Auch die Vertretungsregelungen greifen meist nur unzureichend, wichtige Entscheidungsgremien sind manchmal monatelang unvollständig besetzt. Statt Motivationshoch nach der Urlaubszeit steht deswegen häufig Frust auf dem Programm: verzögerte Termine, desorientierte Teams und steigende Kosten.
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Nicolaus von Gersdorff, Geschäftsführer der auf Projektmanagement-Dienstleistungen spezialisierten Unternehmensberatung Assure Consulting, sieht hier Optimierungspotenzial. Seine Empfehlung: möglichst einheitliche Urlaubszeiten für alle Mitarbeiter einführen. Insgesamt hat er fünf Tipps parat, wie sich die Urlaubszeiten der Projektmitglieder besser steuern lassen:
1. Auf Komplexität der Urlaubsplanung gefasst sein
„Im Projekt mit dem ganzen Team einvernehmlich eine Urlaubsplanung hinzukriegen, die sich einerseits mit der anfallenden Arbeitslast verträgt und andererseits niemanden zum Gewinner oder Verlierer macht, gleicht fast der Quadratur des Kreises“, weiß von Gersdorff aus Erfahrung. Nebenher laufende Linientätigkeiten, also die alltäglichen Jobs der Projektmitarbeiter, erhöhen die Komplexität der Urlaubsplanung zusätzlich.
Deswegen rät er Projektleitern, das Thema Urlaubsplanung frühzeitig anzugehen und die Vorgehensweise transparent zu machen. Sämtliche Teilschritte (Einreichung der Urlaubsanträge mit Wunschzeiten, Abstimmung im Projektteam, Abstimmung mit den Linienvorgesetzten, ggf. Rücksprache und Anpassungen sowie schließlich die Freigabe) und die zugehörigen Termine sollten allen bekannt sein. Unbedingt zu vermeiden ist die Bevorzugung einzelner Mitarbeiter, die ihren Urlaub vorzeitig eingereicht und bewilligt bekommen haben – Frust und Streit unter den Kollegen sind zwangsläufig die Folge. Können einzelne Wünsche nicht berücksichtigt werden, sollten attraktive Alternativen in Zukunft in Aussicht gestellt werden (zum Beispiel an Brückentagen oder in der Weihnachtspause), die dann allerdings auch eingehalten werden müssen.
2. Die Ideallösung: Projektweit verbindliche Urlaubsperioden
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Die beste Strategie gegen Sommerloch und Kostenfrust ist nach Erfahrung des Experten eine gemeinsam festgelegte Urlaubsperiode. „Das Problem ist weniger der Urlaub des Einzelnen, sondern das ständige Kommen und Gehen im Projektteam“, so von Gersdorff. „Die vielen Übergaben und unvollendeten Aufgaben führen zu Reibungsverlusten, die den Erfolg des Vorhabens gefährden können. Nicht selten steht im Sommer für viele Wochen ein ganzes Projekt still, weil mal wieder ein relevanter Experte im Urlaub ist.“
Wichtig sei es, die Urlaubsperiode für ein Projekt möglichst frühzeitig zu definieren und die Mitarbeiter bei der Urlaubsplanung auf dieses Zeitfenster festzulegen. In mehreren SAP-Großprojekten eines internationalen Konzerns, für den Assure Consulting tätig ist, wurde so beispielsweise mit langem Vorlauf eine sechswöchige „Projektpause“ geplant, in der das gesamte Projektteam seinen Sommer-Urlaub zu nehmen hatte.
3. Der Kompromiss: Synchronisierte Urlaubs- und Projektplanung mit Vertretersystem
Sind die flexiblen Urlaubszeiten im Unternehmen aus bestimmten Gründen heilig, rät der Projektmanagement-Experte, zumindest die Urlaubszeiten frühzeitig abzustimmen und in der Projektplanung ausreichend zu berücksichtigen. Trotzdem müsse man sich im Klaren sein: Flexible Urlaubszeiten können die Kosten in die Höhe treiben und gesetzte Termine nach hinten schieben.
Hilfreich könne es dann beispielsweise sein, die realistische Dauer der anfallenden Arbeitspakete einzuschätzen. Die verzögernden Auswirkungen des Sommerlochs könnten auf diese Weise zumindest frühzeitig in der Terminplanung berücksichtigt werden .
