Anders als im drahtgebundenen Bereich, wo Windows mehr oder weniger eine Monokultur bildet, herrscht bei Smartphones und ihren Betriebssystemen Vielfalt. Als wäre dies nicht genug, sind Unternehmen bei ihrer Entscheidung, wie sie den Mobilgeräten ihrer Mitarbeiter die notwendigen Funktionen verschaffen, zusätzlich mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert.
"Um Programme zu überschaubaren Kosten bereitzustellen und zu managen, wollen Unternehmen ihre Geräte- und Betriebssystem-Vielfalt bereinigen", sagt Alexander Wurdack, Mitglied der Geschäftsführung und Managing Director Outsourcing bei Logica. "Der gewachsene Dschungel wurde und wird zugunsten einer einheitlichen Betriebssoftware gelichtet", zumal das Anwenderunternehmen sich sonst mit unterschiedlichen Providern, Verträgen und Anschlüssen herumschlagen müsse. Das käme zu teuer. Allerdings geht die Bereinigung nicht allzu schnell voran, da die Unternehmen ihre bisherigen Mobilgeräte, die zugehörige Software und die Management-Plattformen nicht voreilig abschreiben wollen. Zudem hätte dies hohe Neuinvestitionen zur Folge.
Ungewisse Windows-Zukunft
Doch viele Unternehmen stehen bei dem Versuch, die Flut an Programmen und Management-Tools einzudämmen, noch vor einem anderen Problem: Sie haben mit Microsofts Windows Mobile auf das falsche Pferd gesetzt. Laut den Marktforschern von Canalys ging der Verkauf dieses Smartphone-Betriebssystems im dritten Quartal 2009 erneut um 33,1 Prozent zurück. Im Quartal zuvor hatte das Minus bereits 30 Prozent betragen. Damit läuft Windows Mobile weltweit nur noch auf 8,8 Prozent der verkauften Smartphones, weit abgeschlagen hinter Symbian, RIMs Blackberry OS und Apples iPhone OS. Von Googles Android könnte Windows Mobile bald auf Platz fünf verdrängt werden. Es bleibt abzuwarten, ob es Microsoft gelingt, diesen Trend mit dem angekündigten Windows 7 Series Phone umzukehren.
Dienstleister wie Logica haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen mittlerweile auf das iPhone. Sie greifen über Apps direkt auf die Enterprise Server zu. Diese Apps bauen für den Empfang von Daten und E-Mails auf ActiveSync von Microsoft auf. Das Protokoll gehört seit der Version 2.0 zur Grundfunktion der Apple-Handys. "Leider", so Jan Kokott, Head of Mobile Devices bei Logica in Deutschland, "ist es bis heute nicht möglich, Apps über irgendein Protokoll, auch nicht mit ActiveSync, per Push zu verteilen." Doch genau das wird für ein wirtschaftliches und schnelles Rollout und Deployment von Programmen benötigt.
XML für Apps
Jörg Fischer, Leiter für strategische Geschäftsentwicklung bei der Enterprise Business Group von Alcatel-Lucent, gibt solchen Apps im XML-Format mit Direktzugriff auf die Enterprise-Server gute Aussichten. "Mobile Clients sind auf diese Weise einfacher integrier- und danach betreibbar", konstatiert er. So müsse sich ein Unternehmen in puncto Integration dank des Apps-Prinzips und trotz des verschlossenen iPhone OS weniger mit proprietären Schnittstellen, Funktionen und Formaten herumplagen. Der Betrieb gehe, zentral auf den Servern gemanagt, einfach von der Hand: "Was an Software nicht länger auf den Endgeräten vorliegen muss, braucht darauf nicht länger umständlich geladen, verwaltet und aktualisiert zu werden." Die dafür notwendigen Funktionen und Daten müssten dennoch in Form von Apps bereitstellbar sein. Ganz anders beim klassischen Rollout und Deployment für mobile Clients mit proprietärer Betriebssoftware. In diesem Fall müssen sämtliche Management-Disziplinen - ob vom Unternehmen oder vom Provider - nicht nur auf den kompletten Stack des jeweiligen Geräte-Betriebssystems, sondern auch die betreffende Betriebssystem-Version abgestimmt werden.
