Die Vorteile elektronischer Dienste sind den Bürgern in Deutschland wohl bekannt, dennoch nutzen nur 40 Prozent entsprechende Angebote. Damit liegt Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Österreich und Schweden zurück. Dort machen sich deutlich mehr Bürger die Möglichkeiten des digitalen Behördenkontakts zunutze. In Großbritannien sind es 48 Prozent, Österreich (68 Prozent) und Schweden (69 Prozent) sind noch erfolgreicher dabei, ihre Bürger via Web zu bedienen. "Es fehlt offenbar in erster Linie an einem äquivalenten Transaktionsangebot", monieren die Autoren des "E-Government Monitor 2011" mit Blick auf die deutschen Ergebnisse.
Der E-Government Monitor wurde in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal von der Initiative D21 und dem Institut für Public Information Management (ipima) vorgestellt. "Zwar sind die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit den Online-Angeboten ihrer Verwaltung heute zufriedener als vor einem Jahr. Allerdings sind die Vorbehalte, die einer intensiveren Nutzung von E-Government-Angeboten entgegenstehen, heute deutlich ausgeprägter als noch vor Jahresfrist", beobachtet York von Heimburg, Präsdiumsmitglied der Initiative D21 und Vorstand der IDG Communications AG, in der unter anderem die COMPUTERWOCHE und das CIO-Magazin erscheinen. Ursache der deutschen Zurückhaltung sei auch die geringe Präsenz des Themas auf der Tagesordnung deutscher Politik und Behörden. Viele könnten den Nutzen von E-Government-Angeboten über die elektronische Steuerklärung hinaus kaum erkennen.
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Die Studienergebnisse zeigen, dass erfahrene Bürger die Vorteile der digitalen Angebote positiver bewerten und gleichzeitig Nutzungshemmnisse als weniger bedeutsam einschätzen. Damit geben sie den Gestaltern von E-Government-Angeboten wichtige Hinweise: In den Vergleichsländern werden durch beschleunigte Bearbeitungszeiten, spätere Abgabefristen bei der Online-Abwicklung und höhere Hürden für die Papierabwicklung deutlichere Anreize für E-Government geschaffen. Damit bereiten die Behörden den Bürgern den Weg, mehr Erfahrung sammeln zu können.
Bremsfaktoren beim E-Government
Bremsfaktoren für die E-Government-Nutzung sind in allen Ländern die Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verständlichkeit und Aktualität der Angebote. Grundsätzlich zeigt sich, dass jüngere Befragte ein besonders hohes Risikobewusstsein hinsichtlich der technischen Sicherheitsfragen haben. Ältere zeigen sich häufig unsicher im Umgang mit personenbezogenen Daten.
Wesentlich sind die einfache Bedienung und gute Hilfsangebote. Bürger haben deutlich seltener Kontakt zu ihren Behörden als beispielsweise zu ihrer Bank. Somit fehlt auch die Routine und Erfahrung im Umgang mit Verwaltungsverfahren.
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Eine besondere Form des E-Government-Angebots sind Online-Beteiligungsmöglichkeiten etwa zu aktuellen politischen Vorhaben und Entscheidungen (Mitmach-Plattformen, Petitionen, Bürgerhaushalte). Sie werden vor allem von jungen Onlinern als zunehmend wichtiges Informations- und Partizipationsmedium gesehen. Das ist eine Chance, gerade diese Gruppe für politisches Interesse und Engagement zu gewinnen und eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung für politische und Planungsentscheidungen zu schaffen.
Auf den folgenden Seiten finden Sie die Einzelergebnisse im Detail. Basis sind jeweils 1000 befragte Bürger in Deutschland, Österreich und Schweden sowie 1001 Befragte in Großbritannien.
Der typische Nutzer: Mann, zwischen 35 und 54 Jahre alt
Über alle Länder hinweg zeigt sich, dass Befragte in der mittleren Altersgruppe von 35 bis 54 Jahren die aufgeschlossensten E-Government-Nutzer sind. In allen vier Ländern greifen mehr Männer als Frauen auf diese Dienste zurück. Der typische E-Government-Nutzer ist somit männlich und zwischen 35 und 54 Jahren alt.
