Outsourcing on Demand

Die Mär von variablen Kosten

09.03.2010 von Gerrit-Leonhard  Stein
Bedarfsgerechte Outsourcing-Dienste stoßen an ihre Grenzen, wenn der Kunde weniger Leistungen abnehmen möchte.
Quelle: Ch. Mayr/Fotolia
Foto: Ch. Mayr/Fotolia

IT-Manager stehen unter enormem Kostendruck. Einsparungen ohne Eingriffe in die Systeme, Anwendungen und Services sind kaum möglich. Werden Leistungen zurückgefahren und Infrastruktur abgebaut, wächst das Risiko, dass die IT bei anziehendem Auftragseingang nicht schnell genug reagieren kann.

Was die Anbieter versprechen ….

Dieses Dilemma der Anwender haben viele IT-Service-Provider erkannt. Sie bieten ihre IT-Dienstleistungen unter dem Stichwort "Variabilisierung der IT-Kosten" oder "Service on Demand" an. Damit, so das Versprechen, können Kunden IT-Leistung nach aktuellem Bedarf beziehen. Sie bezahlen nur für die tatsächlich abgenommenen Services und Volumina, gleichgültig, ob die Nachfrage sinkt oder steigt oder ob die Kunden lediglich Lastspitzen abdecken wollen. Die Anwender sparen sich in diesem Modell IT-Investitionen und Fixkosten. Die Anbieter bieten ihnen sozusagen Flexibilität ohne Risiko.

Sparen im Blindflug
Sparen im Blindflug
Unternehmen lagern aus, um zu sparen, scheuen aber die notwendigen Veränderungen. Das Outsourcing soll kurzfristig Kosten senken, doch einer Erhebung des Beratungshauses PA Consulting Group zufolge geht bei vielen Unternehmen die Rechnung nicht auf.<br/><br/> Auf den folgenden Seiten finden Sie die Ergebnisse der Umfrage.
Interne Kosten
Die Kosten für den externen Bezug sind in der Regeln vertraglich geregelt. Die weiterhin anfallenden internen Kosten kennen viele Unternehmen jedoch nicht.
Reaktion auf die Krise
In Krisenzeiten wollen Unternehmen mehr auslagern. Zudem planen sie, ihre laufenden Verträge neu zu verhandeln.
Trend zum Multi-Sourcing
Das Multi-Sourcing bleibt die Einkaufsstrategie der Wahl für die meisten Unternehmen.
Risiken des Multi-Sourcing
Die Schattenseite des Multi-Sourcing ist die aufwendige Provider-Steuerung. Im Management und in der Integration der externen Dienstleister sehen die Formen die größte Herausforderung.
Kosten Retained Organisation
Wie hoch sind die Kosten der internen Organisation bezogen auf die Kosten des Outsourcing? Die meisten Unternehmen wussten darauf keine Antwort.
Innovationsschwerpunkt Technik
Die Provider führen in der Regel technische Neuerungen ein und verbessern die Qualität der Service-Levels. Direkte und positive Auswirkungen auf das Kerngeschäft haben die Innovationen selten.
Neuverhandlungen angestrebt
Die Anwender streben Kosteneinsparungen an, indem sie den Wettbewerb eröffnen. Selbst wenn sie laufende Outsourcing-Verträge haben, verhandeln sie nicht exklusiv mit dem aktuellen Provider.

Aber wie sieht die Praxis aus? Können die Anbieter die Leistungen tatsächlich flexibel liefern? Wo sind die Grenzen dieser Angebote?

… und was sie halten

In der Regel ist die Variabilisierung kein Problem, wenn Kunden mehr abnehmen wollen. Dann aktiviert der Anbieter einfach die schlummernden Ressourcen oder bestellt zusätzliche Server, Speicherkapazität und Lizenzen bei seinem Lieferanten.

Anders verhält es sich jedoch, wenn die Leistungen reduziert werden sollen. Hier ist der Provider nur flexibel, wenn er selbst über die frei werdenden Ressourcen verfügen kann, also das Nutzungsrecht in seinen Händen liegt. Die Stellfläche im Data Center, den Storage-Pool, die Server-Farm sowie die eigenen Personalleistungen - all das kann er beim Kunden herunterfahren, sobald die Kapazitäten nicht mehr benötigt werden. Ob sich sein Geschäft trotzdem rechnet, ist allein eine Frage seiner Kalkulation. Selbst bei Komponenten und Personal, die der Provider von Drittanbietern bezieht, ist ein variabler Einsatz möglich, wenn im Vorfeld die Verträge entsprechend gestaltet wurden. Dann kann der Kunde den nicht mehr erforderlichen Server oder den frei gewordenen Speicherplatz einfach abbestellen.

