Neue CIO-Rolle in IT Supply Chain

Cloud macht ITlern Job-Angst

26.12.2011 von Holger Eriksdotter
Große Firmen nutzen zunehmend Infrastruktur- und Entwicklungs-Plattformen aus der Cloud. CIOs werden dabei zu Koordinatoren – und ITler fürchten um ihre Jobs.

Große Unternehmen sind bei Cloud Computing Vorreiter. Weil bei ihnen die Virtualisierung der Server-Landschaften am weitesten vorangeschritten ist, zeigen diese Firmen auch eine größere Affinität zu IT aus der Wolke – so eine Kernthese der Studie „The Arrival of “Cloud Thinking” - How and Why Cloud Computing Has Come of Age in Large Enterprises“, die Management Insight Technologies im Auftrag von CA Technologies durchgeführt hat. Das gelte nicht nur in Bezug darauf, dass Virtualisierung gleichsam die technologische Basis – zumindest für inhouse betriebene Private Clouds – bildet.

Virtualisierung fördert Cloud-Denke

Die Virtualisierung schreitet voran - und damit auch die Affinität zum Cloud Computing.
Foto: CA Technologies

Gleichzeitig würden die Virtualisierungs-Bemühungen der IT-Abteilung das Interesse an Cloud Computing fördern, zu einer optimistischeren Einstellung gegenüber der Cloud führen und deshalb einen Trend zur „Cloud-Denke“ auslösen. Dabei stehe die Virtualisierungs-Reife in einem direkten Verhältnis zur Bereitschaft, Cloud-Lösungen einzuführen: Je weiter die Virtualisierung in einem Unternehmen vorangeschritten sei, desto mehr steige die Bereitschaft zum Cloud Computing. Firmen mit breitflächiger Virtualisierung seien deshalb viermal eher geneigt, so viele Services wie möglich in öffentliche oder private Cloud-Umgebungen auszulagern.

Nach den Ergebnissen der Studie nutzen bereits heute mehr als 80 Prozent der Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern und 92 Prozent der größten Konzerne (mit mehr als 10.000 Mitarbeitern) zumindest einen Cloud-Service. Im Schnitt setzt jedes Unternehmen sechs Cloud Services ein. Collaboration Tools führen die Liste des Cloud-Einsatzes mit 75 Prozent an: E-Mail, Anti-Virus-/Anti-Spam-Filter und Webkonferenzen sind die gebräuchlichsten Anwendungen, die von großen Unternehmen in der Cloud betrieben werden.

Aber auch Infrastruktur- und Entwicklungs-Plattformen in der Cloud (Infrastructure- und Platform-as-a-Service) sind auf Wachstumskurs: 58 Prozent der großen Unternehmen nutzen solche Services bereits und 42 Prozent denken darüber nach. Solche Einsatzszenarien und -überlegungen deuten darauf hin, dass Infrastruktur-Clouds zur nächsten Welle der Cloud-Einführungen gehören werden.

Adam Famularo, General Manager Cloud Clomputing bei CA Technologies: "IT-Leiter werden zu Chefkoordinatoren einer IT-Supply-Chain."
Foto: CA Technologies

„Die Studie bestätigt, dass große Unternehmen die Vorteile der Cloud für sich entdecken und Erweiterungen planen – von einfachen Services wie Collaboration bis hin zu komplexeren Infrastruktur- und Plattform-Services in der Cloud“, sagt Adam Famularo, General Manager Cloud Computing bei CA Technologies. Er liest daraus den Trend ab, dass IT-Leiter schnell zu Chefkoordinatoren einer IT-Supply-Chain werden, die aus internen und externen Services besteht.

„Mit dieser Veränderung entsteht ein wachsender Bedarf an technisch ausgefeilten Management-Lösungen und anspruchsvollen Sicherheitsmaßnahmen, die es Unternehmen erlauben, die IT-Denkweise zu ändern und dadurch alle Vorteile des Cloud Computing zu nutzen: Agilität, Effizienz und Skalierbarkeit“, resümiert Famularo.

ITler haben Angst vor Jobverlust

Sowohl bei den Gründen für Cloud-Technologien als auch bei den wichtigsten Hemmnissen liegt die CA-Befragung im Trend anderer aktueller Studien: Während Kosteneinsparungen und bessere Kostenkontrolle die Hauptargumente für die Cloud sind, gelten Sicherheitsfragen, die Angst vor Kontrollverlust und schlechter Service-Qualität als gewichtigste Hemmschuhe. Selten in dieser Deutlichkeit geäußert: Mehr als die Hälfte der IT-Fachleute gaben an, dass sie mit der zunehmenden Einführung von Cloud Computing um ihren Job fürchten.

