Interview mit Software-AG-Chef

"Der IT-Gipfel ist zweifellos ein Erfolg"

09.12.2009 von Rochus Rademacher
Karl-Heinz Streibich, CEO Software AG (SAG), sprach mit der COMPUTERWOCHE über die neue IT-Strategie "Digitales Deutschland 2015" der Bundesregierung und wie es mit der SAG nach dem Kauf von IDS Scheer weitergeht. Das Gespräch führte Rochus Rademacher.

CW: Die Regierung will 2010 in der IT neue Schwerpunkte setzen. Ist das erforderlich, weil das Erreichte nicht genügt?

Karl-Heinz Streibich, CEO Software AG (SAG), ist der Meinung, der nun vier Jahre währende Gipfelprozess sei "zweifellos ein Erfolg."
Foto: Software AG

STREIBICH: Nein, der nun vier Jahre währende Gipfelprozess ist zweifellos ein Erfolg - denken Sie an die Etablierung des Bundes-CIO, der einheitlichen Behördennummer 115, die angestoßene Breitbandinitiative, das Konjunkturpaket II oder den Aufbau von Clustern. Aber der Gipfel ist ja kein Projekt, sondern ein Prozess - und deshalb ist es auch gut, wenn die Bundesregierung Mitte 2010 die neue IT-Strategie Digitales Deutschland 2015 vorstellen wird.

CW: Was fehlt denn der bisherigen Ausrichtung?

STREIBICH: Die richtigen politischen Schwerpunkte - als da wären der Aufbau einer eigenständigen Softwareindustrie, eine nachhaltige Innovationspolitik, in der Markterfolg zum Schlüsselindikator wird, und der zügige Ausbau des Breitbandnetzes.

CW: Sie sind Sprecher des Arbeitskreises IuK im Mittelstand, der die Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) gefördert wissen will. Wo liegen denn die Schwächen?

STREIBICH: Wenn der Mittelstand sich global aufstellen will, steht er vor den gleichen Herausforderungen wie Großunternehmen - nur dass er die Kosten nicht stemmen kann. Allein schon die Internationalisierung in der EU mit 25 Sprachen und 27 Legalsystemen ist sehr teuer.

Zehn Tipps wie Sie ihre Geld bekomen
2. Geschäftsbedingungen einsetzen
Die <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Gesch%C3%A4ftsbedingungen">Geschäftsbedingungen</a> sind ein wesentlicher Bestandteil der schriftlichen Kommunikation mit Kunden, denn sie klären über Rechte auf, schränken Haftungen und Verbindlichkeiten ein und schützen das eigene Unternehmen. Daher sollten sie in jedem vertraglich relevanten Schriftstück enthalten sein.
3. Zahlungsbedingungen festlegen
Um spätere Missverständnisse zu vermeiden, sollten vor Beginn jeder Geschäftsbeziehung die <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Zahlungsbedingung">Zahlungsbedingungen</a> festgelegt und von den jeweiligen Geschäftspartnern bestätigt werden.
4. Klar kommunizieren
Die Kommunikation mit Kunden und Dienstleistern wird oft unterschätzt, kann aber die <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/mittelstands_it/1877279/">Zahlungsmoral</a> durchaus positiv beeinflussen. Von daher ist es ratsam, den Eingang jeder Rechnung mit einem kurzen Anruf zu überprüfen. Außerdem sollte der jeweilige Geschäftspartner direkt über noch ausstehende Zahlungen informiert werden.
5. Exakt Buch führen
Eine detaillierte Dokumentation der ein- und ausgehenden Rechnungen sowie eine gut strukturierte Ablage tragen maßgeblich dazu bei, den Überblick zu behalten. So können Sie schneller auf ausstehende Forderungen reagieren.
6. Verzugszins geltend machen
Sollten Forderungen auch nach dem Mahnungsprozess ausbleiben und rechtliche Schritte bevorstehen, sind Unternehmen laut § 288 des BGB berechtigt, den entstandenen Zinsschaden mit einem Verzugszins in Rechnung zu stellen. Der Verzugszins für Unternehmen beträgt acht Prozent plus Basiszinssatz.
7. Bonität im Auge behalten
Es lohnt sich, die <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/mittelstands_it/1872572/">Kreditwürdigkeit</a> der bestehenden Kunden zwei Mal jährlich zu prüfen.
8. Finanzierungsalternativen prüfen
Ein alternatives Finanzierungsmodell ist beispielsweise das <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/mittelstands_it/1875257/">Factoring</a>. Anbieter wie Bibby Financial Services übernehmen dabei das Forderungs-Management ihrer Kunden, die wiederum im Gegenzug bis zu 85 Prozent des Rechnungswertes innerhalb von 24 Stunden erhalten. Der Restbetrag folgt abzüglich einer Gebühr und Zinsen, sobald der Debitor die Forderung beglichen hat.

