Die DB Telematik macht mobil

15.04.2003 von Katharina Friedmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Deutsche-Bahn-Dienstleister DB Telematik hat seinem Service-Management Beine gemacht: Um die Auftragsabwicklung zu verbessern, wurden die 1800 Techniker des Unternehmens mit Smartphones ausgestattet und via Funk an das zentrale SAP-R/3-System angebunden.

Foto: Nokia

Die DB Telematik wickelt rund 750.000 Wartungs-, Service- und Entstöraufträge pro Jahr ab. Die umfangreiche Serviceorganisation des Eschborner Unternehmens, die sich bundesweit in neun Regionen unterteilt, beschäftigt etwa 1800 Techniker in 78 Bezirken. Um den mit der streckenweise noch papiergebundenen Auftragsabwicklung einhergehenden Zeit- und Kostenaufwand zu reduzieren und den Gesamtprozess zu straffen, entschloss sich der Dienstleister im vergangenen Jahr, sein Service-Management - von der Auftragserteilung über die Leistungserfassung bis hin zur Rückmeldung - zu modernisieren.

Bislang erhielten die Außendienstler der DB Telematik ihre Aufträge per Fax. Die personalisierten, um Detailinformationen angereicherten Auftragsdaten wurden von den jeweiligen Bezirksdisponenten aus dem betrieblichen SAP-System heraus über einen Fax-Server an Umschlagpunkte geschickt. Von diesen Stützpunkten holten sich die Servicetechniker im Wochenrhythmus die Papiere für die ihnen zugewiesenen Aufträge ab. Waren sie mit den Aufgaben fertig, hatten die Außendienstler Angaben etwa zu Reise- und Arbeitszeit, Arbeitsergebnis und -status sowie Verbrauchsmaterial in ein Rückmeldeformular einzutragen und dieses zum Stützpunkt zurückzubringen - damit es von dort wieder in die einzelnen Regionalbüros transportiert werden konnte. „Hier stapelte sich dann erst einmal das Papier auf dem Schreibtisch, bis die Informationen aus den einzelnen Rückmeldescheinen schließlich per Hand wieder in das

SAP-System eingepflegt wurden“, schildert Klaus Marin, DB-Telematik-Mitarbeiter im Bereich Betriebsplanung und Leiter des Projekts „Mobile Technikeranbindung“, das aufwändige Prozedere.

Steckbrief

Ziel: Optimierung der Auftragsabwicklung durch mobile Technikeranbindung an das zentrale SAP-R/3-System.

Unternehmen: Telekommunikations- und Telematik-Dienstleister.

Herausforderung: Programmierumgebung auf dem Smartphone.

Zeitrahmen: Mai 2002 bis April 2003.

Aufwand: „Verglichen mit dem Einsparpotenzial relativ gering“.

Ergebnis: Einsparungen von jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Drastische Beschleunigung der Auftragsabwicklung.

Stand heute: Projekt abgeschlossen.

Basis: Middleware Skyware und Mobile-Service-Management-Applikation von Condat, Smartphone Nokia Communicator 9210i.

Realisierung: In Eigenleistung mit Unterstützung von Autinform und Condat.

Besonderheiten: Gehört zu den ersten realen Mobile-Business-Anwendungen in diesem Umfang in Deutschland (1800 Servicetechniker).

Zu den kostentreibenden Faktoren der bisherigen Verfahrensweise zählten neben Extra-Fahrzeiten bei der Abholung der Auftragspapiere sowie dem Einpflegen der Rückmeldungen unnötig lange Durchlaufzeiten, bis ein Auftrag als „erledigt“ im SAP-System hinterlegt werden konnte, wodurch sich die Leistungsverrechnung beim Kunden verzögerte. Zudem erschwerte die zeitversetzte manuelle Eingabe der Rückmeldungsdaten ins R/3-System die Disposition der einzelnen Techniker. Darüber hinaus barg die umständliche doppelte Datenerfassung - einmal auf Papier und einmal im DV-System - die Gefahr von Übertragungsfehlern und Datenverlusten. „So ein Zettel kann ja auch mal abhanden kommen“, erläutert Marin.

