Der Markt für Business Intelligence

Der Markt für Business Intelligence 2005: Durchleuchtet und analysiert

13.10.2005 von Bernd Seidel
Den Begriff Business Intelligence (BI) gibt es seit zwölf Jahren. Der Markt konsolidiert sich und wächst.

Es war das Jahr 1993, als die Analysten von Gartner den Begriff Business Intelligence prägten. Die Auguren verstanden darunter die Auswertung und Analyse von Geschäftsdaten mit dem Ziel, unternehmerische Entscheidungen auf Basis von fundiertem Zahlenmaterial sicherer treffen zu können. Das Ziel ist geblieben. In Zeiten von Unternehmenspleiten, enormem Kosten- und Wettbewerbsdruck erfährt das Controlling einen Schub.Verstärkt wird er durch Regularien für die Vergabe von Krediten (Basel II), Vorgaben zur Unternehmenstransparenz (Sarbanes-Oxley Act) und neue Buchhaltungsverfahren nach den International Accounting Standards (IAS).

Die Bedeutung von Business Intelligence ist in europäischen Unternehmen mittlerweile erkannt, wie die Marktforscher von IDC herausgefunden haben: 75 Prozent von 350 befragten Führungskräften aus vielen Ländern glauben, dass Software zum Sammeln und Auswerten von Prozessdaten den Unternehmenserfolg direkt beeinflusst. Entsprechend hoch sind die Erwartungen: Beinahe zwei Drittel der Antwortenden erhoffen sich von ihrem BI-Projekt einen echten Wettbewerbsvorteil.

Glückliche Manager

Die Technik und die betriebwirtschaftlichen Methoden und Konzepte, die sich hinter BI verbergen, haben sich stark weiterentwickelt. „Vor ein paar Jahren waren Manager bereits glücklich, wenn sie alle paar Wochen einen Bericht über den letzten Stand der Dinge im Unternehmen in den Händen hielten“, erinnert sich Wolfgang Martin, langjähriger Kenner der BI-Szene und unabhängiger Analyst. BI funktionierte damals eher rückwärtsgewandt. „Entscheider haben die Geschicke ihrer Betriebe quasi mit dem Blick in den Rückspiegel gesteuert, indem sie alte Daten ausgewertet und gehofft haben, dass diese Informationen auch für die Zukunft taugten.“

Im Jahr zwölf nach der „Erfindung“ von BI reicht das Spektrum von Tools für das Extrahieren, Transformieren und Laden (ETL) von Daten aus Produktivsystemen in Data Warehouses über fortgeschrittene Olap-und Analyse- Tools, die auf gängigen Datenbanken wie DB2, SQL Server oder Oracle aufsetzen, bis hin zu integrierten BILösungen. Im Kommen ist die Verknüpfung von BI mit der Integration von Anwendungen und Geschäftsprozessen - neudeutsch als Corporate-Performance-Management (CPM) bezeichnet.

Angekommen in Prozessen

„BI ist mittlerweile in den Prozessen angekommen und verspricht, Abläufe in Echtzeit an geschäftsrelevante Veränderungen anzupassen und auf Ereignisse rasch zu reagieren“, erklärt Gartner-Analyst Andreas Bitterer. Anhand von vorher festgelegten Messpunkten, Kenngrößen und Regeln, die für Geschäftsprozesse definiert werden, lässt sich mit Hilfe von BI-Werkzeugen die Leistungsfähigkeit der Geschäftsabläufe messen und bei Problemen steuernd eingreifen. Die permanente Beobachtung der Aktivitäten, auch als Business Activity Monitoring (BAM) bezeichnet, hilft, auf Engpässe rasch zu reagieren.

Das Gros der führenden BI-Softwareanbieter scheint erkannt zu haben, dass am Corporate-Performance-Management kein Weg vorbei führt. Die Entwicklung wird dabei aus den verschiedensten Richtungen vorangetrieben: Klassische Analysesoftwarehersteller wie SAS Institute, Business Objects und Hyperion erweitern ihre Suiten aus eigener Kraft oder kaufen fehlende Bausteine hinzu. SAP ergänzt seine Unternehmensoftware um die Business-Process-Management-Plattform „Netweaver“. Infrastruktur- und auch EAI-Anbieter wie IBM, Oracle und Sun schließen Lücken durch Zukäufe. So hat IBM Ascential erworben, und Sun hat sich durch die Übernahme von Seebeyond in Sachen Enterprise Application Integration (EAI) verstärkt.

Auch in der Praxis stehen CPM und BAM in den Startlöchern - Unternehmen experimentieren damit, doch wird es laut Carsten Bange vom Würzburger Business Application Research Center (Barc) noch einige Jahre dauern, bis eine entsprechend durchgängige IT-Architektur implementiert ist. Sie soll es ermöglichen, Prozesse über verschiedene Applikationen und über Unternehmensgrenzen hinweg zu messen und steuern. Analyst Martin geht davon aus, dass BI-Funktionen künftig in Form von Services zur Verfügung stehen, die sich dann über eine Service-orientierte Architektur (SOA) aufrufen lassen. Somit kann die Anwendung rasch an Veränderungen im Geschäftsmodell und den Abläufen angepasst werden.

