Automatisierung in der Industrie

Die notwendige menschliche Komponente

04.07.2019 von Daniel Dombach
Zunehmende Automatisierung schürt die Angst, dass menschliche Arbeitskräfte bald überflüssig werden. Doch deren Aufgaben werden sich in Zukunft nur verschieben.

In den letzten Jahren hat die Frage zunehmend an Relevanz gewonnen, wie die Automatisierung industrielle Betriebe verändern wird. In vielen Betrieben in Deutschland herrscht aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung Unsicherheit. Manche sehen sich laut einer Bitkom-Umfrage sogar in ihrer Existenz bedroht und fragen sich, ob Roboter am Ende unsere Jobs übernehmen werden und was mit den menschlichen Arbeitskräften passiert.

Der Automatisierung die Hand reichen: Auch wenn sich der Arbeitsmarkt und die Aufgaben verändern, werden menschliche Arbeitskräfte in Zukunft unerlässlich sein.
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McKinsey prognostiziert, dass bis 2030 800 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Solche Vorhersagen erklären, warum viele Arbeitnehmer die Zukunft als Bedrohung wahrnehmen - sie sind jedoch nur eine Hypothese. Eine Tatsache ist dagegen, dass die Automatisierung sowohl in der Fertigung als auch im Transport- & Logistik-Bereich (T&L) die Produktivität steigert.

So können Roboter und automatisierte Systeme beispielsweise repetitive Aufgaben ohne Konzentrationsverlust erfüllen und somit das Fehlerrisiko deutlich senken. Sie sind auch in der Lage, schwer zugängliche Räume zu erreichen und etwa Bestandsinformationen genauer zu beurteilen. Die Rolle des Menschen in diesen Prozessen verändert sich angesichts solcher Entwicklungen. Die menschliche Komponente wird jedoch auch in digital hochentwickelten Unternehmen weiterhin notwendig bleiben.

Die menschliche Komponente in der Fertigung

Durch die fortschreitende Entwicklung von Industrie 4.0, welche die Erfassung und Übertragung von Daten via Industrial Internet of Things (IIoT), Cloud-Computing und Cognitive Computing umfasst, verändert sich die automatisierte Industrie durchaus positiv.

Der Einsatz dieser Technologien bietet Führungskräften einen vollständigen Überblick über die Betriebsabläufe und ermöglicht ihnen, jeden Prozess in Form von Daten abzubilden. Diese letztlich von Menschen bewerteten Informationen machen die Produktion effizienter und führen zu Kosteneinsparungen.

Mithilfe des IIoT ist es beispielsweise möglich, Rohstoffbestände in Echtzeit zu überwachen. Dadurch können die Mitarbeiter jederzeit die Bestände prüfen und rechtzeitig neue bestellen. Dies gewährleistet kontinuierliche Produktivität und verhindert eine Unterbrechung der Produktionskette, etwa wenn ein Autoteil oder eine Farbe knapp wird.

Die Automobilindustrie ist ein Schlüsselsektor der Fertigung. Hier gilt es, die Vorteile der Automatisierung zur Steigerung der Produktion zu nutzen. Troy Design & Manufacturing (TDM), eine in Detroit ansässige Tochtergesellschaft der Ford Motor Company, benötigte ein automatisiertes Tracking-System, um in ihrem Modification Center in Chicago den Umbau von über 150 Fahrzeugen pro Tag Schritt für Schritt nachzuverfolgen und zu steuern. Es galt eine Fahrzeug-Nachverfolgung unter Verwendung von RFID-Technologie zu realisieren. TDM installierte schließlich feste RFID-Lesegeräte und -Antennen, um die Transparenz der Abläufe und Datenerfassung zu verbessern.

So konnte TDM die Effizienz und Leistung seiner Anlagen erhöhen. Nach der Einrichtung der Tracking-Infrastruktur ergaben sich für TDM zahlreiche Vorteile aus der RFID-Automatisierung. Die Mitarbeiter konzentrieren sich nun stärker auf ihre Aufgaben und Arbeitsabläufe werden beschleunigt, da die umständlichere Dokumentation und Nachverfolgung mit Papier und Stift zurückgeht
Insgesamt hat TDM bereits über 90 Prozent seiner Abläufe automatisiert, was zu einer verbesserten Produktivität führt. Gleichzeitig bleiben die Mitarbeiter ein entscheidender Faktor und überwachen die korrekte Ausführung der Aufträge.