Während sich die IT-Führungskräfte um die Sicherheit sorgen, fürchten die einfachen IT-Mitarbeiter um ihren Job.
Foto: CA Technologies

Zunehmende Cloud-Denke auf der einen, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes auf der anderen Seite. Die Studie zeigt die widersprüchliche Rezeption von Cloud Computing bei den IT-Mitarbeitern. Und sie liegt mit der These, dass die Affinität zum Cloud Computing zunehmend auch in den Köpfen der IT-Mannschaft stattfindet, keineswegs auf der Linie anderer aktueller Studien. Befragungen mit Fokus auf Deutschland oder Europa zeigen ein etwas anderes Bild: Eine Online-Umfrage von CIO belegt, dass fast ein Fünftel der Teilnehmer durch Cloud Computing den Verlust oder die Abwertung ihres Arbeitsplatzes fürchten.

Zehn unentbehrliche IT-Skills
1. Kommunikation
Von vielen als "weicher " Faktor belächelt, sollte die Fähigkeit, mit anderen Menschen verbal zu interagieren, auch im "harten" IT-Geschäft nicht vernachlässigt werden. Die Welt im Datenzentrum verändert sich noch rascher als anderswo. Hier eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten erfordert Kommunikation - nicht nur mit dem Business, sondern auch innerhalb der IT-Organisation.
2. Service-Management
Viele Unternehmen beziehen bereits Teile ihrer IT-Services aus der Cloud. Diese Auslagerung verlangt von den IT-Verantwortlichen ein Umdenken in Sachen Service-Management. Sie müssen das komplexe Zusammenspiel von Kapazität und Nachfrage in einer nicht länger fest umrissenen Infrastruktur im Griff haben.
3. Unified Computing
Das "Unified Computing System" von Cisco, die "Blade System Matrix" von HP und die Cloud-Computing-Strategie von IBM stehen laut Rockwell Bonecutter, Data-Center-Experte bei Accenture, beispielhaft für einen Trend, der auch noch die kommenden Jahre kennzeichnen werde.
4. Projekt-Management
Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Unternehmen auch ihre verschobenen IT-Projekte in Angriff nehmen. Aber sie werden darauf achten, dass sich die Investitionen am Ende auch auszahlen. Deshalb sind die Fähigkeiten zur Business-Analyse und zum effizienten Projekt-Management gefragt.
5. Ressourcen-Management
In einen Zusammenhang mit dem Thema Green IT gehört die Beherrschung der Wechselwirkungen zwischen IT- und Facilities-Management. Keine Kapazitätsplanung kommt heute ohne eine Betrachtung des Energieverbrauchs und der Wärmeabstrahlung aus. IT-Teams brauchen also dringend jemanden, der diese Faktoren auf dem Schirm hat und in der Lage ist, dieselbe Sprache wie die Facilities-Experten zu sprechen, also einen "Ressourcen-Manager". Auch der Data-Center-Chef selbst darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren.
6. Engineering
Die Leute, die heute am verweifeltsten gesucht werden, sind, so Pricewaterhouse-Coopers, Mechanik- und Elektro-Ingenieure, die sich mit modernem IT-Equipment auskennen. Heutige Rechenzentrumskonzepte, beispielsweise virtualisierte Server, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Elektrik und Kühlsysteme fundamental von denen der vergangenen Jahre.
7. Netzwerk-Know-how
Wenn ein Rechenzentrum ohne Menschen vor Ort auskommt (die Stichworte heißen hier "lights out" und "remote"), dann nur, weil es über ein Netz gesteuert wird. Folgerichtig braucht ein IT-Manager moderner Prägung ein solides Wissen hinsichtlich Netzkonfigurationen, - hardware, und -schwachstellen. Zudem sollte er Mitarbeiter einstellen, die über solches Know-how verfügen.
8. Finanzanalyse
Gerade in einer Wirtschaftskrise wird von einem IT-Verantwortlichen wirtschaftliches Denken verlangt. Er muss beispielsweise in der Lage sein, die Applikationen nach ihrer Bedeutung für das Business zu priorisieren und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Lösung einen eigenen Server benötigt und welche beispielsweise in die Cloud ausgelagert werden kann.
9. Green IT
Mögen manche auch die Augen verdrehen - kein Unternehmen kommt an dem Mandat für eine "nachhaltige" Technologie vorbei.
10. Virtualisierung
Die Basistechnik für eine moderne IT-Infrastruktur ist eine Trumpfkarte für den, der sich mit ihr auskennt. Die Unternehmen packen immer mehr IT-Komponenten in flexible, leicht zu wartende und günstig zu betreibende, sprich: virtualisierte Umgebungen.

