Mobile CRM

Das Business kommt in Bewegung

17.05.2013 von Uwe Küll
Was bedeutet Mobility für die Unternehmensanwendungen? Das Beispiel Mobile CRM zeigt: Wer von der Technik wirklich profitieren will, sollte zuerst die Geschäftsabläufe optimieren.
"Mobile CRM macht CRM Beine." Professor Peter Winkelmann, Hochschule Landshut.
Foto: fotolia.com/SVLuma

Wenn man einmal von der Motivationskraft neuer, prestigeträchtiger Endgeräte für den Außendienst absieht, bleibt die Frage, was mobile Endgeräte eigentlich für das Kundenbeziehungs-Management bringen. Dieser Punkt gehört derzeit zu den meistdiskutierten zwischen Marketing, IT und Vertrieb.

CRM-Berater Oliver Ratajczak meint: "Die schmerzliche Erkenntnis, dass ein gutes Kundenbeziehungs-Management nicht ausschließlich durch die Installation eines CRM-Systems ermöglicht wird, mussten viele Unternehmen in den letzten Jahren machen." Gutes CRM stehe und falle mit der Akzeptanz der Mitarbeiter, die mit dem System arbeiten. Würden Daten nur ungerne erfasst, so werde das ausgefeilteste CRM-System zu einem zahnlosen Tiger im Kampf um die Kundengunst.

Die Mobilisierung verlagert die Datenerfassung zeitlich sehr nah an ein soeben geführtes Kundengespräch. Eindrücke können präziser erfasst und Wünsche besser kategorisiert werden. In Umkehrung des bekannten Axioms "Garbage in, garbage out" führt Mobile CRM so direkt zu "Useful data in, useful information out". Thomas Deutschmann, CEO des österreichischen CRM-Software-Herstellers Update Software AG, konkretisiert: "So können Sales-Mitarbeiter beispielsweise unterwegs ihre Besuchsplanung erledigen, während des Besuchs auf Historie oder Vertragsdetails des Kunden zugreifen und nach dem Besuch alle Aspekte erfassen, die wichtig waren, etwa auch einen Opportunity-Management-Prozess anstoßen. Neben Social CRM ist Mobile CRM aus unserer Sicht einer der ganz wesentlichen Trends im CRM-Markt."

Professor Peter Winkelmann, Studiengangsleiter Master für marktorientierte Unternehmensführung an der Hochschule Landshut, sagt: "Mobile CRM macht CRM Beine". Mit diesem Bild beschreibt der renommierte Vertriebsfachmann, der auch Mitglied des CRM-Expertenrats ist, den Einfluss mobiler Technologien auf das softwaregestützte Kundenbeziehungs-Management in Unternehmen. "Das Mobile-Konzept vergoldet die zwei Medaillenseiten von CRM: Einerseits bedeutet es, dass Konsumenten standortunabhängig als Betroffene unseres CRM-Konzepts nutzen- und zeitgerechter erfasst werden - beispielsweise bei einem Einkauf in einer Filiale eines Handelsunternehmens. Auf der anderen Seite geht es um die Unternehmen, die ihre Mitarbeiter und Prozesse mit mobilen Lösungen planen, organisieren und steuern. Wir müssen beide Seiten sehen. Auf der einen Seite unsere Kunden, bei denen - hoffentlich - mit einem mobilen CRM mehr ankommt als durch ein statisches CRM. Auf der anderen Seite unsere Mitarbeiter, die mit mobilen Systemen ihre Prozesse viel schneller, gezielter und direkter steuern können als mit statischen Systemen. Das Ziel von Mobile CRM ist, dass beide Seiten der Medaille glänzen."

