E-Government Monitor 2011

Der Amtsschimmel scheut das Web

26.10.2011 von Joachim Hackmann
Ein aktueller E-Government-Vergleich zeigt: Deutsche Behörden hinken ihren Pendants in Schweden, Österreich und Großbritannien hinterher.
Foto: Shutterstock, Joachim Wendler

Die Vorteile elektronischer Dienste sind den Bürgern in Deutschland wohl bekannt, dennoch nutzen nur 40 Prozent entsprechende Angebote. Damit liegt Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Österreich und Schweden zurück. Dort machen sich deutlich mehr Bürger die Möglichkeiten des digitalen Behördenkontakts zunutze. In Großbritannien sind es 48 Prozent, Österreich (68 Prozent) und Schweden (69 Prozent) sind noch erfolgreicher dabei, ihre Bürger via Web zu bedienen. "Es fehlt offenbar in erster Linie an einem äquivalenten Transaktionsangebot", monieren die Autoren des "E-Government Monitor 2011" mit Blick auf die deutschen Ergebnisse.

Der E-Government Monitor wurde in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal von der Initiative D21 und dem Institut für Public Information Management (ipima) vorgestellt. "Zwar sind die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit den Online-Angeboten ihrer Verwaltung heute zufriedener als vor einem Jahr. Allerdings sind die Vorbehalte, die einer intensiveren Nutzung von E-Government-Angeboten entgegenstehen, heute deutlich ausgeprägter als noch vor Jahresfrist", beobachtet York von Heimburg, Präsdiumsmitglied der Initiative D21 und Vorstand der IDG Communications AG, in der unter anderem die COMPUTERWOCHE und das CIO-Magazin erscheinen. Ursache der deutschen Zurückhaltung sei auch die geringe Präsenz des Themas auf der Tagesordnung deutscher Politik und Behörden. Viele könnten den Nutzen von E-Government-Angeboten über die elektronische Steuerklärung hinaus kaum erkennen.

Wichtig ist den befragten Bürger die Sicherheit, der Datenschutz und die Zuverlässigkeit der Systeme.
Foto: TNS Infrastest

Die Studienergebnisse zeigen, dass erfahrene Bürger die Vorteile der digitalen Angebote positiver bewerten und gleichzeitig Nutzungshemmnisse als weniger bedeutsam einschätzen. Damit geben sie den Gestaltern von E-Government-Angeboten wichtige Hinweise: In den Vergleichsländern werden durch beschleunigte Bearbeitungszeiten, spätere Abgabefristen bei der Online-Abwicklung und höhere Hürden für die Papierabwicklung deutlichere Anreize für E-Government geschaffen. Damit bereiten die Behörden den Bürgern den Weg, mehr Erfahrung sammeln zu können.

Bremsfaktoren beim E-Government

Bremsfaktoren für die E-Government-Nutzung sind in allen Ländern die Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verständlichkeit und Aktualität der Angebote. Grundsätzlich zeigt sich, dass jüngere Befragte ein besonders hohes Risikobewusstsein hinsichtlich der technischen Sicherheitsfragen haben. Ältere zeigen sich häufig unsicher im Umgang mit personenbezogenen Daten.

Wesentlich sind die einfache Bedienung und gute Hilfsangebote. Bürger haben deutlich seltener Kontakt zu ihren Behörden als beispielsweise zu ihrer Bank. Somit fehlt auch die Routine und Erfahrung im Umgang mit Verwaltungsverfahren.

Die deutschen Bürger stellen die größte Gruppe der Nichtnutzer. Insgesamt haben 59 Prozent der deutschen Befragten keine Erfahrung mit E-Government-Diensten.
Foto: TNS Infratest

Eine besondere Form des E-Government-Angebots sind Online-Beteiligungsmöglichkeiten etwa zu aktuellen politischen Vorhaben und Entscheidungen (Mitmach-Plattformen, Petitionen, Bürgerhaushalte). Sie werden vor allem von jungen Onlinern als zunehmend wichtiges Informations- und Partizipationsmedium gesehen. Das ist eine Chance, gerade diese Gruppe für politisches Interesse und Engagement zu gewinnen und eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung für politische und Planungsentscheidungen zu schaffen.

Auf den folgenden Seiten finden Sie die Einzelergebnisse im Detail. Basis sind jeweils 1000 befragte Bürger in Deutschland, Österreich und Schweden sowie 1001 Befragte in Großbritannien.

