Der Markt für Netzausrüster

Der Markt für Netzausrüster: Zwei Hochzeiten, noch kein Todesfall

27.09.2006
Turbulent geht es derzeit bei den Netzausrüstern zu. Traditionsfirmen wie Lucent und der Com-Bereich von Siemens gehen an Alcatel respektive Nokia über. Dagegen ist der Siegeszug der Anbieter aus Fernost bislang ausgeblieben.

Auf ein eher durchwachsenes Jahr 2005 können die Lieferanten von Telekommunikationsausrüstung in Deutschland zurückblicken. Hintergrund ist die Schwäche des TK-Sektors insgesamt. "Die Telekommunikationsbranche wächst, aber nicht mehr so stark wie vor kurzem", so Willi Berchtold, Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) im Frühjahr. Der Grund: "Ein extrem scharfer Wettbewerb führt zu sinkenden Gebühren."

Top 8: Netzausrüster in Europa 2005

(nach Umsatz in Milliarden Euro)

  1. Siemens 7,3

  2. Alcatel 5,4

  3. Cisco 5,4

  4. Ericsson 4,5

  5. Nokia 2,8

  6. Nortel 2,1

  7. Lucent 1,1

  8. Motorola 1,0

Anm. d. Red.: Die Rangliste berücksichtigt noch nicht die 2006 realisierten Fusionen von Siemens-Com/Nokia und Alcatel/Lucent. Quelle: Geschäftberichte, Wall Street Journal, Financial Times Deutschland, eigene Schätzungen

Das hat Auswirkungen auf den Bereich Telekommunikations-Hardware: "In diesem Markt tut sich technologisch gesehen viel, bezogen auf den Umsatz eher wenig", stellt Berchtold fest. Im vergangenen Jahr gaben Netzbetreiber und Unternehmen an die 10,8 Milliarden Euro für TK-Endgeräte und Netzinfrastruktur aus. Etwa dieselbe Summe werden sie nach Schätzungen des Bitkom auch in 2006 und 2007 investieren. Die Zeichen in diesem Segment stehen somit auf Stagnation. Zum Vergleich: Der Gesamtmarkt Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschland legte 2005 um 2,4 Prozent zu. Dieselbe Zuwachsrate erwartet der Bitkom für 2006. Das Umsatzvolumen dürfte im laufenden Jahr bei 137,4 Milliarden Euro liegen.

In anderen Ländern präsentierte sich der Sektor Telekommunikation in besserer Verfassung. So geht das European Information Technology Observatory (Eito) 2006 von einem Umsatzwachstum von 2,2 Prozent in der Europäischen Union aus. Spitzenreiter ist mit einem Plus von 3,6 Prozent Großbritannien.

Erhöhte Investitionsbereitschaft

Dass sich der Umsatz mit Komponenten für den Auf- und Ausbau von Telekommunikationsnetzen in Deutschland eher zögerlich entwickelt, ist allerdings nicht auf einen Einbruch der Nachfrage zurückzuführen. Im Gegenteil: Sowohl die Mobilfunk-Provider als auch die Betreiber von Festnetzen sind dabei, ihre Infrastrukturen auszubauen beziehungsweise zu modernisieren.

"In Europa erhöhten die Telekommunikationsfirmen ihre Investitionen zwischen 2004 und 2005 um zehn Prozent auf 54 Milliarden Euro", sagt Stéphane Téral, Analyst bei der Marktforschungsfirma Infonetics. Für 2006 erwartet er Ausgaben von 60 Milliarden Euro. "Vor allem Großprojekte wie der Aufbau eines neuen Breitbandnetzes durch die Deutsche Telekom, werden zu höheren Ausgaben in den Bereichen Digital Subscriber Line, Glasfaserleitungen sowie IP/MPLS (Internet-Protocol/ Multi-Protocol Label Switching) führen", so Téral.

Die Telekom-Tochter T-Com investiert hierzulande bis Ende des Jahres rund 500 Millionen Euro in den Aufbau eines schnellen VDSL-Netzes (Very High Speed Digital Subscriber Line). Bis Anfang 2007 will der Anbieter darüber sechs Millionen Haushalte in zehn Ballungszentren erreichen. VDSL bietet Datenraten von bis zu 50 Mbit/s; damit lassen sich Kinofilme in hoch auflösender Qualität ins Wohnzimmer transportieren. T-Com-Kunden können sich zudem Spiele der Fußball-Bundesliga via Internet zu Gemüte führen.