Allerdings sind Apps à la Apple dem Alcatel-Lucent-Strategen zufolge nicht der letzte evolutionäre Schritt. "Künftig wird nur noch ein minimales Kern-Betriebssystem auf den mobilen Clients liegen. Das Gros der Gerätesoftware, sämtliche Anwendungen sowie das komplette Management werden im Internet ablaufen", glaubt Fischer mit Blick auf Konzepte wie Googles Android. Bis zur Marktreife solcher Strategien und Produkte für den Business-Einsatz werden noch einige Jahre vergehen - "bis dahin müssen auch die Provider den alten Rollout- und Deployment-Mechanismen den Rücken zukehren und sich dem mobilen Cloud Computing zuwenden."
Mobile Sicherheit in der Cloud
So weit ist es aber noch nicht, denn die neuen Konzepte sind komplex. Der Client greift zuerst auf die Cloud zu, bevor die sich irgendwo innerhalb der Wolkenformation des Servers bei den gesuchten Applikationen und Daten bedient. Danach geht das Ganze auf dem gleichen Weg zurück. Auch das Rollout und Deployment von Software und Funktionen müsste in dieser verschränkten Form ablaufen. Mathias Hein, freier IT-Berater in Neuburg an der Donau, sieht bereits mit iPhones und Apps im direkten Kontakt mit den Enterprise-Servern auf die Unternehmen Datensicherheits- und Datenschutzprobleme zukommen: "Es fehlt eine umfassende Zugriffskontrolle einschließlich Auditing und Reporting. Darin müssten alle mobilen Geräte integriert sein."
Die Probleme dürften für die Unternehmen wachsen, wenn das Sicherheits-Managements der mobilen Geräte nicht mehr in ihren eigenen Händen liegt und ihnen eventuell nicht einmal der Provider innerhalb der Cloud bekannt ist, bei dem die Server mit den Programmen und Daten stehen. Die mangelnde Sicherheit innerhalb eines nebulösen Wolkengebildes könnte zu einem unberechtigten Abruf von Programmen und Daten jeder Art führen.
Hein empfiehlt Unternehmen, die viele Mobilgeräte betreiben, erst einmal neue Konzepte und Konstellationen wie iPhones mit Apps innerhalb ihrer Domäne vollständig zu durchdringen und durch Identity- und Access-Management (IAM) mit integriertem Auditing und Reporting zu flankieren. "In einigen Jahren - wenn hoffentlich die Sicherheit innerhalb der Wolke verbindlich und nachweislich geregelt worden ist - kann dann mobiles Cloud Computing in externer Regie in Erwägung gezogen werden."
Linux-Derivate als Alternative
Bis dahin muss noch viel geschehen. "Alle Hersteller mobiler Geräte und Betriebssysteme, die im Markt mitmischen wollen, ebenso wie die Mobilfunkbetreiber müssen sich im Sinne von Open-Source-Software öffnen", kommentiert Jens Wildeboer, Emea Evangelist bei Red Hat in Deutschland. Das scheint dringend geboten, wenn man bedenkt, dass der Trend zu mobilen Internet-Tablettgeräten und Internet Access Devices (IADs) mit größeren Displays, breitbandigem Internet-Anschluss, vollständigem Browser und mehr Funktionsreichtum geht. Diese Vielfalt an Programmen und Daten dürften die Provider innerhalb der Cloud nur über eine komplette Offenheit aller involvierten Betriebssystem-Stacks regeln und meistern können.
Wildeboer ist deshalb überzeugt, dass Linux-Varianten wie LiMo, Maemo, Moblin und ALP sich auf Mobilgeräten zunehmend ausbreiten werden. Beim Marktforscher ABI Research rechnet man damit, dass bis Ende 2012 in Deutschland um die 39,6 Millionen gemanagte mobile Integrated Access Devices (IADs) in Betrieb sein werden. Sie könnten dann ihre Software und Daten komplett und automatisiert aus der Wolke beziehen. Stuart Carlaw, Forschungsdirektor bei ABI, sieht die offenen Linux-Varianten für den Angriff auf die noch proprietären Smartphone-Systeme wie Windows Mobile, Blackberry, iPhone und Palm gut gewappnet: "Die Linux-Varianten nehmen die entscheidenden Trends im mobilen Bereich vorweg." Carlaw ist davon überzeugt, dass eine höhere Flexibilität, eine bessere Konfigurierbarkeit, mehr Interoperabilität und niedrigere Kosten den offenen Linux-Varianten im Mobilgerätemarkt den Vorrang gegenüber restriktiven Betriebssystemen sichern werden.