Know-how in der IT

Der Generalist mit Soft Skills ist gefragt

11.08.2015 von Bernhard Kuntz
Karriere im Job machen heute Mitarbeiter, die Spezialist und Generalist in einem sind. Der Grund: Die strikte Trennung zwischen Fach- und Führungskraft ist out. Die hochkomplexen Strukturen und Aufgaben in Unternehmen erfordern IT-Manager mit Fachwissen sowie einem Sinn für Geschäftsprozesse und Betriebswirtschaft.
  • Unternehmen legen wieder mehr Wert auf Fachwissen.
  • "T-Shaped Professional" mit Tiefen- und Breitenwissen sind gefragt.
  • Hochsuchulen schaffen kombinierte Studiengänge.

Fachkraft oder Führungskraft? Das war lange Zeit die meistgestellte Frage, wenn es um die Laufbahnplanung in Großunternehmen ging. Das heißt: Spätestens ein, zwei Jahre nach ihrer Einstellung wurden Hochschulabsolventen von ihren Arbeitgebern gefragt: Wollen Sie sich in Richtung Spezialist entwickeln, der bezogen auf sein Fachgebiet fast alles weiß, oder in Richtung Generalist, der sich mehr durch ein Überblickswissen in vielen Themengebieten auszeichnet? Dabei wurde "Generalist sein" meist mit "Führungskraft sein" gleichgesetzt.

Der "T-Shaped Professional" vereint die Stärken des Spezialisten und Generalisten in sich.
Foto: lassedesignen - shutterstock.com

Zu diesen beiden Karrierewegen gab es laut Aussagen des Management-Beraters Albrecht Müllerschön aus Starzeln in der Regel keine Alternative. Und hatte sich eine Nachwuchskraft erst mal für einen Weg entschieden, "dann war ihr beruflicher Werdegang meist bis zur Rente vorprogrammiert".

Das ändert sich allmählich, konstatiert Elisabeth Heinemann, Professorin an der Fachhochschule Worms. Denn viele Unternehmen haben die Bedeutung des Fachwissens neu entdeckt. Das zeige sich unter anderem darin, dass heute mehr Ingenieure, Naturwissenschaftler und Informatiker als vor zehn bis 15 Jahren in den Vorständen der Unternehmen säßen.

Das Fachwissen erlebt eine Renaissance

Viele Unternehmen haben laut Heinemann erkannt, dass Generalmanagement-Know-how zwar für das Steuern der Unternehmen im Alltag sehr wichtig sei, es aber bei folgenden Fragestellungen anders aussehe: Wie können wir künftig aufgrund der technologischen Entwicklung unsere Arbeitsprozesse gestalten? Und: Welche neuen Problemlösungen können wir unseren Kunden anbieten? Zum Beantworten solcher Fragen sei auch ein fundiertes technisches oder naturwissenschaftliches Fachwissen nötig.

10 Basics für Projektmanager der nächsten Generation
Macher-Typen sind nicht mehr gefragt
Der Projektmanager mit rein technischer Expertise ist out, findet Mary Gerush von Forrester Research. Sie beschreibt den Projektmanager der nächsten Generation als kommunikativ, kompetent und stark in Soft-Skills.
1. Emotionale Intelligenz
Das meint die Fähigkeit, Augen und Ohren offen zu halten, um den Input von Projektmitarbeitern und Kunden in Zusammenhang mit dem Ziel in die Arbeit einfließen zu lassen.
2. Anpassungsfähige Kommunikation
Die Fähigkeit, seine Ideen - mündlich oder schriftlich - einem weiten Kreis von Interessenten zu vermitteln, egal, aus welcher Abteilung, aus welchem Kulturkreis und mit welcher Vorbildung sie stammen.
3. Fähigkeit, mit Leuten umzugehen
Die Begabung, schnell positive Beziehungen zu Team-Mitgliedern und Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen.
4. Fähigkeit zu managen
Das Können, in einem Team zu arbeiten, es zu motivieren, auf das Ziel zu fokussieren und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.
5. Flexibilität
Der Wille und die Fähigkeit, seinen Denkansatz zu überarbeiten, wenn es der Projektgegenstand und das Business verlangen
6. Business-Kenntnisse
Wissen über das Business des Kunden und seine Branche. Die Fertigkeit, seine Strategie zu verstehen und seine Projektarbeit an dieser Strategie auszurichten.
7. Analyse-Fähigkeit
Die Eignung, Probleme analysieren zu können und seine Entscheidungen aufgrund solcher Analysen zu treffen.
8. Blick für den Kunden
Das Vermögen, Kunden- und Anwenderbedürfnisse zu verstehen und den Drang, diese Kundenbedürfnisse im Projekt auch befriedigen zu wollen.
9. Ausrichtung am Ergebnis
Die Fähigkeit, das Projekt effizient und wirksam abzuschließen.
10. Charakter
Der Projektmanager der Zukunft sollte eine ansprechende Persönlichkeit sowie starke Wertvorstellungen und einen moralisch einwandfreien Charakter besitzen.