Der typische Nutzer: Mann, zwischen 35 und 54 Jahre alt

Über alle Länder hinweg zeigt sich, dass Befragte in der mittleren Altersgruppe von 35 bis 54 Jahren die aufgeschlossensten E-Government-Nutzer sind. In allen vier Ländern greifen mehr Männer als Frauen auf diese Dienste zurück. Der typische E-Government-Nutzer ist somit männlich und zwischen 35 und 54 Jahren alt.

Insgesamt sind die Bürger mit den Angeboten ihrer Behörden zufrieden. In Deutschland hat sich das Bild gegenüber 2010 verbessert. In diesem Jahr äußerten sich 80 Prozent der Befragten positiv, im Vorjahr waren es 71 Prozent.
Foto: TNS Infratest

Die Studie belegt zudem, dass die Zufriedenheit mit dem Angebot steigt, je größer die Erfahrung ist. In Großbritannien sind über 90 Prozent der E-Government-Nutzer mit dem aktuellen Angebot durchweg zufrieden - rund 45 Prozent sind dabei sogar äußerst beziehungsweise sehr zufrieden. Diese Ergebnisse werden in Österreich noch übertroffen: Hier lobten 95 Prozent der online-erfahrenen Bürgern die E-Services ihrer Behörden. Auch 84 Prozent der schwedischen E-Government-Nutzer sind durchweg zufrieden. Unter den Nichtnutzern zeigt sich ein völlig anderes Bild: Lediglich zwei Drittel von ihnen finden die aktuellen Online-Angebote gut.

In Deutschland ist insgesamt ein positiver Trend bei der Gesamtzufriedenheit zu erkennen. Während in der Vorjahreserhebung 71 Prozent der Internet-Nutzer mit den angebotenen Diensten zufrieden waren, sind es 2011 bereits 80 Prozent. Unter den Befragten mit E-Government-Erfahrungen beläuft sich die Zustimmung sogar auf über 90 Prozent. Sogar 72 Prozent der Nichtnutzer äußerten sich mit Blick auf das Angebot der öffentlichen Hand in Deutschland positiv.

Bekanntheit E-Government
Online-Angebote der Stadt oder Kommune
Rund jeder zweite Internet-Nutzer kennt Informationen zu Online-Angeboten auf den Internet-Seiten seiner Stadt oder Kommune. Derzeit nutzt aber erst jeder Dritte diesen Service. Deutschland ist mit 38 Prozent Nutzern führend, gefolgt von Großbritannien mit 33 Prozent.
Informationen zu Zuständigkeiten
In Deutschland ist die Nutzung von Informationen zu Zuständigkeiten der Stadt oder Kommune mit über 40 Prozent der Internet-Nutzer im Vergleich am höchsten. In Großbritannien kennen diesen Service nur 40 Prozent der Onliner, und lediglich jeder Fünfte nutzt diesen auch aktiv.
Informationen über Öffnungszeiten
Ein sehr häufig genutztes E-Government-Angebot sind Informationen zu Öffnungszeiten – in Deutschland und und Schweden nutzen rund 70 Prozent der Befragten diese Angebote. Ein ganz anderes Bild zeigt sich in Großbritannien: Jeder Zweite kennt dieses Angebot und nur jeder Dritte nutzt dieses auch.
Informationen zu Veranstaltungen
Mit rund 60 Prozent ist in Deutschland und Schweden bereits einem Großteil der Onliner bekannt, das Städte und Kommunen Veranstaltungen im Web ankündigen. In Großbritannien und Österreich greift dagegen erst jeder dritte Internet-Nutzer auf dieses Angebot zurück.
Informationen zur Abwicklung von Behördengängen
Bisher ist erst einem kleinen Teil der Internet-Nutzer bekannt, dass im Vorfeld von Behördengängen Informationen, wie etwa Checklisten zur Vorbereitung und Abwicklung online zur Verfügung stehen. Dies erklärt auch, wieso die Nutzerzahlen entsprechend niedrig sind.
Formulare für Behördengänge
In Deutschland, Großbritannien und Österreich ist bereits jedem zweiten Onliner bekannt, dass im Vorfeld von Behördengängen Formulare auf den Internetseiten zu finden sind. In Deutschland und Österreich hat bereits jeder Dritte dies auch aktiv genutzt.
Elektronische Steuererklärung
In Österreich und Schweden ist die Nutzung der 61 elektronischen Steuererklärung weit verbreitet: Rund zwei Drittel der Onliner nutzen dieses Angebot bereits. In Deutschland und Großbritannien ist die Nutzung mit 30 Prozent im Vergleich zu Österreich und Schweden derzeit nur halb so hoch.

