Digitalisierung in der Fertigung

Daten und Automatisierung im Fokus

29.02.2024 von Stefan Hennig  IDG ExpertenNetzwerk
Heterogene Maschinenparks bremsen Innovation. Mit den folgenden Tipps schließen Sie mögliche Datenlücken zwischen alten und neuen Maschinen.
Ein Werksingenieur kontrolliert per Laptop die Produktion. Datenintegrierte Systeme und Technologien geben dabei wertvolle Einblicke.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

Morgens um 8:30 Uhr versammeln sich die Mitarbeitenden eines Produktionsbetriebs zur Schichtberatung. Der Schichtleiter übergibt die auf Klemmbrettern eingetragenen Aufträge an die Teammitglieder, welche damit zu ihrer zugewiesenen Maschine gehen. Was wie ein gut geöltes Uhrwerk zu funktionieren scheint, erfüllt allerdings die Anforderungen moderner Prozesse und Erwartungen anspruchsvoller Kunden nicht mehr.

Der Maschinenpark in dieser Produktionsstätte ist unglaublich heterogen. Einige Maschinen sind fast 60 Jahre alt und werden rein mechanisch gesteuert, während andere gerade erst installiert wurden und mit modernster digitaler Technologie ausgestattet sind. Das hat zur Folge, dass die Kluft zwischen Alt und Neu groß ist und eine Umsetzung digitaler Use Cases über die gesamte Produktionsstätte fast aussichtslos ist.

Qualität statt Quantität

Um diese Hürden zu überwinden und die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben, kann Künstliche Intelligenz (KI) eine entscheidende Rolle spielen. Der Schlüssel zur Bewältigung solcher Probleme ist die richtige Verwendung von Daten und KI-Technologien. Beim Generieren der dazu nötigen Daten sollte die IT allerdings Vorsicht walten lassen. Unseriöse Empfehlungen wie „Sammeln Sie zunächst sämtliche Daten Ihres Unternehmens und legen Sie damit den Grundstein für eine neue Datenökonomie“ führen zu einem teuren und schmerzhaften Trugschluss. Denn nicht die Quantität der Daten zählt, sondern die Qualität.

Lesetipp: Datenqualität messen - 3 Metriken, auf die es bei DataOps ankommt

Ein Umstellungsprozess erfordert in der Regel eine umfassende Betrachtung von Geschäftsprozessen, Daten und Systemen – ein Ansatz, der als "Dreiklang" bezeichnet wird. Es steht außer Frage, dass agile Methoden heutzutage besonders in Projekten mit hoher Komplexität, begrenztem Wissen oder unklaren Anforderungen als Best Practice angesehen werden.

Agiles Vorgehen in drei Ebenen

1. Prozessebene: Zu Beginn ist es zunächst entscheidend, sich auf der Ebene der Geschäftsprozesse gründlich mit der Angelegenheit auseinanderzusetzen. Dies erfordert die Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder, die in den Prozess involviert sind: diejenigen, die Input in den Prozess liefern, diejenigen, die aktiv im Prozess arbeiten und diejenigen, die bestimmte Ergebnisse aus dem Prozess erwarten.

Aus dem oben genanntem Beispiel einer Produktionshalle lassen sich mehrere Aufgaben herleiten:

Lesetipp: Was Sie zum Thema Smart Factory wissen müssen

2. Datenebene: Nach der Klärung auf der Geschäftsprozessebene folgt die Planung der Datenebene. Hierbei werden die folgenden Parameter definiert:

Zum Beispiel können Aufträge mit Informationen zu den zu verwendenden Materialien auf einem Hallenmonitor oder auf Tablets zur Schichtplanung angezeigt werden. Oder ein weiteres Dashboard liefert Informationen zu Fehlerzuständen und Störungen in den Maschinen, um schnelle Reaktionen und Wartungen zu ermöglichen. Durch Inventarinformationen aus dem ERP-System lässt sich zudem die Maschinenbelegung durch die Schichtleitung steuern, während anschließend Produktions- und Stillstandszeiten der Maschinen die Effizienz des Produktionsprozesses überwachen. Sind alle Daten vorhanden, bieten spezifische Web-Dashboards verschiedenen Stakeholdern klare Einblicke und Entscheidungsgrundlagen.