Die gestiegene Wertschätzung des Fachwissens ist auf allen Unternehmensebenen spürbar, beobachtet Berater Müllerschön: "Vor nicht allzu langer Zeit wurden Führungskräfte, die stolz auf ihr technisches Know-how waren, von ihren Kollegen noch belächelt." Heute hingegen sei es weitgehend Konsens, dass niemand ohne solides Fachwissen seinen Job gut machen kann - egal, ob Fach- oder Führungskraft.

Ein Treiber dieser Entwicklung war die Informationstechnologie. Denn ihre rasante Entwicklung revolutionierte laut Heinemann die Arbeitsprozesse in den Betrieben. "Heute durchzieht die IT die meisten Unternehmen wie das Nervensystem den menschlichen Körper. Sie ist sozusagen die Lebensader der Betriebe."

Auch Führungskräfte brauchen Fachwissen

Durch die zunehmende Vernetzung wurde die alte Frontstellung Fach- oder Führungskraft sowie Spezialist oder Generalist aufgeweicht. Zunehmend gewinnt stattdessen ein Mitarbeitertyp an Bedeutung, den Heinemann als "T-Shaped Professional" bezeichnet und der "die Stärken des Spezialisten und Generalisten in sich vereint". Sein Merkmal: Neben dem für seinen Job erforderlichen fachlichen Tiefenwissen verfügt er über das nötige Breitenwissen, das zur Bewältigung komplexer Aufgaben nötig ist.

Ein solches Qualifikationsprofil setzt laut Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall, "eine Aus- und Weiterbildung voraus, die in die Breite und in die Tiefe geht". Welche Disziplinen hierbei die Breite darstellen und welche in die Tiefe gehend vermittelt werden sollten, hängt von der Branche und Funktion ab, in welcher der Mitarbeiter arbeitet oder arbeiten möchte.

Ollechowitz erläutert dies am Beispiel der IT-Mitarbeiter bei Schwäbisch Hall. Die Bausparkasse hat wie viele Großunternehmen "eine gewachsene IT-Landschaft, die eine Großrechner-Umgebung und Client-Server-Anwendungen umfasst". Entsprechend breit muss das fachliche Know-how der IT-Experten sein, damit sie IT-Lösungen entwickeln können, die mit den vorhandenen Systemen harmonieren. Zugleich müssen sie aber das erforderliche betriebswirtschaftliche Wissen und Branchenwissen haben, um die Geschäftsprozesse der Bausparkasse zu verstehen. Denn nur mit diesem Zusatzwissen können ITler - zum Beispiel als Projektleiter - ihr Fachwissen effizient einsetzen.

Diese Soft Skills brauchen IT-Experten
Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt.
Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ...
Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ...
Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein."
Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ...
Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung."
Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ...
Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ...
Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen."
Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ...
... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ...
Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse."
Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ...
Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ...
Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ...
Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen."
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich.
Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ...
Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung."
Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen."
Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ...
Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen."
Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso."
An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben."
Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.

Nicht nur auf Soft-Skills achten

Dass Unternehmen sich zunehmend Mitarbeiter mit einem solchen Qualifikationsprofil wünschen, haben Heinemann zufolge die meisten Hochschulen erkannt. Das belege die wachsende Zahl von "Bindestrich-Studiengängen" wie Wirtschafts-Informatik. Doch die Professorin warnt auch. Keinesfalls dürfe man die Frage, welche Kompetenzen ein solcher Professional zum Abrunden seines Profils braucht, auf die sogenannten Soft Skills verengen. Denn diese seien zwar für den beruflichen Erfolg wichtig. In welchen Bereichen ein "T-Shaped Professional" aber über ein Breitenwissen verfüge müsse, das ergebe sich weitgehend aus seiner Funktion. Bei einem Elektroingenieur, der für einen Maschinenbauer arbeitet, kann dies ein fundiertes Mechanik-Know-how sein. Und bei einem Versicherungsmathematiker? Das Wissen darüber, welche gesetzlichen Vorgaben Versicherer erfüllen müssen. (pg)