Einige Beispiele:

Bürger mahnen Datenschutz an

Die Hindernisse für eine intensivere E-Government-Akzeptanz sind über die Ländergrenzen hinweg vergleichbar, die Ausprägungen variieren indes. Mangelnder Datenschutz beziehungsweise Datensicherheit sowie Medienbrüche bei vielen Online-Angeboten lauten die Hauptbarrieren. Vor allem die Internet-Nutzer in Deutschland legen sehr großen Wert auf Sicherheit, 52 Prozent der Befragten fürchten Security-Lücken. Doch auch in Großbritannien (47 Prozent), Österreich (41 Prozent) und Schweden (38 Prozent) erachten die Bürger mangelnde Sicherheit als Barriere für mehr E-Government.

barrieren E-Government
Mangelnde Datensicherheit
Vor allem die deutsche Nutzer sorgen sich um ihre Daten. Generell zeigt sich: Je älter die Befragten, desto größer die Sorgen.
Keine durchgängigen Angebote
Auch hier zeigen sich die Deutschen besonders kritisch. Sie bemängeln häufige Medienbrüche im E-Government-Angebot.
Unübersichtliche Dienste
Den E-Government-Services fehlt es offenbar vielerorts an Struktur. Das überfordert die Nutzer.
Komplizierte Verfahren
Behördenkontakte sind für die meisten Bürger selten, es fehlt ihnen daher an Erfahrung. Einfache Bedienung ist daher besonders wichtig.
Mißtrauen
Mangelndes Vertrauen in die Behörden ist nicht zwingend nur ein Online-Thema, bremst aber die Akzeptant der E-Government-Dienste.
Wenig Hilfe
Weil Verfahren oft kompliziert sind und selten genutzt werden, ist Hilfestellung erforderlich. Die vermissen jedoch viele Befragte.
Unpersönliche Dienste
Die Online-Abwicklung ist Vielen zu unpersönlich. Sie bevorzugen den Gang zum Amt.
Unsicher Datenübertragung
Die Datenübertragung erscheint besonders deutschen Nutzern als unsicher.
Umgang mit Daten
Das Vertrauen in den sorgsamen Umgang der Behörden mit persönlichen Daten ist besonders unter deutschen Bürger mäßig.
Transparenter Bürger
Auch hier spiegelt sich die deutsche Vorsicht vor den übergriffigen Behörden wieder. Viele fürchten, zu viele Informationen preisgeben zu müssen.
Datendiebstahl
Zudem besteht die Sorge, dass die auf Behördenrechnern gespeicherten Daten geklaut werden könnten.

Undurchschaubare Angeboten und komplexen Verfahren schrecken viele Befragten ab. In allen vier Ländern fühlen sich die Internet-Nutzer unsicher im Umgang mit E-Government-Diensten und bemängeln unzureichende Hilfe. In Schweden und Großbritannien kritisiert etwa ein Drittel der Befragten die unpersönliche Abwicklung. Vor allem Jüngere fordern zudem mehr Angebote ein. In der Befragungsgruppe der unter 34-jährigen häufen sich die Beschwerden darüber, dass derzeit noch keine vollständige Abwicklung der Angebote im Internet möglich ist.

Paradebeispiel Steuererklärung

Die elektronische Steuererklärung ist das E-Government-Angebot, das die meisten Befragten kennen und einsetzen. Der Anteil der Nutzer variiert dabei zwischen 26 Prozent in Großbritannien und 67 Prozent in Österreich. Rund ein Drittel der Nutzer in Deutschland und Schweden haben die Möglichkeit, ihre Steuererklärung im Web auszufüllen, bereits fünfmal und häufiger genutzt. In Österreich hat dies sogar schon zweite Bürger getan. Die Entscheidung für die Nutzung kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Welchen Einfluss Überlegungen wie Zeitersparnis, Reduktion von Fehlerquellen, Kostenersparnis und eine höhere Effektivität in den einzelnen Ländern haben, sehen Sie in der Bilderstrecke.

