Studie "Digital Customer Experience 2017"

Digitale Kundenbeziehung – keine halben Sachen!

12.04.2017 von Alexander Freimark
Jedes Unternehmen ist „voll auf seine Kunden fokussiert“ – zumindest in der Selbstwahrnehmung. Die Realität sieht oft anders aus. Mit der Digital Customer Experience (DCX) bietet sich die Chance, das langjährige Versprechen endlich einzulösen. Die ersten Schritte sind gemacht, wie die IDG-Studie „Digital Customer Experience 2017“ belegt.

"Ein guter Kunde wechselt drei Jahre lang das Geschäft nicht", heißt es in einem chinesischen Sprichwort. "Und ein gutes Geschäft wechselt drei Jahre lang nicht den Kunden". Diese Daumenregel stammt aus prä-digitalen Zeiten - auch wenn die Erkenntnis noch heute gültig ist. Dennoch wird es einem Online-Kunden zunehmend leichtgemacht, "seinen" Lieferanten auf Knopfdruck zu wechseln: Fehler im Pricing, der Warenpräsentation oder der Prozessabwicklung verleiten potenzielle Käufer zum spontanen Absprung. Und die Gründe sind zumeist klar erkennbar, wenn die vorhandenen Daten analysiert werden.

Für die Studie Digital Customer Experience 2017 wurden mehr als 300 IT- und Business-Entscheider befragt.
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War der E-Commerce noch der Einstieg in das Online-Shopping, professionalisiert sich die Branche heutzutage unter dem Begriff Digital Customer Experience (DCX). Gemeint ist damit die Digitalisierung der gesamten Kundenbeziehung. Schließlich eröffnet der technische Fortschritt viele zusätzliche Möglichkeiten, detaillierte Informationen von Kunden einzusammeln und jederzeit treffende Botschaften an sie zu übermitteln. Laut der aktuellen "DCX-Studie 2017" von IDG zeigt sich, dass auch die Mehrzahl der Unternehmen das Potenzial einer umfassenden Kundenbindung begriffen hat - immerhin 52 Prozent aller befragten Unternehmen setzen die digitale Kundenbeziehung an die erste Stelle der Handlungsfelder im Rahmen der digitalen Transformation, bei großen Unternehmen sind es sogar 57 Prozent. Dabei ist erwartungsgemäß die Zustimmung im Top-Management am größten, im Gegensatz zu Managern aus Fachbereichen und IT.

Zentrale Handlungsfelder der digitalen Transformation: Für mehr als die Hälfte der Befragten steht Digital Customer Experience ganz oben auf der Liste.

Generell sehen sich die Unternehmen auf einem guten Weg: Gut 39 Prozent der Befragten haben eigenen Angaben zufolge eine DCX-Strategie im Rahmen der gesamten Digitalisierungsstrategie entwickelt, fast ein Viertel verfolgt eine alleingestellte DCX-Strategie. Hingegen haben 37 Prozent diesbezüglich noch nichts entschieden oder unternommen. Wieder sind größere Unternehmen (gemessen am IT-Budget) deutlich weiter: Während Konzerne zu 76 Prozent eine DCX-Strategie verfolgen, sind es bei Organisationen mit weniger als einer Million Euro IT-Aufwand pro Jahr gerade einmal 40 Prozent. Je größer das Unternehmen, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es einen explizit Verantwortlichen für die Digitalisierung der Kundenbeziehung gibt. Und in mehr als der Hälfte aller Unternehmen ist der CIO / CTO beziehungsweise der IT-Leiter verantwortlich für die Umsetzung der DCX-Strategie.

Rund 39 Prozent der Befragten haben eine DCX-Strategie im Rahmen der gesamten Digitalisierungsstrategie entwickelt.

Digitale Technologien in der Kundenbeziehung

Die Studie zeigt auch, dass das Top-Management vielerorts die Zeichen der Zeit erkannt hat. Insgesamt über 50 Prozent der Unternehmen vergrößern das CRM-Budget, elf Prozent sogar im zweistelligen Bereich. Vier von fünf Organisationen bauen ihr CRM-System aus oder planen dies. Überhaupt liegen CRM-Lösungen bei den gegenwärtig eingesetzten Technologien in Front, gefolgt von der E-Mail sowie der Website einschließlich Web-Analytics - und natürlich dem Telefon. In den kommenden Jahren ziehen jedoch mobile Applikationen nach vorne und überholen sogar klassische CRM-Systeme in der Verbreitung, so die Prognose der Befragten. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass inzwischen Smartphones die wichtigste Schnittstelle zum Menschen bilden.

Realisierter und geplanter Einsatz von digitalen Technologien: CRM-Lösungen liegen vor E-Mail. Social- und Mobile-Systeme hinken hinterher.

