Glaskugel Mobility

Die Mobilmachung beginnt…

22.12.2011 von Manfred Bremmer
Nachdem das Grundgerüst gelegt ist, könnte mobiles Arbeiten in den nächsten Jahren dank neuer Formfaktoren und Techniken benutzerfreundlicher und effektiver werden.
2012: Das Jahr in dem wir effektiv mobil arbeiten können?

Heutzutage findet man kaum eine Trendstudie, in der nicht Bezug auf Mobiles Arbeiten oder allgemein Mobilität genommen wird. Die Zukunft sei mobil, so der Tenor, immer mehr Anwender wollen künftig in der Lage sein, ihre Aufgaben auch unterwegs mit ihrem mobilen Endgerät zu erledigen. Dabei wird häufig der Anschein erweckt, der Zugriff auf alle Ressourcen des Arbeitgebers sei von überall problemlos via Smartphone oder Tablet möglich.

Theorie und Praxis divergieren

Betrachtet man indes den Status quo, liegen Anspruch und Wirklichkeit noch immer meilenweit auseinander: Konnektivitätsprobleme wie mickrige Bandbreiten und eine lange Latenzzeit machen den Remote-Zugriff auf Daten im Unternehmensnetz zur Geduldsprobe und auch die aufkeimenden Cloud-Services oder Virtualisierung sind schwer zu nutzen, wenn man über den Flaschenhals Mobilfunk auf Inhalte zugreifen muss. Doch selbst bei gutem Empfang, etwa in der Nähe eines WLANs, ist die Produktivität von Smartphone und Tablet eingeschränkt, sei es aufgrund von zu kleinen Displays, fehlender phyischer Tastatur und anderen Hardware-Handicaps. Softwareseitig bieten viele Apps zwangsläufig eine eingeschränkte Funktionalität gegenüber der Desktop-Version.

Eingeschränkte Funktionalität

Letztendlich, da sind sich die meisten Mobility-Spezialisten einig, eignen sich Smartphones im Business-Umfeld primär nur für PIM-Anwendungen (Personal Information Management). Und auch Tablets können heute Notebooks oder Desktop-PCs nicht vollständig ersetzen - selbst eingefleischte iPad-Nutzer kapitulieren spätestens dann, wenn man ihnen einen USB-Stick oder eine SD-Card mit wichtigen Daten in die Hand drückt.

Ganz werden die geschilderten Widrigkeiten wohl nie verschwinden. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass einige Probleme in naher Zukunft entschärft werden.

LTE wird langsam flügge

Noch ist LTE eher als DSL-Ersatz in ländlichen Gebieten interessant.

So könnte etwa die LTE-Technik (Long Term Evolution), für die 2012 auch in Europa erste Tablets und (möglicherweise) Smartphones angeboten werden, eine deutliche Verbesserung in Sachen Konnektivität bringen. Die 4G-Technik verspricht im Labor bis zu 100 Mbit/s Bandbreite - der tatsächliche Datendurchsatz pro Zelle (Shared Medium) liegt allerdings bestenfalls über 50 Mbit/s, falls der Backbone dies überhaupt hergibt. Interessanter ist allerdings die sehr niedrige Latenzzeit von unter 30 Millisekunden - der Wert entscheidet über Lust und Frust bei Echtzeit-Anwendungen wie Videotelefonaten oder aber Citrix-Sessions.

In den USA, wo die ersten LTE-Devices bereits Anfang 2011 vorgestellt wurden, häufen sich jedoch die Berichte über den extremen Stromhunger der Geräte - mitschuld daran sind die zwei aktiven Funkverbindungen für Sprache und Daten, zählt man WLAN hinzu, sind es sogar drei. Solange Techniken wie VoLTE (Voice over LTE) noch nicht implementiert sind, die dieses Problem entschärfen, kann es allein wegen der leistungsstärkeren Akkus von Vorteil sein, wenn in Europa zunächst nur 4G-Tablets auf den Markt kommen.