Für Martin Barnreiter, Analyst von Pierre Audoin Consultants (PAC), kommt Business Intelligence überall dort ins Spiel,wo es darum geht, im Unternehmen Wissen zu generieren und auszutauschen: „BI ist eng verknüpft mit Wissens- und Inhalts-Management, Portalen, Integration und Customer- Relationship-Management“. PAC geht davon aus, dass Unternehmen nach den Jahren der Kostendämpfung wieder verstärkt durch BI-Einsatz nach neuen Ertragsquellen suchen.

Bedingt durch die funktionale Vielfalt und zunehmende branchenspezifische Ausprägung, ist der Markt stark fragmentiert. So lässt sich Software von weltweit 200 bis 300 Anbietern dem BI-Segment zuordnen, wie Barc-Analyst Bange sagt. Zur Freude der Hersteller wächst das Gesamtgeschäft stabil zwischen zehn und 20 Prozent jährlich. Das soll sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen, wie die Analysten durch die Bank prognostizieren. Weltweit wurden im BI-Markt 2004 über fünf Milliarden Dollar für Software und Lizenzen ausgegeben. Neben einem stetigen Wachstum ist vor allem eine ungebremste Konsolidierung in Gang.

Platzhirsche

Platzhirsch hierzulande ist laut der letzten Erhebung des Marktforschungsunternehmens Lünendonk SAS Institute, das weltweit im Jahr 2004 rund 1,5 Milliarden Dollar einnahm. Das Unternehmen erzielte 2004 bei einem Wachstum von 15 Prozent - in erster Linie erwirtschaftet mit Data Warehousing und Datenintegrations- Infrastruktur sowie Statistik-und Data-Mining-Anwendungen. Der Umsatz der deutschen SAS-Tochter lag bei 128,5 Millionen Euro. Auf den nachfolgenden Plätzen gab es, bedingt durch Zukäufe und leicht unterschiedliche Umsatzentwicklungen im Jahr 2004,Verschiebungen im Vergleich zu den Gartner-Zahlen von 2003. Auf Platz zwei steht die Business Objects GmbH mit Sitz in Köln. Das Unternehmen, das im November 2003 den Konkurrenten Crystal Decisions übernommen hat, näherte sich mit Einnahmen von weltweit 925,6 Millionen Dollar im Jahr 2004 der Umsatzmilliarde.

Platz drei besetzt in Deutschland laut Lünendonk die MIS AG, im Oktober 2003 von Systems Union übernommen. Der ERP-Anbieter erwarb damit Funktionen zur Planung, Überwachung und Analyse operativer Daten. Den vierten Rang in Deutschland bekleidet Cognos: Das Unternehmen kaufte Adaytum und Frango und verstärkte sich damit in den Bereichen Planung und vorgabengerechte Konsolidierung. Hyperion, die Nummer fünf hierzulande, übernahm im Juli 2003 Brio Software und ergänzte damit seine Angebotspalette mit ausgereiften Produkten für Reporting und Datenanalyse. Ein schlafender Riese im BI-Markt ist laut PAC-Analyst Barnreiter Microsoft. Die Marketing-Maschine der Redmonder hat sich des Themas erstaunlicherweise noch nicht breitenwirksam angenommen.

Unternehmen in Startlöchern

Der einschlägige Umsatz lässt sich kaum ermitteln, da die Gates-Company das Gros der Tools im Paket mit der Datenbank „SQL Server“ ausliefert. „Zurzeit erleben wir eine Renaissance im Bereich Datenqualität“, erklärt Analyst Bitterer. Die größeren Spezialisten sind zwar fast alle schon geschluckt, aber viele kleinere deutsche und amerikanische Unternehmen stehen in den Startlöchern. Junge Anbieter sind unter anderem Trillium, Similarity Systems (hat Evoke gekauft), Firstlogic, Dataflux (gekauft von SAS) und Omikron. Im Bereich Echtzeitanalyse von Web-Daten profilieren sich Nischenanbieter wie Qlickteq und Hybris.

Ein weiteres aktuelles Thema im Umfeld von BI - mit reichlich Potenzial - hat Analyst Martin ausgemacht: die Historisierung von Stammdaten. „Hier haben Unternehmen bisher nur selbst Lösungen entwickelt. Das ist teuer, doch die Verfolgung von Stammdaten gewinnt an Bedeutung.“ Ohne die Historie der Basisinformationen zu kennen, ließen sich Key-Performance-Indikatoren (KPIs), also Unternehmenskennzahlen, nicht vergleichen, führt Martin aus.„Früher ist man davon ausgegangen, dass Stammdaten sehr statisch sind. Das ist ein Trugschluss.“ Einer der ersten Anbieter, der die Versionierung von Stammdaten in sein Portfolio aufgenommen hat, ist Hyperion mit der Komponente „MDM“. Der Hersteller bietet damit gleichzeitig eine Schnittstelle, über die sich Master-Daten aus SAPs Netweaver abrufen und verwalten lassen.

* Der Autor BERND SEIDEL ist freier Journalist in München. [info@seidelpartner.de]