DB Systel schaffte Führungskräfte ab

Die Entwicklung einer agilen Netzwerkorganisation

05.11.2020 von Andrea König
DB Systel stellt sich als dezentrale Netzwerkorganisation auf, die Selbstorganisation und Eigenverantwortung fördert und fordert. Die Folge: Führungskräfte benötigt das Unternehmen nicht mehr.
Christa Koenen, CIO der Deutschen Bahn AG und Vorsitzende der Geschäftsführung der DB Systel GmbH: "Um auf die sich schnell ändernden Kundenbedarfe und Technologien besser und mit der nötigen Geschwindigkeit reagieren zu können, stellen wir uns als dezentrale Netzwerkorganisation auf, die Selbstorganisation und Eigenverantwortung fördert und fordert."
Foto: DB Systel

Die DB Systel GmbH ist der IT-Dienstleister der Deutschen Bahn und ihrer Gesellschaften. Der Fokus der DB Systel lag auf der Weiterentwicklung und dem Betrieb von etwa 650 IT-Anwendungen für den Konzern. Das Selbstverständnis, aber auch die Wahrnehmung der DB Systel im Konzern, war nach eigenen Angaben vor einigen Jahren noch die eines klassischen IT-Dienstleisters und IT-Providers. In den Jahren 2014 und 2015 wurde das Unternehmen nicht als Treiber für Innovation oder Enabler für die Digitalisierung der Deutschen Bahn wahrgenommen.

Diese Erkenntnis führte dazu, dass die DB Systel in ihrer damaligen Form weitreichende Veränderungen vornahm. Wie genau diese Veränderungen aussehen, zeigt die Bewerbung zum DIGITAL LEADER AWARD 2020. Unter der neuen Geschäftsführung initiierte das Unternehmen ein Strategieprogramm namens "Code Zukunft", das in der Kategorie "CULTURE" mit dem dritten Platz ausgezeichnet wurde.

Das Programm stellte beispielsweise die Unternehmensaspekte Portfolio, Geschäftsmodelle, Operating Model, Kommunikation, Internationalisierung und Innovation auf den Prüfstand und führte zu maßgeblichen Veränderungen. Ein wesentliches Ziel der Veränderung war und ist es, die Haltung, Kultur und das Führungsverständnis in der DB Systel zu verändern.

Ebenso sollten die Kultur, Haltung und Handlungen der Mitarbeiter so verändert werden, dass sie Selbstorganisation und Eigenverantwortung leben. Dafür werden Hierarchien aufgelöst und jedem Mitarbeiter Aufgaben einer klassischen Führungskraft übertragen. 5.000 Mitarbeitern und Führungskräften wird im Zuge der Transformation ein neues Rollenmodell vermittelt. Um Geschwindigkeit und Flexibilität zu fördern, löst das Unternehmen zudem die klassische Bereichsstruktur auf und etabliert eine neue agile Netzwerkorganisation aus 550 agilen Teams.

Veränderungsprogramm Bottom-Up

Besonders an der Transformation von DB Systel ist die Art und Weise der Umsetzung des Strategieprogramms. Die elf definierten Handlungsfelder wurden für die gesamte Organisation geöffnet, mit dem Aufruf sich zu beteiligen und die Inhalte und Ergebnisse mitzugestalten. Zu Hochzeiten des Programms waren etwa 600 von damals 3.300 Mitarbeitern im Veränderungsprozess aktiv involviert. Damit setzte der DB-Systel-Weg auf Bottom-Up: Die Mitarbeiter merkten, dass sie bei der Ausrichtung der DB Systel mitentscheiden und etwas bewirken konnten.

Eine wichtige Erkenntnis für Mitarbeiter und das Top-Management lag darin, dass unkonventionelle Herangehensweisen funktionieren können und am Ende bessere Ergebnisse als die konventionelle Durchführung von Strategieprogrammen bringen. Das Unternehmen übertrug Verantwortung weg von der Führungskraft hin zu jedem Einzelnen, schaffte die klassische Führungskraft ab und teilte sie auf drei Führungsrollen auf. Parallel fiel der Entschluss, das gesamte Rechenzentrum zu verkaufen und alle 650 Anwendungen in die Cloud zu migrieren. Das Cloud-Geschäft wurde von Grund auf aufgebaut, dabei wurde direkt mit neuen Rollen, Selbstorganisation und dem Team-Ansatz gearbeitet.

DB Systel flankiert den Wandel durch einen strukturierten Prozess mit drei Quality Gates, in denen der Reifegrad der Teams evaluiert und Handlungsfelder zur Weiterentwicklung identifiziert werden. Mitarbeiter gründen selbstorganisiert Teams und melden sich zum sogenannten Trafo-Prozess an. Mit der Anmeldung lösen sie sich aus der klassischen Hierarchie heraus und begeben sich in die Übergangsphase des Trafo-Prozesses. Im Prozess muss das Team sein Leistungsportfolio festlegen, Kunden überzeugen, einen Business Case aufstellen und lernen, selbstorganisiert und agil zu arbeiten.

Arne Albrecht ist Product Owner agile Unternehmenstransformation bei DB Systel: "Kultur und Haltung im Unternehmen nachhaltig zu verändern, sind die Messkriterien einer gelungenen Transformation."
Foto: DB Systel

Ein Team durchschreitet in durchschnittlich 16 Monaten den Trafo-Prozess. Im letzten Quality Gate ist auch die Geschäftsführung beteiligt. Am Ende des Prozesses steht die formale Versetzung der Mitarbeiter in die neue Organisation. Dort sammeln sich Teams, die den gesamten Prozess durchlaufen haben. Ihnen steht es frei, mit anderen Teams Einheiten zu bilden, etwa zu ähnlichen Produkten oder Kunden. Auf diese Weise entsteht schrittweise eine neue Organisation, in die die Teams und Mitarbeiter nach und nach mit ihren fachlichen Themen übergehen. So gestaltet DB Systel einen begleitenden Veränderungsprozess, der auf eigenständige Erfahrung setzt, statt zu verordnen.

Führungskraft abgeschafft und auf 3 Führungsrollen aufgeteilt

Wie lässt sich die Veränderung einer Unternehmenskultur messen? DB Systel nennt unter anderem folgende Beobachtungspunkte, um die Veränderung im Unternehmen zu bewerten:

3 Rollen

Die klassische Führungskraft hat DB Systel abgeschafft und auf drei Führungsrollen aufgeteilt:
1. der Product Owner (PO), 2. den Agility Master (AM) und 3. das Umsetzungsteam (UT).
Alle drei Rollen beinhalten Führungsaufgaben des klassischen Managements, beispielsweise die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit des Teams (PO=, die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Teams (AM) oder sie bilden die Kundenschnittstelle für Eskalationen (UT).