Das erste Tablet mit Quad-Core-Prozessor: Asus EeePad Transformer Prime
Foto: Asus

Angesichts der theoretisch steigenden Bandbreiten ist es durchaus zu begrüßen, dass die Hersteller durch die Bank weiter an der Leistung der mobilen Endgeräte schrauben. Nach Chipsätzen mit zwei CPUs und bis zu 1,5 Gigahertz Taktung werden nun auch die ersten Quad-Core-Modelle (plus Companion-Core) wie bei Nvidias Tegra-3-Plattform verbaut - primär auf Tablets wie dem "Eee Pad Transformer Prime" von Asus. Während mehr Prozessorkerne nicht automatisch und bei allen Anwendungen für einen Leistungsschub sorgen, wirken sie sich zumindest positiv auf die Akku-Laufzeit aus, da einzelne Kerne bei Nichtbedarf abgeschaltet werden können.

Dünner, größer, leichter

Smartphone oder Tablet? Samsung Galaxy Note
Foto: Samsung

Schuld an dem hohen Stromverbrauch ist indirekt auch der Trend zu immer dünneren und leichteren Geräten mit größeren und hochauflösenden Displays. 4-Zoll-Bildschirme sind bei Smartphones inzwischen fast Standard, es gibt aber auch schon Modelle mit 4,7-Zoll-Screen. Hybrid-Geräte wie das "Samsung Galaxy Note" mit 13,4 Zentimeter Bildschirmdiagonale deuten sogar an, dass die Grenzen zwischen intelligenten Mobiltelefonen und Tablets längerfristig verschwimmen könnten. Verständlich wird der "Größenwahn", wenn man Faktoren wie eine bessere Darstellung und Lesbarkeit von Inhalten oder die leichtere Bedienung des Touchscreens mit der Hand in Betracht zieht.

Das Motorola Atrix hat einen Trend zu Hybrid-Geräten einläuten.
Foto: Motorola

Da mit wachsender Größe aber die Mobilität des Geräts zurückgeht, gibt es als weiteren Trend modular aufgebaute Devices, die geschickt die Vorteile mehrerer Formfaktoren miteinander verbinden. Den Anfang machten 2011 bereits das "Motorola Atrix", ein Android-Smartphone, das sich in Verbindung mit einer speziellen Docking-Station als Linux-Desktop oder Multimedia-Konsole verwenden lässt, und das Asus-Tablet "Eee Pad Transformer" mit aufsteckbarer Volltastatur.

Hybridgeräte auf dem Vormarsch

Auch 2012 wird der Hybrid-Trend mit dem einen oder anderen Gerät aufgegriffen und verfeinert: Bereits für Frühjahr angekündigt ist das "Asus Padfone", ein 4,3 Zoll großes Smartphone, das man auf der Rückseite in ein spezielles 10-Zoll-Tablet einsetzen kann, wo es dann als dessen Recheneinheit fungiert.

Asus Padfone
Asus Padfone
Die Combo besteht aus einem Smartphone, das über eine Docking-Station in die Rückseite eines Tablets integriert wird.
Asus Padfone
Das Tablet besitzt keinen eigenen Prozessor, aber einen größeren Akku, der auch zum, Aufladen des Smartphones genutzt werden kann.
Asus Padfone
Smartphone und Tablet Seite an Seite
Asus Padfone
Smartphone und Tablet Seite an Seite
Asus Padfone
Die Tablet-Hülle besitzt hinten einen Deckel zum Einlegen des Smartphones.
Asus Padfone
Im 10.1-Zoll-Display ist ein Zusatz-Akku integriert. Noch mehr Saft liefert eine optional anschließbare Tastatur.
Asus Padfone
Das Padfone selbst besitzt ein 4,3-Zoll-SuperAMOLED-Display mit 960 mal 540 Pixel Auflösung.
Asus Padfone
Noch ein besonderes Feature: Der Bluetooth-Stift kann zum Schreiben und zum Telefonieren verwendet werden - praktisch, wenn das Smartphone in der Tablet-Hülle steckt.

Auf der Consumer Electronics Show (CES) stellt der chinesische Hersteller QP Optoelectronics außerdem eine Display-Tastatur-Kombi mit integriertem Pico-Projektor vor. Der "LightPad" lässt sich an jedes Smartphone oder Tablet mit HDMI- oder MHL-Schnittstelle (MHL = Mobile High-Definition Link) anschließen. Anschließend werden deren Inhalte per Rückprojektion auf dem 11-Zoll-Bildschirm angezeigt oder mit einer Größe von bis zu 1,5 Meter an Wände projiziert. Die Auflösung ist mit 854 mal 480 Pixeln allerdings noch bescheiden, das darauffolgende Modell soll es aber bereits auf 1.280 mal 720 Pixel bringen.