Steuererklärung
Schnellere Berarbeitung
Internetnutzer, die bereits Erfahrung mit der elektronischen Steuererklärung sammeln konnten, sind von der Schnelligkeit überzeugt. Bei den Nutzern ohne Erfahrung zeigt sich, dass erst jeder Zweite sich vorstellen kann, dass dadurch die Einkommensteuererklärung schneller ausgefüllt werden kann.
Weniger Fehler
Vor allem deutsche Nutzer sind davon überzeugt, dass sie durch den Einsatz der elektronischen Steuererklärung (ELSTER) Fehlerquellen vermeiden können (75 Prozent). Aber auch in den anderen drei Ländern sehen rund zwei Drittel der Nutzer dies als Vorteil an.
Mehr Effektivität
Nach der Effektivität gefragt, zeigt sich, dass vor allem Personen ohne konkrete Anwendungserfahrungen noch sehr zurückhaltend sind – lediglich zwei von fünf Internetnutzern sehen Effektivität als Vorteil der elektronischen Steuererklärung an.
Geringere Kosten
Bei der Kostenersparnis gibt es die geringste Differenz zwischen Personen mit und Befragten ohne konkrete Anwendungserfahrung. Während die Anwender bei der Kostenersparnis zurückhaltend sind, haben Nichtnutzer sehr hohe Erwartungen hinsichtlich einer Einsparung der Kosten.

Das Mitmach-Web fordert die Behörden

Das Internet kann die Bürgerbeteiligung erleichtern und ergänzen. Immer mehr öffentliche Stellen haben dies erkannt und bieten Online-Beteiligungsmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel ist "Maerker Brandenburg". Dahinter verbirgt sich eine Plattform, bei der Bürger ihrer Gemeinde per Internet schnell und einfach etwa Infrastrukturschäden melden können. Aber auch Online-Bürgerhaushalte sind schon in mehreren Städten zu finden, etwa Köln und Berlin.

Die Studie macht jedoch auch deutlich, dass die Online-Beteiligung in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Befragt wurden die Teilnehmer nach Diensten wie Online-Petitionen, Bürgerhaushalte, Mitmach-Plattformen, Online-Konsultationen (etwa zu umstrittenen Infrastrukturvorhaben) sowie Social-Media-Angeboten der Kommunen (Facebook, Twitter etc.).

Während in Großbritannien rund zwei Drittel der Internet-Nutzer bereits Online-Petitionen kennen, ist es in Deutschland erst jeder Dritte. Mitmach-Plattformen, auf denen man Schäden in der öffentlichen Infrastruktur melden kann, sind noch unbekannter. Während in Großbritannien schon jeder dritte Befragte angibt, diese Möglichkeiten zu kennen, ist in Deutschland (17 Prozent) und Österreich (12 Prozent) die Wahrnehmung noch sehr gering.

Bürgerbeteiligungen
Schnelle Informationen
Die Befragten finden es vorteilhaft, dass Angebote zur Online-Bürgerbefragung schnell, einfach und von überall über aktuelle Vorhaben informieren können.
Ortunabhängige Teilnahme
Zudem schätzen es die Bürger, dass sie von überall an Entscheidungen zu aktuellen Vorhaben teilnehmen können.
Mehr Transparenz
Viele erhoffen sich mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit, Verwaltung und Politik Entscheidungen fällen und Vorhaben beschließen.
Früher Meinungsaustausch
Bei kontroversen Vorhaben kann frühzeitig ein breiter Meinungsaustausch der verschiedenen Gruppen stattfinden.
Keine Vorteile
Die Nutzer, die diesem Angebot nichts abgewinnen können, sind in der Minderzahl

In Österreich haben sich die Autoren der Studie noch zwei weiterer Projekte angesehen, die die Bürger zum Mitmachen animieren:

Stadtwikis: Diese Initiativen sind in Österreich bereits rund 20 Prozent der Onliner bekannt. Bei Frauen ist die Kenntnis etwas höher als bei den männlichen Internetnutzern (21 Prozent bzw. 18 Prozent).

Facebook-Seiten und Twitteraccounts von HELP gv.at: HELP ist eine behördenübergreifende Plattform, die über Amtswege in Österreich informiert und teilweise deren elektronische Erledigung ermöglicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bemühungen in sozialen Netzwerken derzeit noch nicht weit verbreitet sind. Lediglich zehn Prozent der Befragten haben von dieser Initiative gehört.

Mobility ist die nächste Herausforderung

Die schnelle Verbreitung mobile Endgeräte fordert auch von der öffentlichen Hand einen Tribut: Sie muss sich darum bemühen, ihre Online-Dienste auch mobil zur Verfügung zu stellen. Während in Deutschland 2010 noch 41 Prozent der Onliner dem mobilen Endgerät eine große Bedeutung für das E-Government vorausgesagt haben, sind es 2011 bereits 60 Prozent. In den Vergleichsländern sieht es ähnlich aus: In Großbritannien und Österreich sehen rund 70 Prozent der Onliner eine zunehmende Bedeutung für E-Government, in Schweden sind es bereits drei Viertel der Internet-Nutzer. Das ist ein eindeutiger Auftrag an die Behörden, ihre Angebote entsprechend auszubauen. (jha)