Cloud im Business

Datenkrake Google lernt nicht hinzu

02.04.2014 von René Büst
Google versucht mit Erweiterungen und drastischen Preissenkungen gegen die Amazon Web Services (AWS) anzugehen, bleibt seinem Image als rücksichtsloser Datensauger allerdings treu.

Auf dem Google Cloud Platform Live Event hat Senior Vice President Urs Hölzle beachtenswerte Zahlen über die Nutzung der Google Cloud Platform gezeigt. Demnach laufen etwa 4,75 Millionen aktive Applikationen auf der Plattform, pro Tag gibt es 6,3 Billionen Datenabfragen sowie 28 Milliarden Front-End Anfragen. Die Google Cloud Platform umfasst unter anderem die Google Compute Engine (GCE), die Google App Engine (GAE) und weitere einzelne Services. Speziell die GAE ist bereits seit nun mehr sechs Jahren am Markt verfügbar. Die Zahlen sind vor diesem Hintergrund beachtenswert, sollten aber auch nicht überwertet werden.

Datenschutz in Deutschland -
Datenschutz in Deutschland
Der Prism-Skandal beschäftigt die IT-Branche weiterhin. Wir haben bei Providern wie HP, IBM, Telekom und Google angefragt, wie sie es mit dem Schutz ihrer deutschen Kundendaten halten. Hier kommen die Antworten:
Hewlett-Packard (HP): Werden selten angefragt
„Weder HP global noch HP Deutschland gewähren hier Zugangsrechte zu Kundendaten im Rahmen des „Project Prism“. <br /><br /> Grundsätzlich gilt: In jedem Land werden den staatlichen Sicherheitsbehörden Zugriffsrechte gewährt, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist. (…) Anfragen zur Übermittlung von Daten in diesem Kontext beziehen sich zumeist auf Telekommunikationsunternehmen. IT-Infrastrukturanbieter wie HP sind hier äußerst selten betroffen.“
Fujitsu: Deutsche Rechenzentren unterliegen dem deutschen Gesetz.
„Ein Zugriff auf Kundendaten durch Verfolgungsbehörden oder nationale und internationale Geheimdienste wird ausschließlich auf Grundlage eines deutschen Gerichtsbeschlusses gewährt. Die deutschen Rechenzentren unterliegen dem deutschen Datenschutzgesetz, das dies eindeutig regelt. <br /><br /> Da die Muttergesellschaft von Fujitsu Technology Solutions ein japanisches Unternehmen ist, kommt auch der US-amerikanische Patriot Act bei Kunden unseres Unternehmens nicht zur Anwendung.“
Salesforce: Wir ermöglichen keinen Regierungen direkten Zugang.
„Nichts ist für Salesforce.com wichtiger als die Privatsphäre und die Sicherheit der Daten unserer Kunden. Wir sind nicht in das PRISM-Programm involviert und wir ermöglichen keinen Regierungen direkten Zugang zu den Servern von Salesforce.“
Google: Wir prüfen alle Anfragen gewissenhaft.
"Google sorgt sich intensiv um die Sicherheit der Daten unserer Kunden. Wir legen Kundendaten gegenüber den Behörden offen gemäß geltender Gesetze offen, und wir prüfen alle Anfragen gewissenhaft.“

Die IaaS-Preise fallen weiter Richtung Null

Mit einer radikalen Preisreduzierung will Google sich attraktiver gegenüber den Amazon Web Services aufstellen. Die Preise für den Big Data Analytics Service BigQuery werden daher um satte 85 Prozent reduziert. Der Preis für Cloud Storage Service fällt um bis zu 65 Prozent. Die Kosten für die virtuellen Maschinen der Compute Engine werden für alle Regionen, Typen und Größen um bis zu 32 Prozent gesenkt.

Einen Tag später kündigte Amazon AWS auf seinem AWS Summit 2014 in San Francisco seine insgesamt 42ste Preissenkung an. Die Preise für Amazon S3 werden demnach im Schnitt um weitere 51 Prozent gesenkt. Für das erste Terrabyte an Daten kostet 1 GB Speicherplatz bei AWS nun 0,085 Dollar, bei Google sind es 0,026 Dollar. Die Preise für eine AWS M3 Instanz wurden um 38 Prozent gesenkt und kostet statt ehemals 0,113 Dollar seit dem 1. April 2014 nun 0,07 Dollar pro Stunde.

Auch Microsoft hat mittlerweile reagiert und seine Preise für Azure reduziert.

Crisp Research rät anderen IaaS-Anbietern, sich nicht auf diesen Preiskampf einzulassen und stattdessen in Services zu investieren, die den Kunden einen echten Mehrwert bieten. Gegen die Economies of Scale von Amazon AWS, Google oder Microsoft wird es langfristig schwer sein, profitabel mitzuhalten.