Internet-Fernsehen hat Zukunft

Auch die Konkurrenten der Telekom bauen ihre Breitbandnetze aus. Der spanische Konzern Telefónica etwa möchte bis Mitte 2007 rund 500 Städte in sein ADSL2+-Netz einbinden. Es ist für Übertragungsraten von bis zu 25 Mbit/s ausgelegt. Daneben erweitern Arcor, Hansenet ("Alice") und QSC derzeit ihre ADSL-Infrastruktur. Sie wollen darüber, ebenso wie T-Com, neben einem schnellen Internet-Zugang auch Telefondienste (Voice over IP) und Fernsehen (IPTV) anbieten. "Wir gehen davon aus, dass es 2008 in Deutschland etwa drei Millionen IPTV-Anschlüsse geben wird", sagt Alf Henryk Wulf, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Netzausrüsters Alcatel SEL AG. "Jeder DSL-Kunde ist ein potenzieller IPTV-Nutzer."

Eine vergleichbare Situation ist im Mobilfunk zu beobachten. T-Mobile, Vodafone, O2 und Co. sind derzeit dabei, ihre Mobilfunknetze zu modernisieren, wenn auch nicht mehr im selben Maße wie in den vergangenen Jahren, als sie etwa 30 bis 40 Milliarden Euro in den Aufbau einer Infrastruktur für UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) steckten.

Implementiert werden Erweiterungen von UMTS, etwa "Highspeed Downlink Packet Access" (HSDPA). Damit lassen sich Bilder, Videos oder Musikdateien mit bis zu 3,6 Mbit/s auf ein Handy herunterladen. Die Netzbetreiber wollen die Übertragungsgeschwindigkeit schrittweise sogar bis auf 7,2 Mbit/s erhöhen. Entsprechende Mobiltelefone kommen derzeit auf den Markt. Nokia und Ericsson experimentieren bereits mit einem noch leistungsfähigeren Verfahren namens "Highspeed Packet Access" (HSPA). Es soll Übertragungsraten von mehr als 100 Mbit/s erlauben.

Eine dritte Technik, die nach Ansicht von Markforschern UMTS ergänzen kann, ist Wimax. Diese Funk-Übertragungstechnik überbrückt Distanzen von mehreren Kilometern und stellt bis zu 108 Mbit/s zur Verfügung. Sie könnte vor allem als Zugangsverfahren auf der "Letzten Meile" zum Zuge kommen, aber auch in mobilen Geräten. Derzeit bereitet die Bundesnetzagentur die Versteigerung der Frequenzbänder vor, die für Wimax in Frage kommen.

Trotz dieser Projekte gilt Deutschland unter den Netzausrüstern derzeit als hart umkämpfter Markt. Darin unterscheidet sich die Bundesrepublik allerdings nicht von Frankreich, Großbritannien oder den skandinavischen Staaten. Ein Grund dafür ist, dass die Netzbetreiber hierzulande, ebenso wie in den Nachbarländern, unter einem erhöhten Preisdruck stehen. Der Wettbewerb im Mobil- und Festnetz hat die Gebühren und damit die Einnahmen sinken lassen. Dies bekommen auch die Zulieferer der Telekommunikationskonzerne zu spüren.

Dumping aus China

Hinzu kommt, dass die Netzbetreiber möglichst viele Komponenten und Dienstleistungen von einigen wenigen Lieferanten beziehen wollen. "Derzeit gibt es sehr viele Anbieter, und das möchten die Kunden nicht", sagt Lee Doyle von der Network Infrastructure Group des Marktforschungsunternehmens IDC. Firmen wie Tellabs, Sonus oder Redback werden es zunehmend schwer haben, ihre Produkte an den Mann zu bringen, so gut diese auch sein mögen. Die Zeichen stehen auf "One-Stop-Shopping".

