Der damals 33 Jahre alte Brite war 1984 in die Schweiz gekommen, um neue Methoden für die Aufzeichnung und Verarbeitung eines neuen Elektronenbeschleunigers zu entwickeln. An dem Institut waren die unterschiedlichsten Computertypen und Dokumentenformate im Einsatz. Mit einem 1988 konzipierten Hypertext-System sollten die Forscher weltweit auf die Ergebnisse ihrer Kollegen zugreifen können sollten.
Doch ohne einen ordentlichen Projektantrag wurden ihm keine Ressourcen für die Ausarbeitung dieses Konzeptes zur Verfügung gestellt. So formulierte Berners-Lee im März 1989 sein Papier, das jedoch mit dem eigentlichen Forschungsauftrag des CERN, der Teilchenphysik, nichts zu tun hatte. "Es gab kein Forum, von dem ich eine Antwort erwarten konnte. Nichts geschah", erinnert sich der Informatiker 1999 in seinem Buch "Der Web-Report". In mühsamer Kleinarbeit versuchte er dann mit seinem Kollegen Robert Cailliau, die Forscher am CERN und Informatiker in aller Welt in persönlichen Gesprächen und langen E-Mails von dem Web-Konzept zu überzeugen.
Das Fundament für das WWW
Der Entwurf für das World Wide Web (WWW) enthielt drei Kernpunkte: Zum einen entwickelte Berners-Lee die "Hypertext Markup Language" (HTML), die beschreibt, wie Seiten mit Hypertextverknüpfungen ("Links") auf unterschiedlichsten Rechnerplattformen formatiert werden. Mit dem "Hypertext Transfer Protocol" (HTTP) definierte er die Sprache, die Computer benützen würden, um über das Internet zu kommunizieren. Außerdem legte er mit dem "Universal Resource Identifier" (URI) das Schema fest, nach dem Dokumentenadressen erstellt und aufgefunden werden können.
Um seine Lobbyarbeit voranzutreiben, richtete Berners-Lee am Weihnachtsabend 1990 auf seinem NeXT-Rechner den Webserver info.cern.ch ein. Für die meisten PC-Nutzer war das Web aber damals unerreichbar. Es fehlten benutzerfreundliche Browser für Personal Computer. Zudem bewegten sich die Netzanwender damals häufig in abgeschotteten Onlinediensten wie CompuServe, AOL oder Btx.
Im April 1993 legte das CERN dann mit einem wichtigen formalen Akt das Fundament für den Erfolg der von Tim Berners-Lee entwickelten Ideen. Das Institut gab das Web für die Öffentlichkeit frei und verzichtete bewusst auf Lizenzzahlungen oder eine Patentierung. Der Siegeszug des WWW Mitte der 90er Jahre fand dann aber außerhalb des CERN statt. Die wichtigste Internet-Gemeinde in den USA stieg mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf den WWW-Zug auf. Der Student Marc Andreessen entwickelte an der University of Illinois den ersten Mosaic-Browser und machte sich später mit Netscape daran, seine Software zur führenden Online-Plattform zu machen. Microsoft-Gründer Bill Gates erkannte 1994 den Trend, rief zur Verfolgungsjagd auf Netscape auf und zettelte den "Browser-Krieg" an.
Tim Berners-Lee ging 1994 in die USA, um am Massachusetts Institute of Technology das World Wide Web Consortium (W3C) zu gründen. In diesem Gremium werden unter seiner Leitung bis heute die technischen Entwicklungen des Web standardisiert. Für seine Verdienste wurde der Brite von Königin Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben und erhielt den Orden "Knight Commander of the Order of the British Empire". 1997 wurde er in den auf nur 24 Personen begrenzten "Order of Merit" aufgenommen.
Ein schwerreicher Mann wie Bill Gates oder Marc Andreessen wurde Berners-Lee jedoch nicht. Wenn der Informatiker gefragt wird, ob er sich ärgert, nicht stärker finanziell von der Entwicklung des Web profitiert zu haben, lautet die Antwort: "Ich hatte bewusste Entscheidungen darüber getroffen, welchen Verlauf mein Leben nehmen sollte. Diese würde ich nicht ändern."
Internet und World Wide Web
Die Begriffe Internet und World Wide Web werden im Sprachgebrauch häufig gleichgesetzt: Doch technisch besteht ein erheblicher Unterschied. Das Internet ist ein weltumspannendes Netz von vielen einzelnen Computer-Netzwerken. Zahlreiche Dienste erwecken diese Infrastruktur erst zum Leben - zum Beispiel E-Mail, Chat, Dateiübertragung oder auch Internet-Telefonie. Einer der bekanntesten Dienste ist das World Wide Web (WWW), das die Übertragung von Webseiten ermöglicht. Zur Anzeige brauchen Nutzer einen Browser wie den Internet Explorer, Mozilla Firefox, Safari oder Opera.