Mobile Technikeranbindung

Um die Effizienz des hauseigenen Service-Managements zu steigern und damit künftigen Anforderungen gerecht zu werden, hat die DB Telematik Anfang Mai 2002 gemeinsam mit dem Wiesbadener Consulting- und Dienstleistungsunternehmen Autinform das Projekt „Mobile Technikeranbindung“ aufgesetzt. Sein primäres Ziel war es, die Abläufe zu beschleunigen und ein geeignetes Endgerät einzuführen. Abgesehen von der Beseitigung des lästigen und teuren Medienbruchs sollten bestehende Abläufe und übergreifende Prozesse dabei weitgehend unverändert bleiben.

Für die 1800 Techniker der DB Telematik sind die Mühen papiergebundener Auftragsabwicklung sowie zeitraubender Fahrten zum Stützpunkt mittlerweile Vergangenheit: Ausgestattet mit einem Nokia-Smartphone, empfangen sie ihre Aufträge heute via Mobilfunk aus dem zentralen SAP-R/3-System und senden nach deren Erledigung alle für den Auftragsabschluss erforderlichen Informationen direkt dorthin zurück - unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort. Mit Hilfe der neuen Lösung werden die in R/3 vorhandenen Auftragsinformationen für eine anwenderspezifisch optimierte Darstellung verdichtet, so dass der Außendienstler nur das sieht und übermittelt bekommt, was er tatsächlich benötigt.

Die technische Basis

Als Softwarebasis für die neue Lösung wählte DB Telematik die Mobile-Business-Plattform „Skyware“ der Berliner Condat AG. Dabei handelt es sich um eine Middleware für die Anbindung von Backend-Systemen mit beliebigen mobilen Endgeräten. Vom Einsatz der SAP-eigenen „Mobile Engine“ als Plattform sah der Dienstleister der Deutschen Bahn ab. „Unser Ziel war es, unabhängig zu bleiben und nicht alles auf SAP zu setzen“, erklärt Projektleiter Marin die Entscheidung. Zum einen sei das SAP-Modul zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ganz ausgereift gewesen, zum anderen habe die DB Telematik eine Plattform gewollt, die auf Java aufsetzt und keine proprietären Protokolle nutzt. So hoffte das Unternehmen, sich bei der Erstellung der mobilen Applikation größtmögliche Flexibilität zu bewahren.

Das Unternehmen Die DB Telematik ist verantwortlich für Strategie, Planung, Realisierung, Betrieb und Service der Telekommunikations- und Telematiklösungen der Deutsche Bahn AG. Darüber hinaus fungiert die Servicegesellschaft mit Hauptsitz in Eschborn als Dienstleister für andere Großunternehmen insbesondere aus der Transport- und Verkehrsbranche. Zu den Geschäftsfeldern der DB Telematik zählen neben dem Management bahneigener und gemieteter Übertragungswege der Betrieb und die Vermarktung von Festnetz- und Mobildiensten sowie Serviceleistungen rund um die Telekommunikation.

Die modular aufgebaute Middleware Skyware ist unabhängig von Betriebssystemen und Datenformaten und unterstützt sowohl Online- als auch Offline-Anwendungen, die sich auf Basis einer einheitlichen Dienst-Definition automatisch generieren lassen. Im Online-Szenario arbeitet der Nutzer mit seinem mobilen Endgerät über eine Funkverbindung direkt im betrieblichen IT-System, während er offline seine Daten lediglich periodisch oder bei Bedarf via Mobilfunk synchronisiert und außerhalb des Netzes bearbeitet.

Bei der DB Telematik ist die Offline-Synchronisationslösung im Einsatz. Dabei befindet sich die Applikation, sprich: der speziell an das Smartphone angepasste „Service-Management-Client“, lokal auf dem Endgerät und läuft demnach auch unabhängig von der Verbindung zum Netz oder zum Skyware-Server. Letzterer ist über SAPs „Business Connector“ an das R/3-Modul Customer Service (CS) angebunden. Eine Verbindung benötigt der Servicetechniker lediglich, um Daten über den Skyware-Server aus dem SAP-System anzufordern oder wieder zurückzuspielen.