Neue Rollenverteilung schürt Konflikte in der IT

Die Studie von IDC und VMware “Accelerate Hybrid Cloud Success: Adjusting the IT Mindset“ kommt zu dem Schluss, dass es noch eine Vielzahl von Vorbehalten gegen Cloud Computing gibt, die nicht technologisch begründet sind. Sie reichen von psychologischen Barrieren - etwa dem Wissen, dass Daten nicht mehr im eigenen Rechenzentrum liegen - über die veränderte Rollenverteilung zwischen Infrastruktur- und Anwendungsadministration und den daraus resultierenden Konflikten innerhalb der IT-Abteilungen, bis hin zum zunehmenden Anforderungsdruck, ebenso effektiv und kosteneffizient zu arbeiten wie externe Service-Provider.

Auch eine aktuelle Studie von Deloitte unter großen deutschen Unternehmen konstatiert erhebliche Vorbehalte: "Cloud Computing scheint in Deutschland noch unter einem Vertrauensdefizit zu leiden. Vorteile wie Skalierbarkeit und Flexibilität werden zwar wahrgenommen, aber die Skepsis im Hinblick auf Datensicherheit und Prozesskontrolle überwiegt bei vielen", sagt Deloitte-Partner und Studienautor Robert Horndasch.

Um die CA-Studie richtig einzuordnen, sollte man deshalb zweierlei bedenken: Die Mehrzahl der befragten IT-Fachleute kamen aus den USA (273 von 434 Teilnehmern, 161 aus Europa), und es handelte sich ausschließlich um große und sehr große Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Aus den Ergebnissen zu schließen, dass ein generelles Umdenken bei den IT-Mitarbeitern stattfindet, läge deshalb wohl daneben.

Innere Einstellung von IT-Entscheidern wesentlich

Dennoch lassen sich aus der Studie einige Schlussfolgerungen ziehen:

  1. Große Unternehmen sind offenbar Vorreiter, wenn es um die Virtualisierung der Server-Landschaft geht.

  2. Eine dynamische, virtualisierte IT-Architektur führt offenbar zu einer zunehmenden Wahrnehmung der Möglichkeiten, die sich mit Cloud Computing ergeben – und daraus resultierend zu einer größeren Akzeptanz und Affinität.

Denn es geht beim Cloud Computing nicht nur um die Vorteile im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Skalierbarkeit, Agilität und Flexibilität – diese sind unter IT-Experten weitgehend unbestritten. Es geht eben immer auch um die innere Einstellung der IT-Verantwortlichen – und bis diese sich breitflächig ändert, dürften wohl noch einige Jahre ins Land gehen. Die Studie steht gegen Registrierung zum Download zur Verfügung.

So gelingt der Sprung in die Private Cloud
So gelingt der Sprung in die Private Cloud
Der Aufbau einer Private Cloud hält einige Herausforderungen bereit. Hier sind die wichtigsten:
Budget:
Eine Private Cloud ist nicht billig zu haben. Legen Sie den Rahmen für einen Return on Investment frühzeitig und möglichst exakt fest.
Public-Cloud-Integration:
Gestalten Sie die Private Cloud so, dass sie im Bedarfsfall Services aus der Public Cloud integrieren können. Dazu müssen die Systeme so sicher und nachprüfbar sein, dass die Nutzlasten simultan in beiden Welten abgearbeitet werden können.
Scale:
Im Regelfall können Private Clouds nicht mit derselben Masse aufwarten wie Public Clouds. Das heißt, die Economies of Scale sind deutlich geringer.
Neukonfigurationen "im Flug":
Möglicherweise müssen Sie Server und andere Infrastrukturelemente in die Private Cloud übertragen, ohne sie abzuschalten. Das kann problematisch werden.
Legacy-Hardware:
Wenn ihre alten Server keine Automatisierung und Orchestrierung erlauben, lassen Sie sie einfach zurück. Sie ersparen sich eine Menge Aufwand.
Obsolete Technologie:
Nicht nur kleine It-Organisationen werden an der Komplexität und Geschwindigkeit des technologischen Wandels zu knabbern haben. Haben Sie erst einmal in eine Private Cloud investiert, gibt es nur einen Weg, diese Investition zu schützen: Sie müssen technisch up to date bleiben.
Angst vor dem Wandel:
Ihr IT-Team muss mit Sicherheit erst einmal eine Lernkurve erklimmen. Neue oder geänderte Betriebsprozesse setzen die Mitarbeiter unter Stress und erzeugen Ängste. Hier ist der CIO als Motivator gefordert: Erinnern Sie Ihre Leute daran, dass sie hier Fähigkeiten erlernen, die in einer modernen Business-Umgebung heute unabdingbar sind, weshalb ihnen die Neuorientierung auch persönlich nutzt.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO. (mhr)