Daimler-Chrysler startet Mitarbeiterportal

17.09.2003 von Christian Zillich
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach dem Rollout eines Mitarbeiterportals können rund 85 000 Beschäftigte des Daimler-Chrysler-Konzerns mittels Single-Sign-On auf eine Vielzahl von Anwendungen zugreifen. Wesentlicher Treiber war die Human-Resource-Initiative "E-People", in deren Rahmen nun zahlreiche Self-Services für Mitarbeiter, Vorgesetzte und Personaler angeboten werden.
Foto: Daimler-Chrysler

Unter dem Label "Dcxnet" startete Daimler-Chrysler vor drei Jahren eine E-Business-Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den Konzern über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu vernetzen. Als einer der wichtigsten Bausteine entwickelte sich das 2001 gestartete Großprojekt "DC-E-Life" zur weltweiten Integration von E-Business-Anwendungen. Das Ziel der Initiative: Alle 190000 Mitarbeiter des Konzerns in Deutschland und später alle 370000 weltweit Beschäftigten können über ein Portal auf Anwendungen und Informationen zugreifen. Dabei sind die Inhalte auf einzelne Standorte zugeschnitten und können darüber hinaus zielgruppenspezifisch bis auf Mitarbeiterebene angeboten werden.

Infrastruktur blieb erhalten

Unter der Federführung von Personalvorstand Günther Fleig waren neben der Personal-Abteilung die Konzernbereiche IT, Kommunikation und Corporate E-Business in das Vorhaben eingebunden. Kurz nach Projektstart entwickelte Daimler-Chrysler ein Pilotportal, um erste Erfahrungen zu sammeln. "Dabei haben wir ganz bewusst einen sehr praxisorientierten Weg eingeschlagen und nicht erst fünf Jahre mit Planungen ins Feld gehen lassen", erinnert sich Walther Scheel, Leiter des Bereichs Personalprozesse und -systeme bei der Daimler-Chrysler AG und DC-E-Life-Projektleiter. Die Inhalte für das Portal wurden in erster Linie vom bestehenden Intranet übernommen, der IT-Bereich integrierte zusätzliche Applikationen. Damit stand den Mitarbeitern in den Pilotstandorten ab Juli 2001 bereits ein funktionsfähiges Portal zur Verfügung.

Beim Rollout auf die ersten Standorte musste eine Reihe von Herausforderungen gemeistert werden. Unter anderem war zu klären, wie ein derart komplexes System mit den bestehenden Netzkapazitäten zur Verfügung gestellt werden kann, ohne größere Erweiterungen der Infrastruktur vorzunehmen. Aus diesem Grund stehen einzelne Anwendungen wie das tagesaktuelle Business-TV von Daimler-Chrysler, nur für bestimmte Standorte mit der entsprechenden technischen Voraussetzungen über das Portal zur Verfügung.

Im Juli 2002 entschied sich Daimler-Chrysler den bislang eingesetzten "Epicentric Portal Server" abzulösen und auf den "Websphere Portal Server" von IBM umzustellen. Damit wurde eine höhere technische Stabilität erreicht und durch die Abbildung der Mehrsprachigkeit im Portal sowie den dezentralen Administrationsmöglichkeiten die Vorraussetzungen für einen internationalen Rollout geschaffen.

Mittlerweile läuft das Mitarbeiterportal in allen 21 deutschen Standorten und Niederlassungen sowie in einem Werk im spanischen Vitoria. Es ist damit eines der größten IT-Systeme von Daimler-Chrysler. Den Mitarbeitern stehen nach einer einmaligen Anmeldung (Single-Sign-On) derzeit 20 Konzernapplikationen an rund 85000 PCs zur Verfügung. Darüber hinaus konnten die einzelnen Standorte in Absprache mit der Konzernzentrale entscheiden, welche weiteren von insgesamt 90 dezentralen Anwendungen sie aufschalten wollen.