Unternehmen brauchen Kapital

CW: Wo sollte die IT-Strategie der Bundesregierung denn ansetzen?

STREIBICH: Für die Positionierung in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld mit vielen marktbeherrschenden Unternehmen ist Innovationsunterstützung von staatlicher Seite erforderlich. Und die KMUs brauchen Risikokapital, wenn sie neue Technologien auf den Markt bringen wollen - sie finanzieren ihre Innovationen ja durch vorhergehende Gewinne.

CW: Wie lockt man denn Risikokapital an?

STREIBICH: Die Bundesregierung könnte beispielsweise im Rahmen des geplanten High-Tech-Fonds II einen Software-Fond aufsetzen und so Anreize für Investitionen schaffen. Generell ist Potenzial vorhanden, wie ein Vergleich zeigt: In den USA werden 24 Prozent des gesamten Venture Capital in IT-Firmen gesteckt, in Deutschland sind es gerade 3,4 Prozent. Venture-Capital-Geber gehen dahin, wo sie die größten Chancen sehen - wir müssen also die KMUs und Startups attraktiver und sichtbarer machen. Ihnen fehlt die mediale Aufmerksamkeit, die glamourösen DAX-Unternehmen zuteil wird.

CW: Welche innovationspolitischen Ansätze helfen da weiter?

STREIBICH: Erstens müssen die Mittelständler die Chance bekommen, an den großen Förderprojekten zu partizipieren - und das geht nur durch eine Vereinfachung der Bürokratie sowie die steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsleistung. Zweitens ist die regionale Cluster-Bildung zu stärken, um den Austausch bei Forschung und Entwicklung zwischen Hochschulen und mittelständischen Unternehmen zu fördern. Weitere Maßnahmen sind gemeinsame internationale Messeauftritte und die Ausrichtung bestehender Förderinstrumente der Außenwirtschaftspolitik auf die Bedürfnisse der deutschen IT-Industrie - beispielsweise durch Programme im Rahmen der Initiative "Land der Ideen".

Mentale Distanz zur IT ist problematisch

CW: Wo klemmt es denn bei der Erfindungskraft?

STREIBICH: Bei kleineren Unternehmen sind Innovationen oft spontan und personengetrieben, bei den Großunternehmen sind die Prozesse industrialisiert - die können nicht warten, bis ein Abteilungsleiter mal eine zündende Idee hat.

CW: Firmen wie Procter & Gamble oder Lego haben sich trickreich der offenen Innovation verschrieben: Sie beziehen Kunden und externe Entwickler ein. Sind Enterprise-2.0-Ansätze zu kompliziert für Mittelständler?

STREIBICH: Kollaboration ist doch nicht von der Größe des Unternehmens abhängig - es darf nur keine mentale Distanz zur IT bestehen. Insbesondere der IT-Mittelstand arbeitet ja schon sehr kooperativ - in der Breite sind solche Cluster-Ansätze sicherlich noch nicht überall verwirklicht. Oft ist die Rechtslage hinsichtlich der Urheberrechte nicht immer eindeutig.

CW: Und was bringt darüber hinaus die IKT dem expandierenden Mittelständler?

STREIBICH: Sie kann in einer vernetzten Welt helfen, Prozesskosten zu reduzieren und die IT-Infrastruktur skalierbar zu halten. Und sie unterstützt die Optimierung interner Prozesse wie die Steuerung von Filialen, das Controlling, das überregionale Projektmanagement und die Produktion.