Zielgenauer kommunizieren

Als Beispiele für die kundenseitige Nutzung von Mobile CRM nennt Winkelmann Mobile Tagging und Sema-Codes, die es dem Nutzer erlauben, unterwegs Informationen aufzunehmen oder abzurufen, die in seiner aktuellen Kaufumgebung für ihn relevant sind - das kann ein Gutschein für einen Einkauf in einem nahegelegenen Geschäft oder auch die Einladung zu einem Event sein, das gerade bei einem BMW-Händler nebenan stattfindet. Winkelmann erklärt: "Es geht um die Leitidee, Interessenten und Kunden standortbezogen zum Kauf oder zum Bezug einer Dienstleistung zu führen - eigentlich genau wie im klassischen CRM. Nur: Mit Mobile CRM kommen faszinierende neue Kontaktpunkte und Interaktionsmöglichkeiten hinzu. Und die haben es in sich." Viele Produktbotschaften könnten zielgerichteter vermittelt werden. Und die Wahrscheinlichkeit, beim Kunden einen Kaufimpuls für ein Eis, Kaffee und Kuchen oder auch für eine neue Handtasche auszulösen, ist unterwegs größer, als wenn der potenzielle Käufer zu Hause vor dem Fernseher sitzt oder in der S-Bahn die Zeitung liest. Der Landshuter CRM-Experte sieht darin eine große Chance, die viele Unternehmen jedoch noch nicht nutzen: "Solange der Akku hält, ist der Kunde für Marketing, Vertrieb und Service ansprechbar. Dann können wir dem Kunden auch etwas verkaufen, wenn er auf dem Klo sitzt."

Neue Trends im CRM-Markt
xRM, Social CRM, Mobile CRM
Im CRM-Markt zeichnen sich wichtige Entwicklungen ab, die neue Anwendungen sowie mehr strategischen Nutzen versprechen. Welche, lesen Sie hier.
Trend 1: CRM strategisch nutzen
Gegenwärtig gehen Analysten davon aus, dass etwa 80 Prozent der deutschen Firmen Software zum Management ihrer Kundenbeziehungen einsetzen. Allerdings nutzt nur etwa die Hälfte davon CRM-Software in Verbindung mit einer kundenorientierten Unternehmensstrategie. Der Grund: Viele Betriebe haben in der mittlerweile 14 Jahre andauernden Historie CRM lediglich als Softwarethema betrachtet und nur technisch umgesetzt. Die eigentlichen CRM-Ziele wie Kundenbindung und Neukundengewinnung - also messbare Ergebnisse - blieben hingegen auf der Strecke.
Trend 2: Verschärfter Datenschutz
Mit der Integration von Social Media und Cloud Computing müssen Unternehmen noch mehr datenschutzrechtliche Richtlinien erfüllen. In beiden Fällen kommen besonders schützenswürdige, personenbezogene Daten ins Spiel. Die teilweise noch fehlende Rechtssicherheit und Verunsicherung in diesen Punkten führt jedoch noch zur Zurückhaltung potenziell an CRM interessierter Betriebe.
Trend 3: Social CRM
Nach Angaben der Marktforscher von Gartner entfielen 2010 rund 90 Prozent der Ausgaben für Social Media beziehungsweise Social CRM auf den Business-to-Consumer-Markt. Inzwischen schätzen die Analysten das Volumen des Marktes für Social-CRM-Produkte bis Ende 2012 auf eine Milliarde Dollar. Gemessen am gesamten CRM-Geschäft macht dies momentan nur einen Anteil von fünf Prozent aus.
Trend 4: Cloud Computing
Im Gegensatz zu den USA ist der Mittelstand in deutschsprachigen Ländern von Cloud Computing noch nicht restlos überzeugt. Für die ablehnende Haltung sind wohl weniger wirtschaftliche und rechtliche Bedenken verantwortlich als vielmehr psychologische. Trotzdem geht der Trend auch in Sachen CRM in Richtung Cloud. Oracle hatte vor kurzem mit RightNow einen CRM-Anbieter übernommen, der seine Lösungen ausschließlich über das Internet anbietet.
Trend 5: Mobile CRM
Für die meisten CRM-Hersteller ist der Trend zu immer schlankeren Geräten wie Smartphones und Tablet-PCs eine natürliche und notwendige Entwicklung. Viele CRM-Anbieter haben auch schon Apps für solche Endgeräte im Angebot. Laut CRM-Hersteller CDC Software in München fordern die Kunden eine Benutzeroberfläche für den Zugriff auf Daten und Funktionen ihres CRM-Systems über das Web. Damit sollen mobile Anwender im Vertrieb oder Service wie gewohnt in ihrer Kundendatenbank arbeiten können.
Trend 6: Von CRM zu xRM
Bemerkenswert ist im CRM-Markt auch die Entwicklung neuer Anwendungsszenarien außerhalb der direkten Kundenbeziehungen. Auf der Basis von CRM-Standardsystemen werden zunehmend neue Anwendungsgebiete mit ähnlichem Anforderungsprofil entwickelt und unter dem Kürzel xRM eingeführt, das für "any Relationship Management" steht.