Die Grenzen der Variabilisierung

Das Modell der unbegrenzten Variabilisierung stößt jedoch schnell an seine Grenzen, wenn es um Software und Anwendungen geht, wenn der Kunde also Lizenzen zurückgeben möchte. Die Verträge besonders der großen ERP-Anbieter untersagen die Weitergabe der Lizenzen an Dritte. Der Service-Provider kann also keinen großen Lizenz-Pool vorhalten, aus dem er bei Bedarf Softwarekomponenten entnimmt oder in den er nicht mehr benötigte Anwendungen zurückgibt. Nur für wenige Dienstleister gelten diese Marktgesetze nicht. Einige Hersteller bieten Outsourcing-Dienste für ihre eigenen Produkte an. In diesem Fall können sie selbst die Lizenzbedingungen festlegen und damit ein variables Bezugsmodell für ihre Kunden betreiben.

Zufriedenheit mit dem Outsourcing
Ein Dutzend mal Begeisterung
An der Kundenzufriedenheitsstudie der Hochschule Aschaffenburg nahmen 70 IT-Manager teil. Darunter zeigten sich zwölf Teilnehmer sehr zufrieden mit ihrem Partner. Bei den Anwendern vermuten sie allerdings eine geringere Zustimmung.
Die wichtigsten Zufriedenheitsmerkmale
Das sind die elf Merkmale, die den größten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit haben.
Kaum veränderte Zufriedenheitswerte
Der Mittelwert von 2,2 liegt in etwa auf Höhe der Studie von 2007.
Was den IT-Chefs gefällt
Den IT-Verantwortlichen gefallen Einhaltung der SLAs und Zuverlässigkeit - Dinge also, die ihnen das Leben leichter machen.
Innovation - nicht so wichtig!
Beratungs- und Innovationsleistungen der Dienstleister lassen zu wünschen übrig - aber CIOs erwarten hier auch nicht viel von Outsourcing-Providern.
Zuverlässigkeit und SLAs - sehr wichtig!
Zuverlässigkeit, SLAs und Kosten haben für IT-Entscheider Vorrang.
Die Kosten sind nie optimal
Auffällig: Die Kosten sind den CIOs am drittwichtigsten, in der Zufriedenheit liegen sie aber nur auf dem 5. Rang.
Immer Ärger mit dem externen Helpdesk
Die Auslagerung des Helpdesks macht IT-Verantwortlichen den meisten Kummer. Wer alles auslagert, ist am zufriedensten - scheinbar, denn die Basis der Befragten reicht für solche Rückschlüsse eigentlich nicht aus.
Zufriedenheit in Abhängigkeit von der Outsourcing-Leistung.
Die Zahlen in den Balken entsprechen den CIOs, die mitgemacht haben. Mit anderen Worten: Für Komplett-Outsourcing und BPO reichen die Teilnehmer nicht aus. Die Hochschule wird die Studie deshalb bis zum Jahresende fortführen, um auch hier valide Aussagen treffen zu können.
Gute Partnerschaft hat Vorrang
Von zwölf CIOs, die angaben "sehr zufrieden" zu sein, sagten elf, sie pflegten ein gutes partnerschaftliches Verhältnis. Acht sind mit der Flexibilität des Partners bei Veränderungswünschen hochzufrieden etc.
Anwender wollen Gesprächspartner
Bei den so genannten "Soft Facts" liegen das partnerschaftliche Verhältnis und die offene Kommunikation weit oben in der Gunst der CIOs.
Welche Vorteile sich de facto einstellten
Kostentransparenz und Besinnung auf das Kerngeschäft sind die beiden echten Vorteile, die CIOs ausmachen. Die Grafik zeigt eine Gegenüberstellung der Bedeutung einzelner Aspekte und des vom Dienstleister realisierten Erfüllungsgrads.
Ein Drittel ist rundum glücklich
Knapp ein Drittel der Befragten sehen ihre Ziele zu 100 Prozent erreicht, rund 56 Prozent immer noch zu 75 Prozent.