Um den gewerblichen Mitarbeitern ohne PC-Arbeitsplatz ebenfalls den Zugang zu DC-E-Life zu ermöglichen, stattete Daimler-Chrysler auch die Pausenräume und Meisterbüros mit Rechnern aus. Zusätzlich stellte das Unternehmen Kiosksysteme an den Produktionsbändern auf, damit die Beschäftigten in den Werkshallen nicht mehr als 30 Meter bis zum nächsten Portalzugangspunkt zurücklegen müssen.

Mit der Akzeptanz des Portals bei den Mitarbeitern zeigen sich die beteiligten Konzernbereiche Human Resource, IT und Kommunikation mehr als zufrieden: Derzeit werden täglich bis zu 80000 Anmeldungen von rund 42000 unterschiedlichen Mitarbeitern verzeichnet - Tendenz steigend. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele der über das Portal verfügbaren Anwendungen für die tägliche Arbeit der Mitarbeiter wichtig sind. So bietet beispielsweise das "Who is who" betitelte Konzerntelefonbuch nicht nur alle Kontaktdaten der einzelnen Mitarbeiter, sondern zeigt darüber hinaus ein Organigramm, in dem die jeweiligen Abteilungsstrukturen abgebildet sind.

Die seit 2002 deutschlandweit verfügbare Online-Version zur Führungskräfteentwicklungstools, "Lead", wurde ebenfalls gut angenommen, so dass dieses Modul ab 2004 auch bei der Chrysler Group in den USA eingeführt wird. "Das Vorurteil, Manager hätten Probleme, einen PC zu bedienen, ist spätestens mit der Anwendung für die Online-Bestellung von Dienstwagen widerlegt worden", führt Scheel ein weiteres Erfolgsbeispiel an.

Schwieriger gestaltete sich die elektronische Geschäftsreisenabwicklung. Hier mussten im Vorfeld 17 intern genutzte Abwicklungssysteme sowie 70 Travelcenter zusammengeführt werden, wobei komplexe Schnittstellenprobleme zu bewältigen waren. Mittlerweile steht dieses Modul rund 95 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland zur Verfügung.

Ein weitere Anwendung im Portal, die bei den Mitarbeitern laut Scheel besonders gut ankommt, ist das Zeitkontenmanagement. Hier können die Beschäftigten ihre Arbeitsstunden, Urlaubstage und Fehlzeiten online einsehen.

HR-Applikationen als Treiber

Einer der größten und wichtigsten Bausteine von DC E-Life ist das bereits im Jahr 2000 gestartete Projekt "E-People", das von Anfang an als wesentlicher Treiber der gesamten DC-E-Life-Initiative fungierte. Zu den unter E-People entwickelten und im Portal angeboten Anwendungen zählen 25 Self Services für Mitarbeiter und 40 weitere Dienste für Vorgesetzte. Den Führungskräften werden darüber hinaus 20 Manager-Reports zur Verfügung gestellt. Letztere bieten unter anderem Informationen und Auswertungsmöglichkeiten zur Alters-, Arbeitszeit- und Personalstruktur im Verantwortungsbereich des Managers. Auch die Leistungsbeurteilung der eigenen Mitarbeiter können Führungskräfte mit E-People online vornehmen. Die Self Services für Mitarbeiter beinhalten neben den Daten der Beschäftigten eine interne Jobbörse oder die Möglichkeit, Bescheinigungen beispielsweise für Erziehungs-, Kranken- und Wohngeld anzufordern.

Keine Individuallösung

Von zentraler Bedeutung sind die Ergebnisse des E-People-Projekts für die Personalabteilungen im Konzern, da es zahlreiche Funktionen für die Personalverwaltung und Gehaltsabrechnung enthält. Bereits 1998 gab es erste Überlegungen, wie die dafür eingesetzten Cobol-Anwendungen abgelöst werden könnten. Nach ersten Vorprojekten 1999 stand für Daimler-Chrysler fest, dass die Entwicklung einer Individuallösung nicht in Frage komme und stattdessen eine Standardsoftware eingeführt werden solle.

