Cloud Computing und Supercomputer

"Die Clouds sind nicht interoperabel"

02.06.2009 von Wolfgang Herrmann
Dieter Kranzlmüller, Spezialist für Supercomputing an der Ludwig-Maximilians-Universität München, warnt vor den Risiken des Cloud-Computing-Konzepts.

CW: Auf der diesjährigen International Supercomputing Conference (ISC '09) steht auch das Thema Cloud Computing auf der Agenda. Große Cloud-Anbieter wie Amazon oder Google nutzen für ihre IT-Infrastruktur aber nicht mächtige zentrale Server sondern eine Vielzahl standardisierter x86-Rechner. Werden die klassischen Supercomputer im Cloud-Zeitalter zum Auslaufmodell?

Zwischen den Clouds der diversen Anbieter gibt es derzeit praktisch keine Interoperabilität, sagt Dieter Kranzlmüller vom Institut für Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Kranzlmüller: Diese Frage lässt sich durch eine Klassifizierung der Anwendungen beantworten: Hochleistungsrechneranwendungen können treffend in einem dreidimensionalen Raum klassifiziert werden, dessen Dimensionen Rechenleistung, Datenvolumen und Kommunikationsintensität sind. Die verschiedenen Systemarchitekturen für Supercomputing sind meist in einer der drei Dimensionen optimal und bieten Kompromisse bezüglich der zwei anderen Dimensionen. Clouds bieten anpassbare Rechenleistung und gegebenenfalls großen Speicher bei geringer Kommunikationsleistung. Die Superrechner auf den obersten Plätzen der TOP 500 bieten dagegen meist eine spezielle Verbindungslösung mit hoher Kommunikationskapazität. Die Grenzen zwischen diesen Systemen geraten aber zunehmend in Bewegung.

CW: In welchen Bereichen sollten Unternehmen x86-Server-Farmen gegenüber herkömmlichen Supercomputern bevorzugen?

Kranzlmüller: Grundsätzlich hängt die Einsatzmöglichkeit einer Cloud natürlich von der Anwendung ab. Wenn es dabei um lineare Prozessabläufe und unabhängige, vergleichsweise kleinere Datenmengen geht, dann kann eine Cloud durchaus sinnvoll eingesetzt werden. Bei großem Speicherbedarf oder eng gekoppelten, parallelen Prozessen mit entsprechend großen I/O-Anforderungen sind Clouds im Vergleich zum Supercomputer oft unbrauchbar.

Der Nutzen von Cloud Computing

CW: Welches sind die wichtigsten Nutzenpotenziale von Cloud Computing in der Unternehmens-IT?

Kranzlmüller: Die wichtigsten Aspekte von Cloud Computing sind die On-Demand-Nutzung der Ressourcen, die Skalierbarkeit ("scale as you grow") und das verbrauchsabhängige Zahlungsverfahren ("pay per use"). Das Cloud Computing bietet ein Geschäftsmodell, mit dem ohne größere Hürden Computerressourcen "eingekauft" werden können. Die Infrastruktur kann beliebig vergrößert oder zum Beispiel im Zusammenhang mit der Finanzkrise auch verkleinert werden, um sich der momentanen Nutzung anzupassen.

CW: Wie interoperabel sind die diversen Clouds der großen Anbieter?

Kranzlmüller: Derzeit gibt es praktisch keine Interoperabilität zwischen den Clouds. Die Cloud Anbieter verfolgen, ähnlich wie zu Beginn des Grid Computing, ein "Customer Lock-In": Wenn man sich für eine Cloud entschieden hat, ist ein späterer Wechsel sehr schwierig. Aber auch in diesem Bereich gibt es Bewegung, da die Benutzer von standardisierten und interoperablen Cloud-Angeboten profitieren und entsprechend darauf drängen. So wird etwa im Open Grid Forum (OGF) über eine offene Cloud API diskutiert.

Was CIOs beachten müssen

CW: Auf welche Herausforderungen müssen sich Unternehmen einstellen, wenn sie Cloud-Services von den großen Playern beziehen?

Kranzlmüller: Die wesentlichen Herausforderungen für den Einsatz von Clouds sind die fehlenden Service-Level-Agreements (SLAs) sowie das mögliche Sicherheitsrisiko. Man muss dem Cloud Anbieter beziehungsweise dessen Sicherheitsinfrastruktur vertrauen und hat kaum Möglichkeiten, Sicherheitsgarantieren darüber zu erhalten. Zusätzlich muss man häufig eine dedizierte "Brücke" zwischen den Daten im Unternehmen und den Daten in der Cloud implementieren, damit der Austausch in beiden Richtungen überhaupt durchgeführt werden kann.

Risiken in der Cloud

CW: Von welchen Cloud-Angeboten würden Sie heute noch abraten?

Kranzlmüller: Solange die oben genannten Herausforderungen nicht gemeistert sind, ist Cloud Computing nur unter Einschränkungen zum Beispiel im privaten oder nicht sicherheitskritischen Bereich für entsprechende Anwendungen einsetzbar. Es ist aber zu erwarten, dass einige der heutigen Probleme in naher Zukunft gelöst werden, wodurch die Cloud für weitere Nutzergruppen relevant werden könnte.

CW: Anbieter wie IBM propagieren das Konzept der privaten Clouds, also IT-Pools im eigenen Unternehmen. Warum sollten Organisationen eine eigene Cloud-Infrastruktur aufbauen, wenn sie IT-Services auch bequem von einem Dienstleister beziehen können?

Kranzlmüller: Grundsätzlich können die Vorzüge der externen Clouds natürlich auch auf interne Clouds übertragen werden, beispielsweise die Flexibilität bei der Ressourcenverwendung und die Unabhängigkeit von bestimmten Betriebssystemen. Diese Flexibilität und die Möglichkeiten, mittels Cloud oder Virtualisierung eine effizientere Ressourcenplanung und -nutzung zu erreichen, wirken sich oft auch positiv auf die Kosten aus.

CW: Was brauchen Unternehmen, wenn Sie eine eigene Cloud-Infrastruktur einführen wollen?

Kranzlmüller: Grundlage für die Nutzung einer Cloud ist ein Verständnis für die eigenen IT Prozesse, sowie eine Kenntnis der Risiken, die mit einer Auslagerung der IT verbunden sind. Wenn dann die entsprechenden Netzkapazitäten vorhanden sind, und Anwendungen identifiziert wurden, die sich in der Cloud abbilden lassen, dann steht einer eigenen Cloud Infrastruktur nicht mehr viel im Weg.

CW: Welche technischen Hürden stehen dem Cloud-Konzept heute noch im Weg?

Kranzlmüller: In vielen Fällen fehlt die notwendige Bandbreite, um die Daten on demand in die Cloud und aus der Cloud heraus zu bekommen. Wenn diese vorhanden ist, wird unbedingt ein Security-Konzept für die Datenstrukturen benötigt, um zu unterscheiden, welche man in die Cloud auslagern kann und welche nicht. Grundsätzlich ist auch festzustellen, dass eine Optimierung der Anwendungen oder das Aufspüren von Bottlenecks in der Cloud schwieriger ist, da man die darunter liegende Infrastruktur nicht kennt.