Der Fall eBay heizt die Patentdiskussion an

16.03.2006
Nachdem sich Blackberry-Hersteller RIM wegen angeblicher Patentverletzungen mit dem Kontrahenten NTP geeinigt hat, steht nun wieder "der Fall eBay" im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

eBay war im September 2001 von dem Washingtoner Anbieter MercExchange vor den Kadi gezerrt worden. Das Unternehmen machte geltend, sein Gründer Thomas Woolston halte Patente unter anderem auf den elektronischen Verkauf von Waren zu Festpreisen. eBay bediene sich unerlaubterweise dieser "Sofort-Kaufen"-Option und müsse daher zahlen. Ein Bundesbezirksgericht gab dem Kläger im Mai 2003 Recht, eBay wurde zu einer Geldstrafe von 35 Millionen Dollar verurteilt.

Streit entbrannte jedoch über die Frage, ob MercExchange mittels Einstweiliger Verfügung erwirken kann, dass eBay seine "Buy-it-now"-Funktion sofort entfernt und derlei Geschäfte erst dann wieder aufnimmt, wenn es eine eigene Alternative entwickelt hat. Während das zuständige Bezirksgericht dies nicht bewilligte, befand ein Berufungsgericht, die Klägerpartei könne ihre Patentrechtsansprüche auf diesem Weg durchsetzen. In knapp zwei Wochen wird sich nun der oberste Gerichtshof Supreme Court mit dem Fall beschäftigen.

Unterdessen ist in den USA eine Grundsatzdiskussion darüber entstanden, ob und in welchem Ausmaß das Patentrecht noch mit den volkswirtschaftlichen Interessen des Landes in Einklang steht. Große Beachtung hatte die Diskussion um den kanadischen Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) gefunden: Der Anbieter einigte sich nach jahrelangem Rechtsstreit außergerichtlich mit der Firma NTP, die nach eigenem Bekunden in Besitz eines Patents für von RIM verwendete Verfahren zur Übertragung von E-Mail-Nachrichten auf mobile Endgeräte ist. RIM zahlte den stolzen Preis von 612,5 Millionen Dollar, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. (siehe: RIM kauft sich aus NTP-Patentklage heraus).

eBays Gang vor den Supreme Court bedeutet jedoch, dass jetzt Grundsatzfragen geklärt werden müssen. "Der Fall eBay hat profunde Implikationen für technische Innovationen", meint Ted Olson, ehemaliger Rechtsbeistand der US-Regierung und heute als Lobbyist für IT-Unternehmen unterwegs. Das amerikanische Patentsystem sei einerseits das Fundament, auf dem US-Unternehmen ihre weltweite Führungsrolle in der Technologieentwicklung behaupteten. Würden andererseits aber zu breit interpretierbare Patente gewährt, sinke für Unternehmen der Anreiz, in die Entwicklung und Herstellung neuer Produkte zu investieren. Die Rolle der Patentinhaber sei deshalb zu überdenken.

Die Schwierigkeiten liegen offenbar darin, dass altes Patentrecht nur schwer mit den veränderten Bedingungen einer digitalen Ökonomie in Einklang zu bringen ist. Hightech-Produkte basieren oft aus Tausenden von Technologien. Hält jemand an nur einer dieser Basistechniken ein Patent, kann er die Vermarktung des gesamten Produkts verhindern. Das haben auch einige Unternehmen erkannt: Sie erwerben Patente mit dem Ziel, bei Unternehmen abzukassieren, die dagegen verstoßen haben. Einer dieser "Patent-Trolle" ist NTP - das Unternehmen, dem es gelungen ist, bei Blackberry-Hersteller abzukassieren.

Vom Obersten Gericht wird nun erwartet, dass es sich grundsätzlich zur Rolle der Einstweiligen Verfügung äußert. Werden hier neue Fakten geschaffen, könnte das gravierende Auswirkungen haben. Während die Hightech-Industrie darauf hofft, dass den Patent-Trolls Steine in den Weg gelegt werden, braucht die Pharmaindustrie das Instrument der Einstweiligen Verfügung dringend, um ihre Investitionen in die Entwicklung neuer Medikamente schützen zu können.

Das oberste Gericht wird nach Meinung von Experten voraussichtlich einen Mittelweg wählen. Die unteren Gerichtsinstanzen dürften angewiesen werden, Einstweilige Verfügungen nur nach genauer Abwägung der Folgen für beide Parteien zuzulassen. Außerdem müsse in Betracht gezogen werden, ob die Verfügung im öffentlichen Interesse liege. Die Krise des amerikanischen Patentwesens wird damit allerdings wohl nicht gelöst. (hv)