In die engere Wahl kamen dabei die Human-Resource-(HR-)Systeme von SAP und Peoplesoft. "Da wir auf Grund unseres Anforderungsprofils in vielen Bereichen vom Standard abweichen mussten, entschieden wir uns für Peoplesoft; deren Lösung läßt sich im Vergleich leichter auf unsere Bedürfnisse anpassen und upgraden", begründet Thomas Meier, IT-Projektleiter E-People, die Wahl. Darüber hinaus habe auch die Chrysler Group in den USA schon erfolgreich mit der Peoplesoft-Lösung gearbeitet.

Komplexe Abläufe vereinfacht

"Sämtliche Prozesse der Vergütungslandschaft des Konzerns und seiner Töchter abzubilden, war sehr schwierig", erläutert Rupert Felder, Prozesskoodinator und stellvertretender Projektleiter E-People. Sein Team konnte die komplexen Abläufe stark reduzieren und dokumentierte insgesamt 180 Prozesse. Dabei wurden acht Prozessgruppen gebildet, die den gesamten beruflichen Werdegang der Mitarbeiter im Unternehmen abbilden. "Trotz der Standardisierungsbemühungen konnten viele Vereinbarungen nicht geändert werden, nur weil eine neue Software eingeführt wird", veranschaulicht Felder den zu bewältigenden Spagat.

Bei der Implementierung konnten laut IT-Projektleiter Meier sowohl Peoplesoft als auch Daimler-Chrysler wichtige Erfahrungen sammeln. Web-basierende Systeme wie "Peoplesoft 8.0" seien zumindest in Deutschland vorher noch nicht in dieser Größenordnung installiert worden. "Während wir beispielsweise die Einstellung der Parameter auf Datenbankebene schnell in den Griff bekamen, stellten die Anforderungen des Web-basierenden Ansatzes für unsere Netze und deren Verwaltung eine große Herausforderung dar", so Meier. Da das Produkt bei der Einführung noch sehr neu gewesen sei, hätten auch einige Bugs bereinigt werden müssen. Einige Herausforderungen im Hinblick auf Backup und Performance ergäben sich aus der riesigen Produktivdatenmenge von 1,5 Terabyte; zum Beispiel stünden für Restore und Recovery nur eingeschränkte Zeitfenster zur Verfügung.

Für die Abrechnung von Löhnen und Gehältern nutzt E-People die auf Peoplesoft-Basis entwickelte Standardsoftware "Integrierte Personalwirtschaft" (IPW) der Anbieters ADP. Dies ermöglicht dem Konzern, für die Entgeltberechnung die darin enthaltene und bei Daimler-Chrysler seit Jahren genutzte Abrechnungssoftware "Paisy" weiterhin einzusetzen. Um die monatliche Entgeltberechnung für die Rund 165000 Mitarbeiter in Deutschland an einem Tag zu bewältigen, entwickelte der Autobauer gemeinsam mit ADP eine Schnittstelle zum Paisy-System auf einem Mainframe - nur dort stand ausreichende Rechnerkapazität zur Verfügung. Vom Standard der IPW-Paisy-Lösung wollten die IT-Verantwortlichen so wenig wie möglich abweichen, um die Upgrade-Fähigkeit des Systems nicht zu verschlechtern. Notwendige Anpassungen habe man mit Hilfe der Entwicklungs-Tools von Peoplesoft in Form von gekapselten Modulen vorgenommen, erläutert Meier.

Das HR-System wurde Anfang des Jahres mit 40000 Mitarbeiterstammdaten und 600 Anwendern drei Monate in einem Pilotprojekt getestet, wobei noch einmal viele Details überarbeitet wurden. Die Altsysteme liefen im Parallelbetrieb, im Juli 2003 ging E-People live. Bis Ende des kommenden Jahres soll der Rollout in allen deutschen Standorten abgeschlossen sein.