CW: Sie sprachen eine mögliche Distanz zur IT an. Was macht die Arbeitsgruppe IuK im Mittelstand dagegen?

STREIBICH: In Deutschland wird in mehr als 90 Prozent aller rund 3,5 Millionen KMUs aufgrund der Betriebsgröße kaum auf eigene, ausgebildete IT-Fachkräfte zurückgegriffen. Um den Umgang mit IT und Kommunikationstechnik zur Grundqualifikation zu machen, haben wir bereits die E-Skill-Initiative gestartet - sie soll IT-Querschnittskompetenzen bei Mitarbeitern entwickeln. Darüber hinaus erachtet die Arbeitsgruppe die verstärkte Vermittlung betriebswirtschaftlicher Grundkenntnisse gerade im Hinblick auf die IT-basierte Prozesssteuerung und -optimierung als essentiell. Und es genügt auch nicht, dass junge Leute privat IKT einsetzen. Es wäre von großem Vorteil, wenn dies in der Schule systematisch weiterentwickelt würde.

Partner sehen Fusion mit IDS Scheer positiv

CW: Oft wird der Mittelstand mit abgespeckten Lösungen für Großunternehmen abgespeist. Nimmt die IT-Industrie die Bedürfnisse des Mittelstands wirklich ernst?

STREIBICH: Die KMUs sind das Rückgrat der deutschen Industrie - auf sie entfallen 70 Prozent der Wertschöpfung. Die Software AG und auch andere IKT-Unternehmen verfolgen die Devise der kundenorientierten Innovation. Wir nehmen also die Bedürfnisse sehr wohl ernst. Zudem betreuen ja oft die lokalen IT-Dienstleister vor Ort die kleineren Unternehmen - Mittelstand für den Mittelstand. Aber dennoch ist sicherlich Potenzial vorhanden, die Zusammenarbeit zu optimieren.

CW: Gilt das von Ihnen für KMUs postulierte Gebot der Größe auch für die Software AG?

STREIBICH: Um sich sein eigenes Ökosystem zu schaffen, strebt die Software AG das Ziel an, einen Umsatz von einer Milliarde Euro zu machen - und das ist der Start-, nicht der Endpunkt.

CW: Wann erreichen Sie dieses Ziel?

STREIBICH: Voraussichtlich nächstes Jahr.

CW: Die Software AG hisst mit ihrer künftigen Consulting-Unit IDS Scheer die Flagge der Prozessexzellenz. Wie günstig steht dafür der Wind im Mittelstand?

STREIBICH: IKT zielt auf die Digitalisierung des Unternehmens ab - nur was man digitalisiert hat, kann man messen, managen, verlagern, optimieren und wettbewerbsfähig machen. Das Gebot der Prozessexzellenz gilt deshalb auch für den etwas größeren Mittelständler, der international agiert oder dessen Geschäftsmodelle - wie in der Logistikbranche - auf reibungslosen Prozessen beruhen.

CW: Ist das bezahlbar?

STREIBICH: Früher waren entsprechende Projekte oft sehr teuer, durch die serviceorientierte Architektur kann der Mittelständler in kleineren Inkrementen vorgehen - das Projektrisiko ist erheblich kleiner.

CW: Wie wollen die Modellierungs-Technik von IDS Scheer eng mit der Ablaufumgebung der Software AG koppeln. Sind die Partner der Software AG wie IBM, Oracle, SAP oder Tibco nicht verschnupft, dass Webmethods und Aris nun gemeinsame Sache machen?

STREIBICH: Die Reaktionen von Partnern und Kunden waren sehr positiv. SAP beispielsweise geht davon aus, dass sich IDS Scheer unter dem Dach der Software AG noch besser entwickeln wird.

CW: Wann werden Sie Erfolgsnachweise der laufenden Übernahme auf den Tisch legen?

STREIBICH: Zur CeBIT 2010 werden wir die enge Koppelung von Aris und Webmethods zeigen und auch eine Roadmap vorstellen.

Rochus Rademacher ist freier Journalist.