Das Kleingedruckte verlangt die Beistellung

In der Regel widersprechen die Leistungsscheine in puncto Softwarenutzung den ursprünglichen Variabilisierungsversprechen, da die Provider vom Kunden eine "Beistellung" der Lizenzen verlangen. Das bedeutet im Klartext, dass der Kunde die Lizenzen kaufen und an den Dienstleister weiterreichen muss, damit dieser seinen Service angemessen betreiben kann. In diesem Modell kann der Anwender bei Minderbedarf keine Kosten sparen, weil er als Lizenznehmer den ursprünglichen Umfang finanzieren muss. Er muss also ungenutzte Lizenzen weiterbezahlen. Den Anwendern bleibt in der Regel nichts anderes übrig, als die Rechte für ERP-, Groupware- und sonstige Anwendungen selbst zu erwerben. Das ist zwar nicht wünschenswert, häufig aber unumgänglich.

Ein Ausschlusskriterium ist hingegen der Lizenzkauf von Betriebssystemen sowie anderen hardwarenahen Softwarekomponenten in einem On-Demand-Modell. Auf solche Forderungen sollten sich Kunden nicht einlassen. Das gilt vor allem für Hardware, die der Anbieter beschafft und betreibt. In einer derartigen Konstellation bleibt der Kunde auf den Fixkosten für Lizenzen sitzen, wenn sein Bedarf sinkt. Eine auf die reine Hardwarenutzung beschränkte Variabilisierung der Kosten bietet deutlich weniger Einsparmöglichkeiten, wenn weniger Leistungen benötigt werden. Durch diese Effekte der Beistellung kippt nicht selten die Kalkulation für das Outsourcing-Vorhaben, so dass sich eine IT-Auslagerung nicht mehr lohnt.

Das Problem mit der Hardware

Neben den grundsätzlichen Schwierigkeiten durch die Lizenzbedingungen der Softwareanbieter drohen auch auf Hardwareseite Hindernisse für eine flexible Nutzung der Ressourcen. Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang lautet: Was geschieht mit den Altgeräten, die ein Kunde nach dem Outsourcing nicht mehr benötigt?

Denkbar sind zwei unterschiedliche Lösungen:

  1. Der Anbieter übernimmt die Altgeräte: Der einfachste Weg für den Kunden ist, die Hardware dem künftigen Provider zu übergeben. Diesem Vorschlag wird sich der Provider nicht widersetzen, wenn die zu übernehmende Hardwarelandschaft in seine Systemumgebung passt. Betreibt der Kunde jedoch eine heterogene Landschaft - und das ist die Regel -, wird es komplizierter. Die unterschiedlichen Systeme, die zudem nicht oft vom Hauslieferanten des Providers stammen, machen eine Integration sehr komplex und teuer. Damit leidet die Effizienz des Auslagerungsprojekts, so dass der Anbieter den Mehraufwand auf die Kosten aufschlägt.

  2. Beistellung der Kundenhardware: Eine gängige und pragmatische Lösung ist, dass der Kunde für die Dauer der verbleibenden Abschreibungs- beziehungsweise Leasingdauer Eigentümer der Hardware bleibt. Der Anbieter nutzt in diesem Modell die Installation seines Kunden, um die Services betreiben zu können. Erst wenn Geräte neu angeschafft werden müssen, wird die Kundenhardware durch Komponenten des Anbieters ersetzt. Das läuft der Variabilisierung zuwider, denn der Kunde bleibt auf den Fixkosten für die beigestellte Hardware sitzen. Zumindest für diesen Teil werden die Kosten nicht variabel.

