Paul Hülsmann von Itenos

Cloud-Sicherheit muss der Anwender fordern

12.09.2011
Wie wirkt sich die Cloud auf die Sicherheitsstruktur des Kunden aus? Darüber diskutierte Paul Hülsmann, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Security-Dienstleister Itenos, mit CW-Redakteur Jürgen Hill.

CW: Cloud-Provider behaupten gerne, dass die Datenverarbeitung in der Wolke sicherer sei als im Rechenzentrum des Anwenders. Wie sehen Sie das?

Paul Hülsmann, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Itenos
Foto: Itenos

HÜLSMANN: Tatsächlich konnten wir gerade im Mittelstand beobachten, dass die IT, egal als welchen Bestandteil in der Wertschöpfungskette man sie betrachtet, sicherer wurde, wenn sie in professionelle Hände gegeben wurde. Das sind zum einen sicher Skaleneffekte. Und in puncto Sicherheit, wo wir ja seit Jahren über Outsourcing sprechen und Kunden Teile ihrer IT auslagern oder gleich komplett in ein externes Rechenzentrum umziehen, erleben sie oft einen Sicherheits-Zugewinn, weil elementare Grundregeln zuvor nicht eingehalten wurden.

CW: Das heißt konkret?

HÜLSMANN: Nehmen Sie ein Beispiel aus der Praxis, das wir wirklich so erlebt haben. Bei einem Anwender fanden wir einen Server-Rack vor, der auf einer Euro-Palette stand. Warum? Nun, der Server musste öfter mit einem Hubwagen zur Seite geschoben werden, weil man sonst nicht an die Schränke dahinter kam. Das ist nur ein Beispiel, das Gros der Mittelständler geht sicher verantwortunsgbewusster mit seiner IT um. Aber es zeigt, dass Sicherheit vor Ort von den Mittelständlern nicht immer gewährleistet werden kann.

CW: Dass Server durch die Gegend gefahren werden, ist wohl eher die Ausnahme. Wie sieht es mit der technischen Infrastruktur aus?

HÜLSMANN: Viele Mittelständler, aber auch große Unternehmen sind nicht in der Lage, mit der technischen Innovationsgeschwindigkeit, die auch im Security-Umfeld anzutreffen ist, Schritt zu halten. Oft sind sie an Abschreibungsfristen gefesselt, oder es fehlt im Haus das Know-how, das nötig wäre, um neue Entwicklungen aufzugreifen. Die hauseigene IT ist immer so gut, wie es einem der eigene IT-Leiter weismachen will.

CW: Ist es nicht so, dass Provider auch viel höheren Risiken ausgesetzt sind? Für einen Cracker ist es doch interessanter, ein Telekom-RZ anzugreifen als einen Mittelständler.

HÜLSMANN: Der Gedanke liegt nahe. Auf der anderen Seite steht bei großen Unternehmen ein viel breiteres Arsenal an Abwehrwaffen zur Verfügung. Hier wird eine Managed Firewall effizienter und sicherer betrieben als bei einem Mittelständler. Deshalb wird die zusätzliche Bedrohung mehr als ausgeglichen.

CW: Angenommen, Sie hätten mich in Sachen Cloud überzeugt: Welche Konsequenzen hat eine Cloud-Migration für meine Security-Strategie?

HÜLSMANN: Das hängt davon ab, auf welcher Ebene Sie einsteigen wollen und welches Cloud-Modell Sie wählen.

CW: Also ist die Strategie davon abhängig, ob Public oder Private Cloud?

HÜLSMANN: Ja, so haben wir in der Private Cloud eher das Modell des User Self Service. Der Provider oder Partner liefert die Infrastruktur bis hinauf zur Ebene der virtuellen Maschine und sorgt in diesem Bereich auch für die Sicherheit durch Zungangskontrolle, Redundanz etc. Auf die virtuelle Maschine aber kann der User die gleichen Images aufspielen, die er bislang auf seinen dedizierten Rechnern genutzt hat. Er ist für alle Ebenen oberhalb des Infrastruktur-Levels verantwortlich.

CW: Das bedeutet in der Praxis?

HÜLSMANN: Der Anwender sollte erst einmal seine Applikationen analysieren. Was will er in die Cloud auslagern? Hier gibt es sicher Anwendungen die nicht so wichtig sind, und lebenswichtige Applikationen, für die es ein Sicherheitskonzept gibt. Und dieses Konzept muss der Anwender im Detail analysieren, um sich dann mit dem Cloud-Partner zusammenzusetzen. Der Anwender muss sein Konzept in die Cloud hineinprojizieren und entsprechende Anforderungen an den Provider richten.

