ICI, Werk Östringen - Datenbanksystem für Realzeit

Datenbank im Eigenbau

06.06.1975

Ein Datenbanksystem für Realzeiteinsatz mit Anwendung im Bereich der Materialwirtschaft, Finanzbuchhaltung und Rechnungsprüfung wurde vom Mannheimer Softwarehaus SAP in Zusammenarbeit mit der ICI (International Chemical Industrie) in Östringen bei Heidelberg entwickelt. Es soll sich angeblich für diesen Einsatzbereich besser eignen als IBM's IMS oder andere Standard DB-DC-Programme. Das System vereinigt sowohl Elemente von "Inverted-File"-Systemen wie auch Kettungs- und Segmentierverfahren aus dem IMS. Das selbstgestrickte Datenbanksystem, sei dem vom Hersteller angebotenen in mehrfacher Hinsicht überlegen, erläuterte der EDV-Leiter H. Meier.

ÖSTRINGEN - Die Arbeitsabwicklung in den drei wichtigsten industriellen Funktionsbereichen basiert auf den Daten in drei Stammdateien:

- Materialstamm

- Lieferantenstamm

- Sachkontenstamm

Der Funktionsbereich Materialwirtschaft ist charakteristisch für die Arbeitsweise des gesamten ICI/SAP-Systems:

Eine Bestellung wird nicht in Einzelposten zerteilt und mehreren Postendateien zugeordnet sondern in der Bestelldatei abgelegt. Sie enthält auch nicht die einzelnen Positionen sondern - und dafür sorgt der Datenbankprozessor - nur Querverweise zu den Adresslisten der oben aufgeführten Dateien (Bild). Dadurch wird Mehrfach-Speicherung und Verschwendung von Speicherplatz vermieden.

Bestellung als Verknüpfung zwischen Sätzen

Die Bestelldatei bildet also die dynamische Verknüpfung zur Lieferanten- und zur Materialdatei. Die Verknüpfung ist nicht wie beispielsweise in IMS an ein bestimmtes Feld oder an ein bestimmtes Segment gebunden, sondern wird immer dann aufgebaut, wenn sie gebraucht wird.

In gleicher Art und Weise arbeitet die Belegdatei bei der Verknüpfung zwischen Sachkonten und Materialstammdaten. Die Materialdatei ist pro Materialstammsatz mit einer Preisliste verbunden, die ihrerseits selbständig ist.

Automatische Bestellung

Eine Bestellung kann ausgelöst werden durch Bestellvorschläge des Systems (Absinken unter die Bestellmarke), durch Bedarfsmeldungen aus dem Vertrieb, durch Anforderungen der Materialdisposition und des Lagers. Die Bestellung ist am Bildschirm aufzubereiten. Dazu ist die Identifikationsnummer des Lieferanten anzugeben mit den Daten der Lieferung. Das System erstellt automatisch die Lieferbeziehungen und faßt die Bestellpositionen zusammen. Es schreibt die Bestellungen und die damit

verbundenen Änderungen in der Datenbank.

Dynamische Bausteinprogrammierung

Die ICI/SAP-Lösung ist auf hohen Benutzerkomfort ausgelegt. Ausgelöst durch einen Transaktionscode, den der Sachbearbeiter eingibt, präsentiert das System auf dem Bildschirm eine Maske, in der nur die Felder angeführt sind, die der Sachbearbeiter auszufüllen hat. Bei der Systemvorbereitung wurde darauf geachtet, daß die Fachabteilung selbst die Verfahren festlegen kann und diese im interaktiven Modus mit dem System organisiert und programmiert. Dafür stellt das System eine dynamische Bausteinprogrammierung zur Verfügung.

Elemente dieser Bausteinprogrammierung sind auf der einen Seite die Dateibeschreibungstafel, auf der anderen Seite Programmbausteine. Die Dateibeschreibungstafel enthält Beschreibungen der Datensätze und der Datenfelder, nicht aber wie IMS die hierarchische oder irgendeine andere Verknüpfungsvorschrift für die Datenfelder.

Beliebige Datenfelder sind zusammenzufassen zu Datengruppen, die Ihrerseits inter einer Nummer oder eineir Namen ablegbar und wieder aufrufbar sind.

Datengesteuerter Programmablauf

Die Bausteine werden in Abhängigkeit von den Feldgruppen oder Feldern aufgerufen und dienen der Darstellung auf dem Bildschirm oder der Aufbereitung für die Ausgabe. Ein Sachbearbeiter aus der Fachabteilung ist ohne weiteres in der Lage, nach Erlernung bestimmter Spielregeln entsprechende Masken am Bildschirm selber aufzubereiten und damit verbundene Änderungsprogramme zu erstellen. Die von ihm auf diese Weise aufgebaute Transaktion ist in einer Transaktionsdatei abzulegen und später unter einem katalogisierten Schlüssel immer wieder zu benutzen. Hierauf gründen sich Flexibilität und Erweiterbarkeit des Systems und die Möglichkeit, es ohne weiteres auf andere Anwender mit völlig anders gearteter Struktur in den drei Funktionsbereichen zuübertragen.

Verkauft wird das gesamte Paket für etwa 280 000 Mark.

Informationen: SAP, 68 Mannheim, 07-12

Technische Daten:

Maschine: IBM 370/135, 512k.

Betr.-System: DOS/VS

TP-Peripherie: 34 Bildschirme IBM 3270 und GTE 7800, zwei Terminals Data 100 zwei BSG-Anschlüsse.

TP-Software: Gena/BTAM oder CICS (im Test).

Hauptspeicherbedarf:

für DB: 12 K + Standardzugriffe, für TP: 30 k + Gena/BTAM, für Anw.: 80 k.

Transactionrate: 4500/Tag, dateiverändernd, entspricht etwa 27 000 IMS-Transactions.

Responsezeit: Unter 1 sec.

Entwicklungsaufwand: vom 1.1.71 - 31.12.72 etwa 19 Mannjahre.

Vorteile: Integrierte Datenbank (redundanzfrei), hohe Flexibilität und kurze Antwortzeiten durch Aufbau von Adreßverzeichnissen. Trennung von Daten und Logik (Data-lndependence), Anwendungslogik im Pool, keine duplikativen Programmroutinen, keine Reorganisationsläufe, fiexible Dialogmöglichkeiten, Änderungsfreundlichkeit.

Nachteil: Nicht universell einsetzbar sondern nur für kommerzielle Anwendungen.