Das Beispiel TDM zeigt: Automatisierung kann Prozesse in jeder Fertigungsphase optimieren. Dabei bleibt die menschliche Interaktion jedoch unerlässlich, um auf bestimmte Ereignisse und Situationen anhand der vorliegenden Daten zu reagieren und die jeweils beste Entscheidung zu treffen.

Die menschliche Komponente in Transport & Logistik

Die Automatisierung bietet auch für den Transport- und Logistiksektor viele Vorteile. Im Lager erhalten Mitarbeiter über Mobilcomputer und Scanner etwa Echtzeiteinblicke in den aktuellen Lagerbestand. Diese Transparenz ist entscheidend, da Verbraucher immer kürzere Lieferzeiten erwarten, bis hin zur Lieferung innerhalb einer Stunde. Und das stellt immer noch eine hohe Herausforderung dar.
Die Bestandskontrolle ist durch den Einsatz von Mobilcomputern effizienter geworden. Die neuesten Versionen dieser Technologie können Barcodes bis zu einer Entfernung von über 21 Metern scannen.

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Neben dem Lagerbetrieb profitiert auch die Lieferlogistik von der Automatisierung. Mithilfe der richtigen Technologie können Speditionen ein intelligenteres, besser verknüpftes Distributionsnetz aufzubauen, sodass Entscheidungen auf Basis von Echtzeit-Informationen getroffen werden können. So kann die Routenplanung optimiert oder der Ladevorgang von Transportern und Anhängern verbessert werden.

Durch die Erfassung von Daten wie beispielsweise Ladedichte und Anhängerkapazität gewinnen Unternehmen wertvolle Erkenntnisse, die sie zur Verbesserung von Leistung und Rentabilität nutzen können. Dennoch sind menschliches Denken und Handeln immer noch an vielen Stellen des Beladeprozesses unerlässlich, um zu entscheiden, wie die Beladung weiter verbessert werden kann und wann Fahrzeuge abfahrbereit sind.

Diese neue Ebene intelligenter Planung kann Logistikunternehmen dabei unterstützen, mit der "On-Demand-Wirtschaft" Schritt zu halten, die vom E-Commerce und der Erwartung einer immer schnelleren Lieferung geprägt ist. Dies treibt den Wunsch nach Lösungen an, die Geschwindigkeit, Genauigkeit und Effizienz des Ladevorgangs weiter optimieren können.

Die Zukunft

Die Automatisierung wird noch viele spannende Entwicklungen in die Fertigungs- und T&L-Branche bringen. Auf die Industrie 4.0 wird irgendwann die Industrie 5.0 folgen, in der Technologien wie das IIoT Abläufe noch transparenter und kosteneffizienter machen, um die Produktivität zu erhöhen.

Natürlich haben Menschen Angst, durch Maschinen ersetzt zu werden. Aber die Digitalisierung zerstört Branchen nicht - sie verändert sie. Damit verändert sie auch Arbeitsplätze und schafft gleichzeitig neue. Da beispielsweise der Einsatz von Drohnen zur Lieferung von Konsum- und Spezialgütern steigt, werden wir wahrscheinlich künftig mehr Arbeitskräfte zur Steuerung und Überwachung von Drohnenlieferungen benötigen.

Wenn es darüber hinaus mehr fahrerlose Gabelstapler im Lagerbetrieb gibt, können ehemalige Fahrer für neue Aufgaben eingesetzt werden, etwa zur Planung oder Überwachung von Prozessen. Sie können sich weiterentwickeln und anspruchsvollere Aufgaben innerhalb des Unternehmens übernehmen.

Automatisierte Unternehmensprozesse erfordern eine Form der menschlichen Reaktion oder Interaktion, um reibungslos zu funktionieren. Einige traditionelle Aufgaben werden in Zukunft eingespart, zweifellos aber auch neue Aufgabenbereiche geschaffen werden, wodurch interne Personalumsetzung dort vorangetrieben wird, wo sie nötig ist. Doch letztlich wird auch in einer immer mehr von künstlicher Intelligenz geprägten Welt immer ein Mensch im Zentrum effizienter Abläufe stehen.