Google holt technisch auf

Neben den Preissenkungen hat Google ebenfalls technische Erneuerungen angekündigt. Dazu gehören sogenannte Managed Virtual Machines (VM) für die App Engine, die laut Google mit ein paar Codezeilen automatisch gestartet und verwaltet werden können. Diese Art der VM soll die Stabilität der Compute Engine mit den programmierbaren Kontrollmöglichkeiten durch die App Engine kombinieren.

Weiterhin wird die Compute Engine nun weitere Betriebssystemimages unterstützen. Darunter Red Hat Enterprise Linux und Suse Linux Enterprise Server. In einer Limited Preview wird ebenfalls der Windows Server 2008 R2 bereitgestellt.

Der BigQuery Service wurde so erweitert, dass nun 100.000 Datensätze pro Sekunde abgefragt werden können, um damit die Analyse großer Datenströme zu ermöglichen. Diese und weitere Verbesserungen dienen grundsätzlich dazu, um Services und Applikationen für andere Google Angebote wie Android, Chrome usw. zu entwickeln und mit Googles anderen Services und Plattformen zu verbinden.

Google hegt und pflegt das Image der Datenkrake

Trotz der Preissenkungen und technischer Erneuerungen lohnt ein Blick in die Nutzungsbedingungen der Google Cloud Platform. Hier findet sich unter 1.2 der Lizenzvereinbarungen:

"By submitting, posting, generating, or displaying any Application and/or Customer Data on or through the Services, Customer gives Google a worldwide, non-sublicensable, non-transferable, non-exclusive, terminable, limited license to use any Application and/or Customer Data for the sole purpose of enabling Google to provide, maintain, protect, and improve the Services in accordance with the Agreement." Quelle: https://developers.google.com/cloud/terms/

In einem Satz zusammengefasst bedeutet diese Passage nichts anderes als das Google sich das Recht einräumt, sämtliche Applikationen und Kundendaten für bestimmte eigene Zwecke zu verwenden. Da diese Zwecke nicht weiter spezifiziert beziehungsweise eingeschränkt sind, rät Crisp Research Unternehmen und professionellen Entwicklern von jeglicher Nutzung des Service ab, um rechtliche Probleme mit den eigenen Kunden zu vermeiden.

Google bevormundet seine Kunden

Unterm Strich ist Googles größtes Problem allerdings, dass der Suchmaschinenanbieter nicht wie ein kundenorientiertes Unternehmen handelt. Anbieter wie Salesforce, Microsoft oder Amazon stellen sich ganz anders auf. Ganz im Gegenteil, Google versucht ständig seine Nutzer zu bevormunden und ihnen aufzuzwingen wie und nach welchen Regeln sie zu handeln haben. Das mag bei technisch nicht versierten Privatnutzern vielleicht funktionieren. Schließlich sind die Alternativen sehr gering. Mit erfahrenen Administratoren, CIOs und Entwicklern kann man so langfristig allerdings nicht umgehen.

Ausgewählte Dienste von AWS -
Elastic Compute Cloud
EC2 stellt virtuelle Rechner bereit, die über eine Web-Oberfläche administriert werden. So lassen sich beispielsweise (Server-)Instanzen auf Basis ausgewählter Images starten, die Zugangsberechtigungen verwalten und die jeweils benötigten Ressourcen zuteilen
Simple Storage Service
Bei Amazon S3 handelt es sich um mietbaren Online-Speicher. Er bietet eine einfache Web-Service-Schnittstelle zum Speichern und Abrufen von Daten, und zwar nicht nur von EC2 aus, sondern von jedem Rechner im Internet.
Elastic Block Store
EBS stellt hochverfügbare Volumes für EC2-Instanzen bereit, die innerhalb der virtuellen Maschinen als Gerät angesprochen werden können.
Identity and Access Management
IAM regelt den Zugriff auf die meisten AWS-Dienste, darunter EC2, S3, SimpleDB, Auto Scaling, CloudFormation oder CloudWatch. Wie andere Verzeichnisdienste führt es die Konten für Benutzer, die man in Gruppen organisieren kann. Über Identity Federation unterstützt es ein Single-Sign-on für Konten eines Active Directory.
Virtual Private Cloud
VPC stellt via VPN eine sichere Verbindung zwischen der internen IT eines Unternehmens und einem isolierten Netzwerkbereich bei Amazon her. Es erlaubt die Anwendung von internen Sicherheitssystemen (Firewalls, Intrusion Detection etc.) auf die AWS-Ressourcen.
Relational Database Service
RDS ist ein Web-Service zum Einrichten und Betreiben einer relationalen Datenbank in der Cloud. Er bietet vollen Zugriff auf die Funktionen von MySQL und Oracle 11g. Im Gegensatz zu einer Datenbank, die man selbst in einer EC2-Instanz betreibt, übernimmt Amazon bei RDS das Patch-Management und das Backup.
DynamoDB
Dieser Service bietet eine NoSQL-Datenbank in der Cloud, die unbegrenzt große Datenvolumina automatisch partitionieren und auf mehrere Server verteilen kann. Außerdem repliziert sie die Daten zwischen mindestens drei der international verteilten Rechenzentren von Amazon, um Ausfallsicherheit zu gewährleisten.
CloudSearch
Dabei handelt es sich um eine Suchmaschine, die über ein einfaches Web-API in die eigenen Anwendungen eingebunden wird und die zu S3 hochgeladenen Dokumente durchsuchen kann.
Simple Workflow Service
Er gibt Entwicklern die Möglichkeit, Abläufe und komplexere Geschäftslogiken in Cloud-Anwendungen abzubilden. Die Workflows lassen sich auch von Applikationen abarbeiten, die in den Unternehmen laufen.
CloudWatch
Amazon offeriert damit einen Monitoring-Service, der EC2-Instanzen, EBS-Volumes, Elastic Load Balancers und RDS-Instanzen in Echtzeit überwachen kann.
CloudFormation
Dieser Dienst eignet sich dafür, eine Sammlung von AWS-Komponenten zu definieren und sie automatisch in einer vorbestimmten Reihenfolge bereitzustellen.
Elastic Beanstalk
Es handelt sich dabei um einen Mechanismus für das Deployment von Java-Applikationen. Er kümmert sich etwa um das Kapazitäts-Management, Load Balancing, Auto Scaling und Health Monitoring.