Kontextbezogene Angebote

Damit das Modell funktioniert, kommt es laut Winkelmann darauf an, den Kunden in seinem situativen Umfeld im Auge zu behalten: "Es geht nicht um die Technik, sondern um die Philosophie, dem Menschen genau dann ein Angebot zu machen, wenn er Bedarf hat." So kann der Autofahrer in der Nähe einer No-Name-Tankstelle den Hinweis auf seinem Smartphone erhalten: nächste Markentankstelle ein Kilometer.

Auf die Frage, wie gläsern ein Kunde gemacht werden darf, antwortet Winkelmann: "Das kommt auf den Kunden an. Wenn er einen Nutzen für sich darin sieht, Lokalisierungsdaten freizugeben, weil er sich damit Wegzeiten auf der Suche nach bestimmten Angeboten ersparen kann oder weil er womöglich sogar Hinweise erhält, die ihn vor gefährlichen Situationen warnen, dann wird er das sicher tun. Natürlich muss er die Möglichkeit haben, den Push-Meldungen jederzeit zu entkommen, ansonsten entwickelt sich CRM zur Datenkrake."

Von den Software-Anbietern fordert Winkelmann: "Für den Mobile Client muss das CRM abgespeckt werden. Die gewachsene Lösung mit umfassenden Funktionen und ausgefeilter Analytik lässt sich nicht eins zu eins auf dem mobilen Endgerät verfügbar machen - auch nicht auf dem iPad." Die Hersteller sollten nun die Chance nutzen, "CRM plus" zu schaffen. Dazu sollten alle Funktionen in Frage gestellt werden. Es gehe laut Winkelmann nicht darum, das Kunden-Management neu zu erfinden, sondern es so zu verdichten, dass die Menschen am Frontend richtig Freude am Steuern und Verkaufen haben: "Nehmen wir zum Beispiel den klassischen Besuchsbericht: Wenn ich den künftig nur durch Ankreuzen ausfüllen kann, ist das eine große Erleichterung für den Außendienst. Mobile CRM bringt Entlastung."

Stress bringt Mobile CRM hingegen für die IT-Systeme. Durch die Verlängerung der CRM-Prozesse im mobilen Bereich fallen wesentlich mehr Daten an. Unternehmen müssen sich daher mit dem Thema Big Data befassen, wenn sie es nicht ohnehin schon tun. Winkelmann empfiehlt Unternehmen jedenfalls: "Wer seine Daten nicht in Ordnung hat, sollte sich zunächst um ihre Bereinigung kümmern, bevor er mit Mobile CRM das Datenchaos nur noch größer macht." (ph)

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Die richtige Social-CRM-Strategie
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"Die Anbieter müssen uns unterstützen und ihre Produkte weiterdenken."
Carolin Zausinger, Microsoft
"Firman beschäftigen sich kaum strategisch mit Social CRM."
Franz Billinger, SBK
"Unsere Social-Media-Guidelines passen auf ein Blatt Papier."
Jörg Koletzki, Eon
"Die interne IT muss genauso agil handeln, wie es im Social-Media-Umfeld der Fall ist."
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"Heute ist es Facebook und Twitter, morgen womöglich etwas ganz anderes."
Andreas Zipser, CAS
"Nicht wieder mit großen monolithischen Softwareprojekten anfangen."
Marcus Rübsam, SAP
"Maschinen können Menschen nicht ersetzen."
Elke Wendel-Lander, Messe München
"Ich würde mir wünschen, dass die Anbieter Social CRM als Service anbieten."