Der mobile Arbeitsgefährte

In Sachen Hardware entschied sich DB Telematik zugunsten von Nokias „Communicator 9210i“. Für das Smartphone des finnischen Herstellers sprach laut Marin das verhältnismäßig große Display, das wenig Scroll-Vorgänge erfordert, sowie die integrierte Tastatur als Alternative zur rein stiftbasierenden Eingabe anderer mobiler Produkte. Vorteilhaft sei zudem der großzügige Arbeitsspeicher des Communicator sowie dessen Betriebssystem Symbian, das durch seine Java-Basis hinsichtlich der Programmierung mehr Flexibilität biete.

Das mit der neuen Lösung verbundene Einsparpotenzial beziffert Marin mit jährlich rund 1,5 Millionen Euro. Diese verteilen sich nach Angaben des Projektleiters auf die bisherigen Ausgaben für Fahrten zu den Stützpunkten, den Betrieb der zuvor benötigten Fax-Server, Energie und Verbrauchsmaterialien wie Papier, Farbbänder und Patronen. Zum finanziellen Gesamtaufwand des Projekts „Mobile Technikeranbindung“ wollte das Unternehmen keine konkreten Angaben machen. Verglichen mit dem Einsparpotenzial, so Marin, seien die Anschaffungskosten jedoch relativ niedrig gewesen.

Darüber hinaus hat das Service-Management der DB Telematik durch die neue Flexibilität seiner Außendienstler einiges an Dynamik gewonnen: Nach einem Vergleich zwischen Regionen, die an einer Pilotphase teilgenommen hatten, und denen, die noch nach dem alten Verfahren arbeiteten, gingen - bei einem vergleichbaren Auftragsvolumen - 90 Prozent der Rückmeldungen innerhalb eines Tages im SAP-System ein. Die konventionell ausgestatteten Regionen hingegen benötigten für diese 90 Prozent laut Martin 14 Tage.

Zeitplan eingehalten

Seit April 2003 sind sämtliche Servicebezirke des Deutsche-Bahn-Dienstleisters in das neue Service-Management eingebunden. „Damit haben wir das von der Geschäftsführung vorgegebene Ziel, den Rollout im ersten Quartal 2003 umzusetzen, erfüllt“, freut sich Marin:

„Knapp sechs Wochen nach Beginn des Projekts sind wir bereits mit 250 Technikern produktiv gegangen.“ In den darauf folgenden Monaten habe sein Team anhand erster Erfahrungen der im Feldtest befindlichen Außendienstler noch rund 30 Verbesserungen - etwa Modifikationen an Übersichten oder Ansichtfenstern - aufgenommen und in die Applikation eingebracht. Ernsthafte Stolpersteine in technischer Hinsicht habe es kaum gegeben. Anfängliche Schwierigkeiten bereiteten den Projektbeteiligten jedoch Lücken im Speicher-Management des Nokia Communicator.

Auch für Lösungspartner Condat stellte die Entwicklungsumgebung auf dem Smartphone zunächst eine Herausforderung dar. „Zwar konnten wir dort in Java programmieren - es liegen allerdings Welten zwischen dem, was man auf einem PC und einem Smartphone machen kann“, so Alexander Wassiltschenko, Leiter Mobile Applikationen bei Condat. Man habe so schonend wie möglich mit den Ressourcen Prozessorleistung und Speicher umgehen müssen. „Ansonsten stürzt einem die Anwendung ab“, so Wassiltschenko. Die einfachste Lösung für das Speicherproblem des Nokia Communicator - ein entsprechendes Patching bei Symbian - kam laut Projektleiter Marin angesichts der damit verbundenen Zusatzkosten von rund 100.000 Euro nicht in Frage. Also wurde die Applikation noch einmal gründlich überarbeitet und das zu übertragende Datenvolumen auf für das Smartphone leichter verdauliche 70 Prozent des ursprünglichen Umfangs reduziert.