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Die Studie belegt zudem, dass die Zufriedenheit mit dem Angebot steigt, je größer die Erfahrung ist. In Großbritannien sind über 90 Prozent der E-Government-Nutzer mit dem aktuellen Angebot durchweg zufrieden - rund 45 Prozent sind dabei sogar äußerst beziehungsweise sehr zufrieden. Diese Ergebnisse werden in Österreich noch übertroffen: Hier lobten 95 Prozent der online-erfahrenen Bürgern die E-Services ihrer Behörden. Auch 84 Prozent der schwedischen E-Government-Nutzer sind durchweg zufrieden. Unter den Nichtnutzern zeigt sich ein völlig anderes Bild: Lediglich zwei Drittel von ihnen finden die aktuellen Online-Angebote gut.
In Deutschland ist insgesamt ein positiver Trend bei der Gesamtzufriedenheit zu erkennen. Während in der Vorjahreserhebung 71 Prozent der Internet-Nutzer mit den angebotenen Diensten zufrieden waren, sind es 2011 bereits 80 Prozent. Unter den Befragten mit E-Government-Erfahrungen beläuft sich die Zustimmung sogar auf über 90 Prozent. Sogar 72 Prozent der Nichtnutzer äußerten sich mit Blick auf das Angebot der öffentlichen Hand in Deutschland positiv.
Einige Beispiele:
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Bestellung Feinstaubplakette / Reservierung Wunschkennzeichen: Während 2010 in Deutschland bereits jeder vierte Internet-Nutzer angab, diese Angebote zu kennen und immerhin 14 Prozent diese Dienste auch genutzt haben, zeigt sich für 2011 ein ähnliches Bild: 26 Prozent kennen diese Angebote und immerhin 15 Prozent haben diese bereits genutzt.
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Elektronische Beantragung eines neuen Personalausweises: Diesen Dienst kennt in Deutschland derzeit einer von fünf Befragten. Lediglich sechs Prozent der Internet-Nutzer haben dieses Angebot auch genutzt. Ein Grund für diese geringe Nutzungsrate kann sicherlich sein, dass ein Personalausweis nur alle fünf beziehungsweise zehn Jahre beantragt werden muss.
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Elektronische Formulare (HELP.gv.at): In Österreich werden auf der Plattform HELP.gv.at die Bürger über Amtswege in Österreich informiert und auch teilweise deren elektronische Erledigung ermöglicht. Für elektronische Formulare zeigt sich, dass bereits drei von fünf Befragten diesen Service kennen und schon über ein Drittel der Internetnutzer auf diesen Service zurückgegriffen haben.
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Unternehmensservice (USP.gv.at): Eine sehr geringe Nutzung wird beim Unternehmensservice in Österreich deutlich. Die Plattform USP.gv.at, die zum Ziel hat, nützliche Informationen zu unternehmensrelevanten Themen zu liefern, ist derzeit erst 14 Prozent der Internet-Nutzern bekannt und erst von fünf Prozent der Befragten auch genutzt worden.
Bürger mahnen Datenschutz an
Die Hindernisse für eine intensivere E-Government-Akzeptanz sind über die Ländergrenzen hinweg vergleichbar, die Ausprägungen variieren indes. Mangelnder Datenschutz beziehungsweise Datensicherheit sowie Medienbrüche bei vielen Online-Angeboten lauten die Hauptbarrieren. Vor allem die Internet-Nutzer in Deutschland legen sehr großen Wert auf Sicherheit, 52 Prozent der Befragten fürchten Security-Lücken. Doch auch in Großbritannien (47 Prozent), Österreich (41 Prozent) und Schweden (38 Prozent) erachten die Bürger mangelnde Sicherheit als Barriere für mehr E-Government.
Undurchschaubare Angeboten und komplexen Verfahren schrecken viele Befragten ab. In allen vier Ländern fühlen sich die Internet-Nutzer unsicher im Umgang mit E-Government-Diensten und bemängeln unzureichende Hilfe. In Schweden und Großbritannien kritisiert etwa ein Drittel der Befragten die unpersönliche Abwicklung. Vor allem Jüngere fordern zudem mehr Angebote ein. In der Befragungsgruppe der unter 34-jährigen häufen sich die Beschwerden darüber, dass derzeit noch keine vollständige Abwicklung der Angebote im Internet möglich ist.
