zeigen auf ihre Ministerien - die wiederum geben den Ball gern zurück. (dpa/ajf)