Ein Zeichen dafür sind die oben angesprochenen Nutzungsbedingungen der Google Cloud Platform. Aber auch Googles Umgang mit den Kunden im Rahmen von Portfoliobereinigungen der eigenen Services zeigt, dass Google noch lange nicht in der Welt der Enterprise-IT angekommen ist. Dienste kurzfristig abzuschalten, ohne eine echte Alternative anzubieten (wie etwa mit dem Google RSS Reader geschehen), ist in der Welt der Unternehmens-IT nicht akzeptabel.

Im Rahmen vieler Gespräche mit CIOs und IT-Entscheidern im Mittelstand, hat sich für Crisp Research klar gezeigt, dass langfristiges Commitment und somit die Aufrechterhaltung der Services ein absolut kritischer Punkt für die Anwender ist.

Für Unternehmen ist die Google Cloud Platform derzeit irrelevant

Google hat, auf Grund seiner App Engine, definitiv eine große Verbreitung in der Entwickler Community. Für Workloads von Unternehmen ist die Google Cloud Platform aber derzeit keine Option und kann nicht mit Angeboten von Amazon AWS, IBM Softlayer oder Microsoft Azure mithalten.

Entwickler und Startups sind eine nicht zu unterschätzende Kundengruppe. Aber das große Geld wird bei den Unternehmenskunden verdient. Damit ist es nicht nur für Google sondern auch für AWS wichtig, sich auf die Bedürfnisse der Geschäftskunden einzurichten und mit entsprechenden Services und Lösungen zu reagieren. Amazon AWS hat dies mit CloudTrail und WorkSpaces verstanden ( siehe Die Amazon Web Services greifen nach der Enterprise IT. Ein Realitätscheck).

Von Google sind bisher keine Ansätze zu erkennen. Das gilt ebenfalls für die doch sehr Google-native App Engine. Andere PaaS-Angebote wie Red Hat OpenShift oder IBM BlueMix sind deutlich offener gestaltet und passen besser in die Cloud-Strategie von Unternehmenskunden.

Weiterhin ist es wichtig eine horizontale Variationsvielfalt zu bieten. Google als auch Amazon bieten ausschließlich Public Cloud. IBM und Microsoft sind hingegen in der Lage, sowohl Public- als auch Private- und Hybrid-Clouds anzubieten und das inklusive weiteren Dienstleistungen und Professional Services. Das bedeutet, dass beide Unternehmen in der Lage sind auf die Deployment-Anforderungen und Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen zu können, wodurch die horizontale Angebotsbreite das Maximum im Markt bietet.

Google ignoriert Bedenken der Kunden

Trotz angeblich 4,75 Millionen aktiven Applikationen und täglich 6,3 Billionen Datenabfragen, ist die Google Cloud Platform derzeit keine Option für Unternehmenskunden. Nicht nur die Nutzungsbedingungen zeigen, dass Google die Bedenken rücksichtslos übersieht und versucht, seine eigenen Interessen uneingeschränkt durchzusetzen.

Anbieter wie IBM, Microsoft und Amazon sind deutlich näher an den Kunden und verstehen deren Bedürfnisse. Google geht es im Online-Werbegeschäft derzeit immer noch zu gut. Das Cloud-Business macht derzeit deutlich weniger als ein Prozent des Konzernumsatzes aus und ist noch lange nicht profitabel. Google muss sich weiterhin deutlich zu seinem Cloud-Portfolio bekennen, eine klare Roadmap aufstellen und sich ebenfalls daran halten. Nur so kann der Suchmaschinenriese Vertrauen bei seinen Cloud-Kunden aufbauen. (jha)