Deglobalisierung

Deglobalisierung - eine Herausforderung für die IT?

30.11.2016 von Frank Ridder
Der Brexit, TTIP, CETA, die intensiven Diskussionen über Europas Zukunft und andere disruptive Geschehnisse in der Weltpolitik lassen derzeit eine ältere Diskussion wieder aufflammen: Ist die Deglobalisierung - die Distanzierung von einer weiteren Integration der Weltmärkte - die richtige Antwort auf die Probleme unserer Zeit?

In vielen Ländern in Europa können wir ein Paradoxon beobachten: Auf der einen Seite nutzen Unternehmen digitale Technologien, um ihre Prozesse global zu harmonisieren, um weitere Effizienzen zu heben oder um global generell besser zu funktionieren. Auf der anderen Seite wird die Digitalisierung lokal sehr unterschiedlich diskutiert - häufig politisch getrieben. Zur Standortsicherungsvision Industrie 4.0 in Deutschland gesellen sich beispielsweise die "Strategica per la crescita digitale" in Italien, die "Tech Nation" in UK und die "Industrie du Futur" in Frankreich.

Lokal, kontinental oder global? Die unterschiedlichen Infrastrukturen regen im Zeichen der Digitalisierung zu neuen Diskussionen an.
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Aus digitaler Sicht ähneln sich all diese Programme, denn die Technologie selbst wird selten im Kontext der Deglobalisierung diskutiert. Die Programme in den Ländern haben aber eine starke lokale Bedeutung. Lokale Ideen und Unternehmen werden gefördert und gefordert. Lokale Partnerschaften werden gegründet, um neue digitale Wertschöpfungsketten zu entwickeln. Es wird in lokale Technologien investiert, meistens mit dem Ziel, die lokale Wirtschaft zu stützen.

Meine Diskussionen mit IT-Leitern in Europa über dieses Phänomen zeigen:

Fakten zum Brexit
Wachstum
Der Brexit verlangsamt das Wachstum in der Euro-Zone. Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in der Euro­­zone in den nächsten drei Jahren zusammen um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte geringer ausfallen könnte. Das Brexit-Votum könnte die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr einen halben Prozentpunkt Wachstum kosten, ergab eine Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Rating
Die Rating-Agenturen haben Großbritannien nach dem Brexit-Votum abgestraft. Standard & Poor‘s senkte die Bonität des Landes um zwei Stufen von Triple A auf „AA“, Fitch ging von „AA+“ auf „AA“. Der Ausblick beider Agenturen ist negativ.
Außenhandel
Deutsche Unter­nehmen exportierten 2015 Waren im Wert von 89,3 Milliarden nach Großbritannien, das entspricht 7,5 Prozent aller Ausfuhren. Die Einfuhren von der Insel beliefen sich auf ein Volumen von 38,3 Milliarden Euro (vier Prozent aller Importe). Damit ist Großbritannien der fünft wichtigste Handelspartner Deutschlands.
Börse
Am Tag nach der Entscheidung brachen weltweit die Kurse ein. Börsenwerte in Höhe von etwa fünf Billionen Dollar lösten sich in Luft auf, schätzte Christian Kahler von der DZ Bank.
Votum
Am 23. Juni haben 17,4 Millionen Briten für den Austritt aus der EU gestimmt (51,9 Prozent), 16,1 Millionen votierten für einen Verbleib (48,1 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 72,1 Prozent.

Die Deglobalisierung wird sicherlich zu Recht divers diskutiert. Doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass eine gute Zusammenarbeit wertvoller ist als Mauern aufzubauen. Um für die Deglobalisierungsdiskussionen und die daraus resultierenden eventuellen Veränderungen gut gerüstet zu sein, sind meines Erachtens drei Eigenschaften in der IT besonders wichtig:

Die Deglobalisierung ist ein Thema von wachsendem Interesse. Sie wird eventuell noch viele Überraschungen und Veränderungen mit sich bringen. Sie zu ignorieren wäre ebenso fatal wie voll auf sie zu setzen. Deswegen halte ich es für ratsam, sich bestmöglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Mit Flexibilität. Mit Kollaboration. Und mit Business-Verständnis.