Für alle Dienste sind straffe Standards notwendig. Denn die im Internet verbundenen Rechner sind höchst unterschiedlich: Einige könnten schon im Technik-Museum stehen, andere haben die neueste Ausrüstung an Bord. Auch bei Software und Betriebssystemen ergeben sich riesige Unterschiede. Das WWW bedient sich bei der Übertragung von Seiten des HTTP-Protokolls (Hypertext Transfer Protocol). Für die Programmierung der Web-Seiten wird die Hypertext Markup Language (HTML) eingesetzt. Im Adressfeld des Browsers steht der Uniform Resource Locator (URL), mit dem ein Inhalt im Web aufgefunden werden kann.
Der britische Informatiker Tim Berners-Lee arbeitete damals am CERN, der Großforschungseinrichtung für Teilchenphysik in Genf. Um das Informationschaos an dem Institut zumindest in Grenzen zu halten, wollte Berners-Lee ein umfassendes Informationsnetz einrichten. Doch seine Vorgesetzten konnten sich zunächst nicht für die Ideen des jungen Briten begeistern. "Vage, aber hochinteressant", schrieb sein Chef Mike Sendall auf das Papier, das heute im CERN in einer Glasvitrine quasi als die Geburtsurkunde des World Wide Web ausgestellt wird. Es sollte noch etliche Jahre dauern, bis sich Berners-Lees Thesen weltweit durchsetzten.
Ein Tag im Leben der "Generation Internet"
Duschen, rasieren, Rechner starten. So beginnt für Eric S. ein ganz normaler Tag. Während der Laptop hochfährt, holt sich der 24-Jährige einen Kaffee. Dann gibt es eine doppelte Infusion: Koffein aus der Tasse, Informationen aus dem Netz. Erst liest der Student aus Münster Mails und Nachrichten aus sozialen Netzwerken, dann richtet er den Blick in die weite Welt - mit dem Nachrichtenportal Sueddeutsche.de und der Online-Ausgabe der "Tagesschau" als Video-Clip.
Obwohl Eric gerne Musik macht, mit Freunden ausgeht und die Wochenzeitung "Die Zeit" liest, ist er ein typischer Vertreter der "Generation Internet": geboren nach 1980 und aufgewachsen mit dem PC, Mitglied von StudiVZ und regelmäßiger Besucher von Google und Wikipedia. Ein Tag im Leben des Studenten macht deutlich, welche Veränderungen das Internet gebracht hat, seit Tim Berners-Lee vor 20 Jahren am Forschungszentrum CERN in Genf die Grundlagen fürs World Wide Web schuf - und was noch kommen könnte.
Am Vormittag bereitet Eric ein Referat vor: "Literarischer Darwinismus". Das geht bequem von zu Hause aus. Einen Überblick verschafft sich der Amerikanistik-Student bei Wikipedia und Google, dann ruft er über den Browser den Katalog der Bibliothek ab und reserviert wichtige Bücher. Um diese abzuholen, muss er allerdings zur Uni fahren. Auf dem Videoportal YouTube sucht er nach einem Clip, in denen sich Vertreter der Strömung äußern leider ist diesmal nichts dabei für die Powerpoint-Präsentation.
Ob Blogs oder Bibliothekenkataloge, aktuelle Meldungen oder Historisches - online sind so viele Informationen verfügbar wie nie zuvor. Die Menge gleicht einem riesigen Wissens-Ozean, doch die junge Generation surft nur auf den Wellen. "Sie suchen recht oberflächlich und breit nach Informationen und gehen dann punktuell in die Tiefe, wenn ein Thema interessant ist", berichtet Urs Gasser, der an der US-Universität in Harvard das Zentrum für Internetforschung leitet. Klassische Medien, in denen Inhalte strukturiert aufbereitet sind, spielten dabei eine immer geringere Rolle, sagt der Schweizer.
Wissen aus dem Internet hat für viele Jugendliche heute auch die selbe Glaubwürdigkeit wie früher die Informationen aus der Zeitung. Medienforscher Gasser hält das für problematisch: "Das Qualitätsbewusstsein ist bei jungen Leuten wenig ausgeprägt." Als glaubwürdig wird empfunden, was andere empfehlen - selbstständig bewerten, ob Inhalte wahr oder vollständig sind, könnten viele nicht.