CW: Wie sollte er die formulieren?

HÜLSMANN: Der Anwender sollte auf alle Fälle SLAs vereinbaren. Genauso wie die IT intern Service-Level-Agreements gegenüber den Fachabteilungen zu erfüllen hat, sollte sie extern vom Cloud-Partner entsprechende SLAs einfordern. Deren Definition stellt sich oft als Stolperstein heraus.

CW: Wo sehen Sie typische Probleme?

HÜLSMANN: Nehmen Sie als ganz einfaches Beispiel die Verfügbarkeit. Eigentlich geht man davon aus - und die Netzanbieter kalkulieren so -, dass diese auf ein Jahr gerechnet wird. Etliche Anwender meinen jedoch, dass sich die Verfügbarkeit auf einen Monat bezieht. In der Praxis ist das ein enormer Unterschied. Deshalb sollten die Anwender bei SLA-Verhandlungen darauf achten, worüber geredet wird und ob beide Seiten unter einem Begriff das Gleiche verstehen.

So schützen Sie sich vor Cloud Katastrophen
So schützen Sie sich vor Cloud Katastrophen
"Die Cloud hat keine Fehler, die es zuvor nicht auch beim In-House-Betrieb gegeben hat", meint Rackspace CSO Moorman. Eine absolute Sicherheit gibt es auch mit der Cloud nicht. Wer sich dessen bewusst ist, wird nicht unvorbereitet in einen Wolkenbruch geraten. Unsere Tipps für Sie:
Tipp 1:
Wenn Sie einen Teil ihrer IT in die Cloud verlagern wollen, sollten sie bei der System-Planung Verluste und Ausfälle von Anfang an berücksichtigen.
Tipp 2:
Wenn es um ihre Daten geht, sollte Sie nicht auf andere vertrauen, sondern sich selber darum kümmern. Sorgen Sie selbst für ein Backup und überprüfen sie das Disaster Recovery-Setup Ihres Cloud-Providers.
Tipp 3:
Es ist nicht unbedingt nötig, alle Daten doppelt zu sichern. Ein zusätzliches Backup der kritischsten Daten kann aber sinnvoll sein.
Tipp 4:
Cloud-Nutzer sollten gründlich auf die Sicherungsmechanismen achten und eventuell vorsorglich eine Backup- oder Offline-Zugriffs-Lösung aufsetzen.
Tipp 5:
Bei Cloud-Diensten kann es sinnvoll sein, Daten auf verschiedenen Servern in unterschiedlichen Rechenzentren zu sichern – Es lohnt sich auch, die Dienste mehrerer Provider zu nutzen.
Tipp 6:
Sie sollten sich folgende Frage stellen: Ist es für unser Unternehmen tragbar, wenn Geschäftsdaten temporär nicht abrufbar sind?

CW-Webcast

Die Magie der Cloud - Mehr Effizienz und Flexibilität durch "Best automated Storage"

Sprechen wir schon von Cloud Computing as a Service? 7 von 10 deutschen Unternehmen arbeiten an einer eigenen Cloud-Strategie. Um die Daten-„Explosion“ zu bewältigen, braucht es effiziente Lösungen. Mehe. Am 22. September 2011 um 11:00 / 1 Stunde. > Zur Anmeldung

Anweder in der Pflicht

CW: Den Schwarzen Peter hat also der Anwender - er muss prüfen, was der Cloud-Anbieter unter Security versteht?

HÜLSMANN: Ja, so können Sie das formulieren. Es fehlt ein Security-Zertifikat, auf das sich Anwender ähnlich wie auf ein TÜV-Siegel verlassen können und das einen Vergleich ermöglicht. Verbände und Insitutionen wie eco, Bitkom oder das BSI arbeiten an entsprechenden Entwürfen.

CW: Wo sehen Sie konkrete Sicherheitsprobleme?

Hülsmann: "Was nutzt eine fast 100 Prozent verfügbare Cloud, wenn für die Leitungen keine belastbaren SLAs existieren?"
Foto: Victor Zastolskiy, Fotolia.de

HÜLSMANN: Neben der Frage, ob das eigene Unternehmen überhaupt Cloud-bereit ist, sehe ich hier vor allem zwei Security-Aspekte. Zum einen sind das rechtliche Risiken etwa im Zusammenhang mit Datenschutz, Governance, EU-Recht oder Safe Harbor, und auf der anderen Seite technische Risiken. Und hier gibt es Unterschiede zur dedizierten Welt. Was passiert etwa, wenn ein Server beschlagnahmt wird, auf dem auch noch andere Kunden laufen? Hier ist die Rechtsprechung noch nicht in der Cloud angekommen.