LightPad
QP Optoelectronics LightPad
Der "LightPad" lässt sich an jedes Smartphone oder Tablet mit HDMI- oder MHL-Schnittstelle (MHL = Mobile High-Definition Link) anschließen.
QP Optoelectronics LightPad
Anschließend werden deren Inhalte per Rückprojektion auf dem 11-Zoll-Bildschirm angezeigt...
QP Optoelectronics LightPad
...oder mit einer Größe von bis zu 1,5 Meter an Wände projiziert.
QP Optoelectronics LightPad
Die Auflösung ist mit 854 mal 480 Pixeln allerdings noch bescheiden, das darauffolgende Modell soll es aber bereits auf 1.280 mal 720 Pixel bringen.

Doch es gibt auch andere Bestrebungen, die Bedienbarkeit der mobilen Geräte zu verbessern. So hat Trendsetter Apple im iPhone 4S mit "Siri" das Thema Sprachsteuerung in den Vordergrund gerückt. Auch wenn die Technik noch nicht vollständig überzeugt und sicher noch verbesserungsfähig ist, wird sich Spracheingabe in Zukunft sicher auf verschiedenen Plattformen finden lassen, zumindest Google soll ein ähnliches Feature für Android entwickeln. Stärkere Beachtung als bisher könnte außerdem die Gestensteuerung erfahren. Als Kontrastprogramm zu iPhone und iPad wird die Apple-Konkurrenz zudem die Connectivity-Karte ausspielen und ihre Geräte verstärkt mit Schnittstellen wie HDMI, USB-Host oder DLNA bereitstellen. Auch NFC gewinnt mit der wachsenden Zahl an Clients an Bedeutung, sei es zum einfachen Austausch von Inhalten oder - allmählich - auch zum mobilen Bezahlen.

Tablet-Markt im Umbruch

2012 ist auch das Jahr, in dem Microsoft mit Windows 8 wieder verstärkt im Tablet-Markt angreifen will, als Partner sind Firmen wie Dell, Fujitsu, Hewlett-Packard, Samsung und angeblich auch Nokia im Gespräch. Die Idee hat prinzipiell ihren Reiz, da Enterprise-Nutzer so unterwegs bequem und sicher mit der nativen Office-Suite und Firmenanwendungen arbeiten könnten.

Dennoch werden die vermeintlichen Vorteile der Windows-Plattform vermutlich nicht ausreichen. So haben sich iPads und teilweise auch Android-Tablets bereits in vielen Unternehmen etabliert, dafür angepasste Business-Apps, Management-Suiten sowie Virtualisierungs- und Cloud-Lösungen existieren bereits und werden weiterentwickelt. Interessanter wäre in diesem Zusammenhang eine parallele Installation von iOS und Windows 8 auf dem iPad - anders als damals steht aktuell eher Microsoft als Apple unter Zugzwang.

Auch was den Gesamtmarkt anbelangt, fürchten viele Marktbeobachter allerdings, dass Microsoft (wieder einmal) zu spät zu der Party kommt. So sei der Preis für die Lizenzen für Hersteller zu hoch, um konkurrenzfähige Tablets anbieten zu können.

Allgemein rechnen die Analysten bei den Flachmännern in der nahen Zukunft mit einer Aufspaltung in kostengünstige Medien-Tablets wie dem Amazon Kindle Fire und hochwertigeren Endgeräten, wobei auch hier Android-Modelle dem iPad langsam mehr Marktanteile abnehmen.

Bei den Smartphones treten zunehmend günstige Android-Geräte mit Basisfunktionen an die Stelle von Feature Phones, wodurch insbesondere in wichtigen Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien Anbieter wie Nokia oder RIM weiter unter Druck geraten. Insbesondere für den kanadischen Blackberry-Anbieter könnte 2012 das Jahr der Entscheidung werden.

Man muss auch kein Hellseher sein, um eine Fortsetzung und womöglich Eskalation der Patentkriege zwischen den Herstellern vorherzusagen. Letztendlich bleibt hier nur zu hoffen, dass die Rechtsstreitigkeiten um Patente und Geschmacksmuster geplante Innovationen nicht komplett blockieren und Gerichte und Organisationen irgendwann ein Machtwort sprechen.