Paradebeispiel Steuererklärung
Die elektronische Steuererklärung ist das E-Government-Angebot, das die meisten Befragten kennen und einsetzen. Der Anteil der Nutzer variiert dabei zwischen 26 Prozent in Großbritannien und 67 Prozent in Österreich. Rund ein Drittel der Nutzer in Deutschland und Schweden haben die Möglichkeit, ihre Steuererklärung im Web auszufüllen, bereits fünfmal und häufiger genutzt. In Österreich hat dies sogar schon zweite Bürger getan. Die Entscheidung für die Nutzung kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Welchen Einfluss Überlegungen wie Zeitersparnis, Reduktion von Fehlerquellen, Kostenersparnis und eine höhere Effektivität in den einzelnen Ländern haben, sehen Sie in der Bilderstrecke.
Das Mitmach-Web fordert die Behörden
Das Internet kann die Bürgerbeteiligung erleichtern und ergänzen. Immer mehr öffentliche Stellen haben dies erkannt und bieten Online-Beteiligungsmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel ist "Maerker Brandenburg". Dahinter verbirgt sich eine Plattform, bei der Bürger ihrer Gemeinde per Internet schnell und einfach etwa Infrastrukturschäden melden können. Aber auch Online-Bürgerhaushalte sind schon in mehreren Städten zu finden, etwa Köln und Berlin.
Die Studie macht jedoch auch deutlich, dass die Online-Beteiligung in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Befragt wurden die Teilnehmer nach Diensten wie Online-Petitionen, Bürgerhaushalte, Mitmach-Plattformen, Online-Konsultationen (etwa zu umstrittenen Infrastrukturvorhaben) sowie Social-Media-Angeboten der Kommunen (Facebook, Twitter etc.).
Während in Großbritannien rund zwei Drittel der Internet-Nutzer bereits Online-Petitionen kennen, ist es in Deutschland erst jeder Dritte. Mitmach-Plattformen, auf denen man Schäden in der öffentlichen Infrastruktur melden kann, sind noch unbekannter. Während in Großbritannien schon jeder dritte Befragte angibt, diese Möglichkeiten zu kennen, ist in Deutschland (17 Prozent) und Österreich (12 Prozent) die Wahrnehmung noch sehr gering.
In Österreich haben sich die Autoren der Studie noch zwei weiterer Projekte angesehen, die die Bürger zum Mitmachen animieren:
Stadtwikis: Diese Initiativen sind in Österreich bereits rund 20 Prozent der Onliner bekannt. Bei Frauen ist die Kenntnis etwas höher als bei den männlichen Internetnutzern (21 Prozent bzw. 18 Prozent).
Facebook-Seiten und Twitteraccounts von HELP gv.at: HELP ist eine behördenübergreifende Plattform, die über Amtswege in Österreich informiert und teilweise deren elektronische Erledigung ermöglicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bemühungen in sozialen Netzwerken derzeit noch nicht weit verbreitet sind. Lediglich zehn Prozent der Befragten haben von dieser Initiative gehört.
Mobility ist die nächste Herausforderung
Die schnelle Verbreitung mobile Endgeräte fordert auch von der öffentlichen Hand einen Tribut: Sie muss sich darum bemühen, ihre Online-Dienste auch mobil zur Verfügung zu stellen. Während in Deutschland 2010 noch 41 Prozent der Onliner dem mobilen Endgerät eine große Bedeutung für das E-Government vorausgesagt haben, sind es 2011 bereits 60 Prozent. In den Vergleichsländern sieht es ähnlich aus: In Großbritannien und Österreich sehen rund 70 Prozent der Onliner eine zunehmende Bedeutung für E-Government, in Schweden sind es bereits drei Viertel der Internet-Nutzer. Das ist ein eindeutiger Auftrag an die Behörden, ihre Angebote entsprechend auszubauen. (jha)