Vom gestiegenen Kostenbewusstsein der Netzbetreiber wollen insbesondere die zwei größten Netzausrüster aus China profitieren, Huawei und ZTE. Beide haben nach Einschätzung von Experten im vergangenen Jahr im deutschen Markt Boden gutgemacht. Allerdings lässt sich das nur indirekt belegen, weil die zwei Unternehmen, ebenso wie ihre Konkurrenten aus Europa und Nordamerika, keine Umsatzzahlen für Deutschland ausweisen. Huawei beliefert unter anderem die Deutsche Telekom und BT mit Telekommunikations-Ausrüstung. Das Unternehmen ist stark damit beschäftigt, vorhandene Aufträge abzuwickeln - zu Lasten des Neugeschäfts. Ein Grund für den Erfolg sind die attraktiven Preise. Im Vergleich zu amerikanischen oder europäischen Netzausrüstern verlangt Huawei nach Angaben von Insidern für seine Produkte rund 20 Prozent weniger.

Wer zu spät kommt…

Auf dieselbe Taktik wie Huawei greift ZTE zurück, sprich: durch günstige Angebote Kunden zu gewinnen. Nach eigenen Angaben kooperiert ZTE unter anderem mit France Télécom, aber auch mit Konkurrenten wie Alcatel und Ericsson. Allerdings leidet ZTE darunter, dass das Unternehmen relativ spät in Europa aktiv wurde. Das spiegelt sich im Umsatz wider: Er bewegte sich 2004 und 2005 bei umgerechnet rund 2,6 Milliarden Dollar. Konkurrent Huawei konnte dagegen im vergangenen Jahr weltweit Systeme für rund sechs Milliarden Dollar absetzen.

Nach einer Analyse der Beratungsfirma Synergy Research zählen Huawei und ZTE derzeit in Europa nicht zu den fünf führenden Lieferanten von Daten- und Telekommunikationsausrüstung. Die ersten Plätze in der Rangliste belegen die altbekannten Unternehmen Ericsson, Cisco Systems, Alcatel, Nokia und Siemens. Allerdings, so ein Branchenkenner, hat speziell Huawei durchaus das Potenzial, in den kommenden Jahren in erheblichem Maße Marktanteile zu gewinnen. Der Grund: Das Unternehmen hat sich auf Produkte spezialisiert, die besonders gefragt sind. Dazu zählen beispielsweise Softswitches, die beim Transport von Sprachdaten über IP-Netze zum Zuge kommen, außerdem IP-Multimedia-Sub-Systeme (ISM).

Auch wenn ZTE und Huawei noch dabei sind, ihre Position im Netzausrüster-Markt zu finden, hatte ihr Auftreten für die etablierten Anbieter gravierende Folgen. Nach Angaben eines Managers eines großen Telekommunikationskonzerns setzten Carrier wie die Deutsche Telekom oder BT ihre Lieferanten mit der Drohung unter Druck, zur preisgünstigeren Konkurrenz aus Fernost überzulaufen. Die Folge: Siemens, Alcatel oder Ericsson mussten ihren Kunden Preisnachlässe gewähren. Mittlerweile liegen die Angebote der amerikanischen und europäischen Ausrüster nur noch etwa 20 Prozent über denen von Huawei. Einige Monate zuvor waren es noch an die 70 Prozent.

Die Folgen dieses Preiskampfes: schrumpfende Gewinnspannen. Das prominenteste Opfer dieser Entwicklung ist die Kommunikationssparte von Siemens: Sie erzielte im Geschäftsjahr 2005 weltweit bei einem Umsatz von rund 13 Milliarden Euro einen Gewinn von weniger als 500 Millionen Euro. Konzernchef Klaus Kleinfeld, der sich mindestens acht Prozent Rendite erhofft hatte, zog im Juni die Konsequenz. Er brachte die Sparte in das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks ein.

Die Neugründung, in der die Finnen den Ton angeben, wird nach einer Bereinigung des Produktspektrums weltweit einen Umsatz von etwa 16 Milliarden Euro verbuchen. In Deutschland dürfte der Umsatz schätzungsweise bei etwas mehr als drei Milliarden Euro liegen. Damit avanciert die finnisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmung zum größten Netzausrüster im Land. Die Chancen, dass die Liaison erfolgreich sein wird, stehen gut: Während Siemens seine Stärken im Bereich Festnetze hat, speziell auf dem Gebiet IP-gestützte Kommunikationssysteme, steuern die Finnen Know-how auf dem Mobilfunksektor bei.