An der Uni macht Eric eine Internet-Pause. Doch nach dem Mensa-Essen läuft der Rechner wieder. Online-Radiosender bringen die Foo Fighters und Rage Against The Machine ins Zimmer. Nebenbei stimmt er mit Studienkollegen aus seinem Projekt-Seminar einen Termin fürs nächste Treffen ab, ein geschlossenes Forum ersetzt die Diskussion. Zwischendurch macht der Münsteraner den Rechner aber aus. "Ich kann effektiver arbeiten, wenn nicht immer wieder eine Mail reinkommt."
Viele Kanäle, viele Kontakte: "Die Generation Internet ist hochgradig vernetzt", sagt Urs Gasser. Treffen organisieren, gegen die neuen Geschäftsbedingungen von StudiVZ protestieren oder einfach Spaß haben - all das geschieht immer öfter online in Gruppen oder Foren. Unter den Jüngeren habe die E-Mail ihre Bedeutung als Kommunikationsmedium Nummer eins verloren, betont Gasser. Man unterhält sich über Online-Netzwerke oder Chats.
Eric ist in zwei sozialen Netzwerken aktiv. Im StudiVZ zeigt er seine lockere Seite: Auf dem Profilfoto lacht er, und vor einiger Zeit hat er eine Spaßgruppe gegründet: "Im Playboy stehen auch super Artikel". Auf der Plattform einer Studienstiftung ist die seriöse Seite des Stipendiaten zu sehen, ein schickes Bewerbungsfoto inklusive. "Manchmal trägt man einen Anzug, manchmal Jeans", sagt der Student. "Du bleibst trotzdem Du." Viel Privates gebe er aber in keinem Netzwerk preis, noch nicht einmal die Adresse.
Eine solche Einstellung ist aber wenig verbreitet. "Die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem wird verwischt", sagt Gasser. Gerade Jugendliche machten sich keine Gedanken, was es langfristig bedeutet, Hobbys, Fotos oder die Adresse ins Netz zu stellen. "Die Datenspuren geben ein beständiges Bild ab, selbst wenn ich den Wohnort wechsle."
Am Abend trifft sich Eric mit Freunden in der Kneipe. Das Internet ist dabei, ein modernes Smartphone macht's möglich. "Ich nutze das aber nur spärlich", sagt er. Ab und zu suche er einen Zug heraus oder sehe nach, ob eine wichtige Mail angekommen ist. Ansonsten zählt das direkte Gespräch. Die nächste Info-Infusion kann eine Nacht warten.
Vom ARPANET zum Web 2.0 - Die Geschichte des Internet
Vor 20 Jahren legte der britische Informatiker Tim Berners-Lee die Grundlagen für das World Wide Web. Die Vernetzung von Computern begann allerdings schon in den 1960er Jahren:
-
1969: Vernetzung mehrerer amerikanischer Forschungseinrichtungen zum ARPANET.
-
1971: US-Informatiker Ray Tomlinson verschickt die erste E-Mail über das ARPANET und entwickelt ein Jahr später das erste Mail-Programm .
-
1981: IBM stellt mit dem Personal Computer 5150 den ersten PC vor.
-
1981: 213 Rechner sind im ARPANET.
-
1983: Das Netzwerkprotokoll TCP/IP wird zum Standard es identifiziert die Rechner im Netzwerk. Der amerikanische Doktorand Fred Cohen programmiert den ersten Computervirus.
-
1985: 2000 Rechner sind online.
-
1989: Tim Berners-Lee entwickelt am CERN in Genf die technischen Standards des World Wide Web.
-
1990: 313 000 Rechner sind online.
-
1993: Der erste grafikfähige Browser namens Mosaic öffnet das Internet auch für Laien; die Forschungseinrichtung CERN gibt die Nutzung des World Wide Web für die Öffentlichkeit frei.
-
1995: Die Telekom benennt ihren Online-Dienst Btx in T-Online um. 6,6 Millionen Rechner sind im Internet.
-
1998: Larry Page und Sergej Brin gründen Google Inc., 36,7 Millionen sind Rechner im Internet.
-
1999: 43 Millionen Rechner sind im Internet.
-
2001: Gründung der "freien Enzyklopädie" Wikipedia. 110 Millionen Rechner sind im Internet.
-
2003: Gründung von Skype, einem Dienst für Internet-Telefonie. 171,6 Millionen Rechner sind online.
-
2004: Facebook geht an den Start, StudiVZ folgt ein Jahr später.
-
2005: Tim O'Reilly prägt Begriff Web 2.0, Gründung von YouTube.
-
2006: 395 Millionen Rechner sind online.
-
2007: Apple bringt das erste iPhone heraus, mit dem das mobile Internet immer populärer wird.
-
2009: 625 Millionen Rechner sind online.
(dpa/tc)