Ein Hallenmonitor zeigt die gesamte Produktionslinie der Anlage an. Hier können Fehler, Energiedaten und der gesamte Montageprozess überprüft werden.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

3. Systemebene: Auf der Systemebene werden nun die Datenlieferanten und -konsumenten analysiert:

In einer gut strukturierten Systemlandschaft können Antworten auf diese Fragen gefunden werden, ein reibungsloser Datenfluss ist möglich und Engpässe lassen sich verhindern. Ein zentrales Element ist dabei das ERP-System. Das Besondere daran ist, dass diese Informationen üblicherweise über eine REST-Schnittstelle abgerufen werden können, was eine nahtlose Integration in andere Geschäftsprozesse ermöglicht.

Zusätzlich zu den ERP-Daten existiert in unserem Beispielunternehmen eine firmeneigene Datenbank, in der sämtliche Eingaben und Informationen der Mitarbeitenden gespeichert werden. Die moderneren Maschinen im Betrieb sind mit OPC-UA-Schnittstellen ausgestattet. Dies ermöglicht einen direkten Zugriff auf die Zustandsinformationen dieser Maschinen und Informationen können in Echtzeit überwacht werden. Allerdings gibt es auch ältere Maschinen im Unternehmen, die entweder geschlossene Systeme sind oder über keine digitalen Schnittstellen verfügen. Dies stellt eine Herausforderung dar, da der Zugriff auf Daten von diesen Maschinen erschwert ist und sie nicht nahtlos in die digitale Datenverarbeitung integriert werden können.

Lesetipp: API-Testing,-Development und -Design - 12 kostenlose Schnittstellen-Tools

Daten- und Systemlücken bei älteren Maschinen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Daten von älteren Maschinen zu beschaffen:

Analysieren, Planen, Handeln

Fassen wir zusammen: Zunächst ist es entscheidend, keine Daten unkontrolliert zu sammeln, sondern sich dem Geschäftsproblem von den Anforderungen des Geschäftsprozesses zu nähern. Dies erfordert eine gründliche Analyse mit den richtigen Stakeholdern, um verschiedene Perspektiven einzubeziehen und die relevanten Daten zu identifizieren. Von dort aus lassen sich die notwendigen Daten ableiten.

Eine systematische Systemanalyse ist unerlässlich, um herauszufinden, welche Daten bereits verfügbar sind oder verfügbar gemacht werden können. Dabei sollte man sich insbesondere mit den Datenlücken befassen und verstehen, dass selbst für sehr alte Maschinen Lösungen wie Retrofit-Maßnahmen existieren.

Eine klare Roadmap ist entscheidend, die in iterativen Schritten, wie sie in der agilen Vorgehensweise üblich sind, zu einem nutzbaren Ergebnis führt. Hierbei ist es oft sinnvoll, zuerst Lösungen umzusetzen, die unmittelbaren Nutzen bringen. So kann die Implementierung eines Hallenmonitors ein erster Schritt sein, bevor man sich komplexeren Aufgaben zuwendet.

Schließlich sollten die digitalen Use Cases auf einer Low-Code-Plattform umgesetzt werden, um die Effizienz und Erreichung der Geschäftsziele sicherzustellen. Durch diesen strukturierten Ansatz lassen sich die Daten- und Systemlücken erfolgreich schließen und die Automatisierung von Prozessen im Unternehmen vorantreiben.

Erst wenn der erste Use Case steht, kann man zum nächsten Schritt übergehen, der mitunter mit KI zu tun hat. Hier ist die Vorgehensweise gleich. Erste Frage: Welches Geschäftsproblem soll eine KI lösen? Reichen nicht auch Machine Learning oder die guten alten regelbasierten Expertensysteme? (bw)