CW: Sehen Sie noch andere technische Risiken?

HÜLSMANN: Ja, ein Punkt wird oft übersehen. So wie die IT heute in eine Produktionsumgebung eingebunden ist, hat das Unternehmen in der Regel keine Probleme mit der Leitungsanbindung. In der Cloud dagegen gehen die Daten aus der Produktionsumgebung über Leitungswege in ein Rechenzentrum, das irgendwo stehen kann. Und diese Verbindungen haben ebenfalls eine gewisse Verfügbarkeit, weshalb gemanagte und überwachte Leitungen verwendet werden sollten, damit der Zugang zur Cloud gewährleistet ist. Was nutzt eine fast 100 Prozent verfügbare Cloud, wenn für die Leitungen keine belastbaren SLAs existieren?

CW: Gibt es Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen in Sachen Cloud-Readyness?

HÜLSMANN: Die Großunternehmen achten bei der Cloud sehr viel stärker auf Kostenvorteile, da sie bereits seit zehn Jahren Erfahrungen in Sachen Outsourcing haben. Mittelständler halten dagegen noch viel mehr die IT im eigenen Haus. Gleichzeitig haben wir die Erfahrung gemacht, dass bei Cloud-Projekten häufig nicht mehr der IT-Leiter der Ansprechpartner ist, sondern die Fachabteilung. Die interessiert sich oft nicht für die technische Plattform, sondern nur noch für die Time to Market und die Kosten.

Die Cloud versetzt letztlich die Fachabteilungen in die Lage, sich sehr schnell den Zugang zu Produktionumgebungen zu verschaffen, wo früher der IT-Leiter als eine Art Monopolist im Unternehmen über die Verfügbarkeit bestimmte. Hier entsteht ein neues Sicherheitsrisiko, denn mit den Cloud-Services kann schnell und einfach ein Bypass an der IT-Abteilung vorbei gelegt werden. Wenn die IT-Abteilung also nicht aufpasst und selbst eine Cloud-Strategie entwickelt, läuft sie Gefahr, von der Entwicklung überrollt zu werden.

CW: Wie kann ein IT-Leiter gegensteuern?

HÜLSMANN: Der IT-Leiter muss sich mehr als Enabler verstehen und in Prozessen denken. Sein Personal muss weg vom Image des IT-Betreibers und Systemadministrator und sich zu einem Servicepartner wandeln.

CW: Wer haftet, wenn der Provider zum Beispiel 100 Prozent Virenfreiheit zusichert?

HÜLSMANN: Pauschal kann ich das nicht beantworten, denn das hängt vom jeweiligen Cloud-Modell ab. Hier sehe ich in der Public Cloud folgende Entwicklung: Weil die Anwender ja Services laufend ab- und zubestellen wollen, wird man zu Standard-AGBs kommen, in denen Sicherheit dann ein Unterpunkt ist. Der User wird also ein Standard-Set mit Standard-Services und -Verträgen erhalten, die ein schnelles Kommen und Gehen ermöglichen. Verschärfte SLAs etc. wird es in meinen Augen in der Public Cloud nicht geben, da dies weg vom On-Demand-Gedanken führen würde. Anders sieht es in der Private Cloud mit festen Laufzeiten und Verträgen aus. (mhr)