Stärke durch Fusion

Ebenfalls auf Stärke durch Fusion setzen Alcatel und Lucent. Die Konstellation ist ähnlich wie bei Siemens und Nokia: Alcatel ist ein alteingesessenes Unternehmen mit besten Verbindungen zu Carriern wie France Télécom, BT und der Deutschen Telekom. Lucent dagegen hat nach einer langen Durststrecke in den vergangenen Jahren wieder Tritt gefasst. Die US-Firma hat zwei Stärken: ihre Kompetenz und Marktpräsenz im Mobilfunkbereich, speziell in Nordamerika, und ihr technisches Know-how bei IP-gestützten Telekommunikationssystemen, Stichwort IMS.

Das dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb Alcatel die erheblich umsatzschwächere Lucent zur Fusion überredete. Die französische Firma ist vor allem in Bereichen stark, die eng mit dem Festnetz verbunden sind, etwa Digital Subscriber Line, Fernsehen über Breitbandanschlüsse (IPTV) und Sprachübertragung über IP. Zwar betont Alcatel, dass Mobilfunk ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil des Produktportfolios sei. Doch auf diesem Gebiet weist Lucent innovativere Lösungen vor.

Berücksichtigt man die Umsätze der neuen Gemeinschaftsunternehmen, ergeben sich in der Rangliste der Netzausrüster erhebliche Verschiebungen, nicht nur auf dem deutschen Markt, sondern auch in Europa und auf dem Weltmarkt. Alcatel-Lucent und Nokia-Siemens verdrängen die bisher Führenden Ericsson und Cisco Systems. Nortel Networks rangiert weiterhin auf dem fünften Platz, zumindest in Europa.

Kein Weg dran vorbei

Doch wer glaubt, Cisco, der Emporkömmling aus der Datenwelt, sei damit in die Schranken gewiesen, täuscht sich. Richtig ist, dass die amerikanische Firma in den vergangenen zwölf Monaten ihre Kompetenz im Bereich Telekommunikation nicht so aggressiv zur Schau stellte wie in den Monaten zuvor. Stattdessen rückten andere Themen in den Mittelpunkt, etwa IP-Telefonie im Unternehmensnetz oder das Absichern von Corporate Networks, Stichwort "Network Admission Control".

Dass Cisco jedoch weiterhin zu den Unternehmen gehört, an denen auch in Zukunft im Bereich Netzausrüstung kein Weg vorbei führt, belegen folgende Fakten: Zum einen war Cisco nach Angaben von Infonetics im vergangenen Jahr mit einem Umsatzanteil von 42 Prozent klarer Marktführer bei Routern und Switches, die in Carrier-Netzen zum Einsatz kommen. Der Markt hatte 2005 weltweit ein Volumen von 7,2 Milliarden Dollar; bis 2009 wird er auf mehr als zehn Milliarden Dollar anwachen.

"Alle Service-Provider stellen ihre Netze auf IP um", erläutert Michael Howard, Experte von Infonetics. "Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass dieses Marktsegment ein starkes Wachstum verzeichnet." Davon wird Cisco auch in Zukunft profitieren.

Der zweite Faktor: Cisco nimmt eine führende Rolle bei Voice over IP und bei der Übermittlung von Echtzeitdaten wie Videos über IP-Netze ein. Bei VoIP-Gateways, Softswitches und IP-Multimedia-Subsystemen (IMS), die zunehmend in großen Telekommunikationsnetzen Verwendung finden, hat sich das Unternehmen weltweit mittlerweile auf Platz drei vorgearbeitet, in Europa gar auf Rang eins. Nach Angaben von Synergy Research wuchsen beide Segmente, bezogen auf den Umsatz, in den vergangenen zwölf Monaten weltweit um 51 Prozent. Damit ist Cisco in einem Markt aktiv, der deutlich schneller wächst als andere Bereiche der Telekommunikation.
von Christian Weyer (freier Wirtschafts- und IT-Journalist in München)