Wichtig sei außerdem eine funktionierende Vertreterregelung. Die Vertreter sollten allerdings nicht nur auf dem Papier existieren, sondern wirklich sorgfältig eingearbeitet worden sein, so dass sie zu grundsätzlichen Projektthemen auskunftsfähig sind. Natürlich kann niemand sein gesamtes Wissen weitergeben. Es dürfe aber nicht passieren, so von Gersdorff, dass ein Thema vier Wochen liegen bleibe, weil der Mitarbeiter wichtiges Projektwissen mit in den Urlaub nehme.
Zusätzlich hilfreich sind dem Projektmanagement-Experten zufolge einfache Checklisten, wie Regeltätigkeiten auszuführen (Erstellung von Berichten etc.) und in denen Ablagepfade zu den wichtigsten Dokumenten hinterlegt sind. Ein weiterer Vorteil: Solche Checklisten helfen auch in Krankheitsfällen. Die Vertreterregelung sollte unbedingt in der Abwesenheitsnachricht des Mitarbeiters kommuniziert werden (Name, Email-Adresse und Telefonnummer des Vertreters), damit ein Versender direkt weiß, an wen er sich wenden kann.
4. Gemeinsamer Kick-off nach der Sommerpause
Nach der Sommerpause müsse man den Teammitgliedern zwar ausreichend Zeit zum Ankommen geben, eine zu lange Warmlaufphase sollte man jedoch auf jeden Fall vermeiden, rät von Gersdorff. „In unseren Projekten hat es sich bewährt, in den ersten beiden Wochen nach der Urlaubsperiode ein Gesamt-Meeting mit dem Projektteam durchzuführen und diesen Termin als gemeinsamen Startschuss zu nutzen“, so von Gersdorff. Je nach Unternehmenskultur könne dafür auch ein besonderer Rahmen gewählt werden, etwa in Form eines gemeinsamen Frühstücks.
Ziel des Kick-offs ins zweite Halbjahr sei es, allen Beteiligten den aktuellen Stand des Projekts und Neuigkeiten zu kommunizieren. Häufig werde dabei der Fehler gemacht, in erster Linie schlechte Nachrichten zu verbreiten („Wir haben viel Zeit verloren“) und zu viel Druck auszuüben („Sie sind ja alle gut erholt. Dann können wir jetzt endlich richtig anpacken!“). Das könne die im Urlaub gewonnene Energie schnell zunichte machen.
Insgesamt müsse es eher darum gehen, den Blick nach vorne auf die kommenden Aufgaben zu lenken und das Team auf die gesetzten Ziele einzuschwören.
5. Weihnachtszeit und Brückentage
Nicht nur der Sommer hat für Projekte seine Tücken: Was die Urlaubszeit im Großen, das sind Weihnachtszeit und Brückentage im Kleinen. Zumindest für Meetings seien Brücken- und Anschlusstage nach Feiertagen meist wenig ergiebig, weil das Team selten vollzählig anwesend ist, weiß der Berater.
Grundsätzlich lassen sich aber auch diese Tage sinnvoll nutzen. So könnten Tätigkeiten, die liegengeblieben oder anderen Prioritäten zum Opfer gefallen seien, endlich in Ruhe abgearbeitet werden. Das gleiche gelte für knifflige Themen, die einige Stunden unterbrechungsfreies „Brainwork“ und viel Ruhe benötigten, um erfolgreich angegangen zu werden. Daher sollte an Brückentagen nicht grundsätzlich Urlaub vorgeschrieben werden. Im Interesse des Projekterfolgs müsse der Projektleiter jedoch ein Auge darauf haben, welche Aufgaben sich die Teammitglieder an solchen Tagen vorgenommen haben – insbesondere dann, wenn die Arbeit im Homeoffice stattfindet.
Fazit:
Bei entsprechender Planung lässt sich das „Sommerloch“ im Projekt gut vermeiden. Zwar ist die Vorbereitung aufwändig und bisweilen etwas komplex (Stichwort Koordination der Urlaubszeiten), doch das Ergebnis lohnt sich: Eine klar definierte Auszeit, ein Projekt, das "in time" und "in budget" bleibt – und ein Team, das sich freut, nach der Pause gemeinsam wieder loszulegen. (kf)