    Das raten CIOs
    Reinhard Eschbach, Thomas Cook: Transparenz ist das A und O
    „Jeder Dienstleister ist nur so gut, wie ihn der Auftraggeber steuert. Outsourcing darf keine Black Box sein: Ich will verstehen, was der Provider macht, und kontrollieren, ob dies in Einklang mit meinen Zielen steht. Die Transparenz der Kosten – sowohl meiner eigenen als auch derjenigen des Providers – halte ich für wichtig. Eine Open- Book-Policy schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch effizienter, weil beide Seiten wissen, welche Hebel sie ansetzen können.“
    Ralf Stalinski, Cognis: Akzeptanz beim User schaffen
    „Wer auslagert, sollte im Vorfeld eine Art Inventur machen, um einen Überblick darüber zu haben, welche Services in den einzelnen Ländern erbracht werden. Erschwert wird Outsourcing vor allem durch die Kluft zwischen der User-Akzeptanz und der Erwartung des Managements. Es ist ja kein Geheimnis, dass Endanwender eine Standardisierung zunächst als Einschränkung empfinden. Hier ist die interne Kommunikation gefordert, die Belegschaft muss die Vorteile der Maßnahmen nachvollziehen können. “
    Walter Friedl, Vistec: Know-how auf Augenhöhe
    „Meine goldene Regel lautet: Auf Kundenseite muss es eine Instanz mit mindestens gleichem Know-how geben wie auf der Provider-Seite. Ich habe dafür einen IT-Service-Delivery-Manager für alle Infrastrukturthemen und eine SAP-Managerin für die Applikationen abgestellt. Beide sind dafür zuständig, dass der eingekaufte Service bei unseren Anwendern verlässlich und in guter Qualität ankommt.“
    Dirk Ostermann, RAG: Prozesse zerschlagen
    „Ganz wichtig: Sie müssen Prozesse zerschlagen. Sowohl im Eigenbetrieb als auch bei einer internen Auslagerung in eine Tochtergesellschaft schwingen sich Abläufe und Kommunikationswege zwischen Nutzer und IT ein, die nicht immer effizient sind. Die Lethargie und die Das-habenwir- schon-immer-so-gemacht-Einstellung müssen Sie durchbrechen. In dieser Phase ist Führung durch Kommunikation gefragt, denn für alle Betroffenen ändert sich viel.“
    Carsten Stockmann, Mayflower: Beziehung weiterentwickeln
    „Outsourcing ist ein Prozess, den man permanent weiterentwickeln sollte. Das Mühsame und Qualvolle besteht dann darin, die Beziehung so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich Vorteile bringt. Das heißt, es geht nicht mehr um die Technik – die hat man ja ausgelagert –, sondern darum, Verbesserungen auf der Geschäftsprozess-Ebene zu erreichen.“
    Udo Haarhaus, Dynamit Nobel: Ziele müssen klar sein
    „Man muss sich als Auftraggeber über seine Outsourcing-Ziele im Klaren sein. Der Anbieter will das Projekt natürlich unbedingt an Land ziehen. Der Anwender will in der Regel seine Kosten senken. Da herrscht auf beiden Seiten eine gewisse Gier. Aber wenn der Auftraggeber nicht exakt hinterfragt, wie und wo sein Provider die Einsparungen erzielen will, gehen die Partner leicht von unterschiedlichen Annahmen aus.“
    Martin Limpert, Preh GmbH: Hoheit über Prozesswissen sichern
    „Die wichtigste Motivation für unsere Outsourcing- Aktivitäten war die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Hohe Anforderungen etwa an die 7x24- Stunden-Verfügbarkeit der SAP-Systeme können wir intern nicht gewährleisten. Damit wir den reibungslosen IT-Betrieb für unsere Fachabteilungen sicherstellen können, haben wir die Hoheit über das Prozesswissen und das SAP-Wissen im Hause behalten.“

Was tun?

Wer seine Altsysteme auslagern möchte, sollte daher das Variabilisierungspotenzial im Auge behalten. Anhaltspunkte dafür bietet folgende Fragenliste:

Wenn die Analyse für ein Outsourcing spricht und die genannten Fragen geklärt sind, kann das Projekt ausgeschrieben werden. Auch in dieser Phase sollten Anwender auf Transparenz in den kritischen Aspekten des Projekts drängen.

Fazit: Frühzeitig das Potenzial analysieren

Variable Kosten lassen sich durch Outsourcing nicht so einfach erreichen, wie es Hersteller glauben machen wollen. Wer großen Wert auf eine Flexibilisierung der IT-Kosten legt, sollte früh die eigene Umgebung analysieren und im Vorfeld eines Projekts wichtige Fragen klären. So lässt sich ermitteln, in welchem Ausmaß ein Outsourcing die IT-Kosten tatsächlich variabilisieren würde. Wer Transparenz schafft, kann die Angebote der Dienstleister kritisch durchleuchten. (jha)