Hohe Mitarbeiterakzeptanz

Als größte Herausforderung erwies sich nach Ansicht von Marin jedoch weniger die Technik als vielmehr die Aufgabe, die Mitarbeiter von den Vorteilen der Mobillösung zu überzeugen. „Anfangs hat es gewisse Vorbehalte gegen die Nutzung der Geräte gegeben“, erinnert sich der Projektleiter. So galt es zunächst, den Technikern zu vermitteln, dass es sich bei der Aktion nicht etwa um die Einführung eines Instruments zur Leistungskontrolle handelte, sondern um eine Arbeitserleichterung. Bereits nach Ablauf der Pilotphase Ende Oktober 2002 hätten die Mitarbeiter jedoch eine sehr hohe Akzeptanz gezeigt.

„Heute würde ich die Kollegen allerdings zu einem etwas früheren Zeitpunkt in das Projekt einbinden“, räumt Marin im Nachhinein ein. So nämlich könnten die tatsächlichen Anforderungen bereits in die laufenden Aktivitäten rund um das Pflichtenheft einfließen. „Damit lassen sich die einzelnen Projektphasen besser definieren und gemäß dem eigenen Aktionsplan effektiver erledigen.“

Die technischen Details Bei der Synchronisation auf dem Nokia Communicator baut die Smartphone-Anwendung über das Funknetz selbständig eine Verbindung zum "Skyware"-Server auf, der daraufhin mittels Benutzererkennung die anstehenden Aufträge abruft. Dabei wird ein verschlüsselter HTTP-Request abgesetzt, der die Nutzdaten - etwa die User-Erkennung - im komprimierten XML-Format enthält.

Der Skyware-Server entschlüsselt und dekomprimiert die übertragenen Daten und veranlasst die Zusammenstellung der angefragten Auftragsdaten auf dem SAP-Server. Hierbei versendet die Middleware Requests etwa zu Equipment, Materiallisten oder Zeitplänen via HTTP/XML an den "SAP Business Connector", der wiederum die Antwort zu jeder einzelnen Anfrage aus dem R/3-System liefert, da er einen HTTP/XML-basierenden Zugriff auf SAP-Funktionen und -Daten ermöglicht. Die Requests vom Skyware-Server setzt er in Funktionsaufrufe (Remote Function Calls = RFCs) um, die dann direkt Funktionsbausteine im SAP-System aktivieren.

Die Ergebnisse der Funktionsaufrufe liefert der Business Connector als HTTP/XML-Files an den Skyware-Server zurück. Dieser aggregiert die Ergebnisdaten von mehreren Funktionsaufrufen, komprimiert und verschlüsselt sie, um sie anschließend via Funknetz an die Nokia-Smartphones zu senden, wo sie lokal gespeichert werden. Anschließend baut die Anwendung die Netzverbindung ab, die Daten stehen dann lokal und netz-unabhängig zur Verfügung. Nach Erledigung eines Auftrags trägt der Techniker die erbrachten Leistungen in die elektronischen Formulare auf seinem Smartphone ein. Die Anwendung arbeitet mit vier Leistungskriterien: Reisezeit, gefahrene Kilometer, Arbeitszeit und Materialverbrauch. Dabei werden die Daten direkt auf Konsistenz und Plausibilität geprüft. Der Weg der Daten verläuft genau umgekehrt wie beim Empfang der Aufträge aus dem SAP-System. Sollten beim Verbuchen der Daten im SAP-System Fehler auftreten, so verbleiben die Daten auf dem mobilen

Gerät. Erst wenn die Rückmeldetransaktion erfolgreich war, löscht die mobile Anwendung die Rückmeldedaten. Im Fehlerfall erhält der Techniker eine Meldung aus dem SAP-System, kann die Daten daraufhin auf dem Communicator korrigieren und erneut zurückmelden. Wenn der Techniker einen Auftrag als "final" zurückmeldet, wird dieser nach der Synchronisation auf dem Endgerät komplett gelöscht.