Die schlimmsten Cloud-Ausfälle
Die schlimmsten Cloud-Ausfälle
Unsere Kollegen von der InfoWorld haben die zehn schlimmsten Cloud Katastrophen zusammengetragen, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen
Sidekick
Die Besonderheit des Sidekick-Dienstes: Persönliche Daten, Adressen oder Kalendereinträge, können direkt in einer Cloud gesichert werden. So sollen alle Daten auch bei Geräteverlust schnell wiederhergestellt werden. Das versprach zumindest die Werbung. Doch gerade dieser Cloud Service hatte im Herbst 2009 einen Ausfall. Als Folge konnten alle Nutzer eine Woche lang nicht mehr auf Kontakte, Termine und andere Daten zugreifen, die auf Servern gespeichert waren, welche von Microsoft betrieben wurden. Schlimmer noch, es waren nicht einmal Backups angelegt worden. Somit gingen alle persönlichen Daten für immer verloren, sofern sie der Nutzer nicht zusätzlich lokal gesichert hatte.
Googlemail
Googlemail ist mittlerweile auch für Geschäftskunden eine lohnende Alternative zu Microsoft Exchange. Aber auch dieser Cloud-Dienst ist vor Ausfällen nicht gefeit. Eine besonders schlimmer Software-Bug sorgte dafür das rund 150000 Google-Kunden auf leere Posteingänge blickten. Alle Nachrichten, Ordner oder Notizen waren weg. Dank einer Reihe von Sicherungen konnte Google zwar alle Daten wiederherstellen, aber nichtsdestotrotz hatten Anwender tagelang keinen Zugriff auf ihre E-Mails.
Hotmail
Googlemail ist jedoch nicht der einzige Mail-Dienst mit Ausfällen. Auch Microsofts Hotmail hatte, neben einem Phishing-Angriff, bei dem zehntausend Hotmail-Konten ausgespäht wurden, mit leeren Postfächern zu kämpfen. Ein Script sollte eigentlich nur überflüssige Dummy-Accounts löschen. Leider wurden von diesem Skript auch 17 000 real existierende Accounts gelöscht. Aber auch in diesen Fall wurden alle Daten wiederhergestellt, auch wenn einige Nutzer bis zu sechs Tage auf ihre Neujahrswünsche warten mussten.
Intuit
2010 hatte Intuit mit seinen Cloud-Services wie TurboTax, Quicken oder Quickbooks zwei Ausfälle innerhalb eines Monats. Vor allem eine Störung über 36 Stunden im Juni verärgerte die Kunden. Ein Stromausfall hatte die Systeme inklusive Backups lahmgelegt – leider erlitt Intuit wenige Wochen später einen weiteren Stromausfall.
Microsofts BPOSS
Es ist nicht einfach produktiv zu arbeiten, wenn die als SaaS eingebundene Arbeitsumgebung nicht mehr erreichbar ist. Am 10. Mai stocke die Microsoft Business Productivity Online Standard Suite. So gingen E-Mails erst mit neun Stunden Verzögerung ein. Die Störung wurde zwar schnell behoben, trat aber zwei Tage später wieder auf. Noch dazu hatten einige Nutzer nicht einmal mehr die Möglichkeit sich in Outlook einzuloggen.
Salesforce.com
Eine Stunde Ausfall klingt nicht nach viel. Wenn aber ein Dienst nicht mehr erreichbar ist, über den zehntausend Firmen ihren Kundendienst laufen lassen, können 60 Minuten sehr lange sein. Der Rechenzentrumsausfall von Salesforce.com im Januar brachte einige wütende Kunden hervor.
Terremark
Der Cloud-Anbieter Terremark, der kürzlich für einige Milliarden US-Dollar von Verizon gekauft wurde, geriet Anfang 2010 wegen einer Störung in die Schlagzeilen. Am 17. März kam es zu einem Ausfall in einem Rechenzentrum in Miami. In Folge kollabierte der vCloud Express-Service und auf sämtliche Daten konnte sieben Stunden lang nicht mehr zugegriffen werden.
PayPal
Paypal ist ein großer Anbieter im Bereich E-Payment, somit hat ein Ausfall potentiell dramatische wirtschaftliche Folgen. Ein Hardware-Problem legt im Sommer 2009 den Bezahldienst für eine Stunde lang lahm. Keine schöne Erfahrung für Händler wie Kunden, die ihre Waren online ein- und verkaufen wollten.
Rackspace
Ende 2009 musste Rackspace drei Millionen Dollar an seine Kunden zurückzahlen. Der Betreiber hatte mit mehreren technischen Problemen zu kämpfen und die gehosteten Websites gingen dabei jedes Mal offline. Für die Kunden wie Justin Timberlake oder TechCrunch eine kostenintensiver Ausfall. Heute achtet Rackspace nicht nur darauf, solche Ausfälle zu vermeiden, sie informieren die Kunden auch, dass manche Ausfälle unvermeidlich sind.

T-Systems-Tochter Itenos

Die Itenos GmbH mit Sitz in Bonn ist ein IT-Dienstleister, der sich mittlerweile auf Sicherheitsthemen spezialisiert hat. Das Unternehmen entstand 1993 als Expertengruppe für Datenkommunikation und Netzwerk-Management. Heute ist die Firma, die rund 165 Mitarbeiter beschäftigt, eine 100-prozentige Tochter der T-Systems und in den Telekom-Konzern integriert. Ursprünglich konzentrierte sich Itenos auf Themen wie Datenkommunikation und Netz-Management, jetzt liegt der Schwerpunkt auf Security-Services. in der Cloud.