Auch beim Umgang mit Kundendaten sehen die Befragten den Status quo größtenteils im grünen Bereich. So ist in 61 Prozent der Unternehmen eine zentrale Datenbank mit "allen Informationen zu den Kunden" vorhanden. Angesichts der Diskussionen über Silos und Legacy-Anwendungen scheint dieser Wert jedoch recht hoch zu sein. Je kleiner das Unternehmen, desto eher existiert eine einheitliche Kundendatenbank. Über die Hälfte der Organisationen empfindet die Qualität ihrer Kundendaten als gut oder sehr gut, und in zwei von drei Organisationen haben "alle erforderlichen Mitarbeiter" Zugriff auf die zentrale Kundendatenbank.

Allerdings wissen die meisten Unternehmen, dass sie bei der digitalen Kundenansprache noch viel Arbeit leisten müssen. Nur jede zwölfte Firma hat eigenen Angaben zufolge DCX professionell umgesetzt, während 20 Prozent immerhin schon eine detaillierte Roadmap entwickelt haben. Die Mehrheit sieht sich jedoch in den "frühen Anfängen" und hat erste Digital-Marketing-Projekte umgesetzt. Immerhin jeder fünfte Befragte ist der Ansicht, dass in seinem Haus die DCX-Umsetzung "systematisch, professionell und auf allen Ebenen" erfolgt. Ähnlich hoch ist die Zahl derer, die in ihrem Unternehmen zahlreiche Einzelinitiativen und Projekte in Sachen Digital Marketing und E-Business erkennen, aber keinen ordnenden Rahmen und keine Durchgängigkeit der Maßnahmen. Und jedes siebte Unternehmen hat bis dato keine DCX-Initiative gestartet.

Datensilos sind die größten Hürden

Wer einmal die Reise angetreten hat, lernt die Reibungspunkte auf der Strecke kennen. Während Ausgangssituation und DCX-Voraussetzungen noch als relativ gut bewertet werden, hapert es an Prozessen und der Datenintegration. Das Top-Management bekommt bei den Voraussetzungen die besten Werte - ihm wird gemeinhin eine klare DCX-Strategie bescheinigt. Ebenfalls gute Noten gibt es für die technische Ausstattung am Arbeitsplatz als Voraussetzung für DCX. Im Argen liegt es jedoch bei siloübergreifenden Prozessen und frei fließenden Daten - beides Grundvoraussetzungen für eine durchgängige "Customer Journey". Ein umfassender Datenaustausch, wie er im Rahmen der Digitalisierung gefordert ist, kann auf Besitzansprüche keine Rücksicht nehmen, muss es aber häufig noch.

Zum Video: Digitale Kundenbeziehung – keine halben Sachen!

Dieser Punkt wird in der Studienfrage zu den IT-Hindernissen bestätigt, die einer besseren digitalen Kundenbeziehung im Wege stehen. Demnach sind Datensilos und die abteilungsspezifische Datenhaltung die größte Barriere für eine bessere DCX - wobei besser hier in erster Linie "durchgängiger" bedeutet. Fehlende aufeinander abgestimmte und bereichsübergreifenden Prozesse sowie redundante Daten aufgrund dezentraler Organisationsstrukturen runden das Bild ab. Die geforderte Auflösung von Silos und integrierte Datenhaltung ist jedoch eine schwere Aufgabe, die sich nicht im Handstreich lösen lässt. In den freien Antworten auf die Frage nach den DCX-Hindernissen werden noch unklare Kosten-Nutzen-Analysen, (fehlendes) Geld sowie Kosten für Schnittstellen genannt.

Datensilos und eine mangelnde Datenqualität stehen einer besseren digitalen Kundenbeziehung häufig im Weg.

Dringend gesucht: Digital-Marketing-Experten

Daneben fehlen vor allem Experten mit einer digitalen DNA, die der Organisation einen Weg durch das Dickicht bahnen. Zudem müssen noch interne Skills für die anstehenden Projekte aufgebaut werden. Über die Versorgungslücke dürften sich vor allem Digital-Berater freuen, die die anziehende Nachfrage relativ rasch bedienen können. Immerhin 30 Prozent der Unternehmen beklagen unzureichende CRM- und Marketing-Automation-Systeme beziehungsweise fehlende Tools, und 19 Prozent räumen Probleme damit ein, diese Marketing- und CRM-Werkzeuge auch zu finden. Jedoch berichten nur 24 Prozent der Befragten von unzureichenden Budgets - Geld für Investitionen in die Kundenbeziehung scheint vorhanden zu sein. In den freien Antworten auf die Frage nach den organisatorischen Hindernissen findet sich das Worst-Case-Statement: "Ein Organigramm wie beim Militär".

Fehlende Digital-Marketing-Experten und mangelndes Know-how gehören zu den größten organisatorischen Hürden.

Blickt man auf die durchgehend digitalisierten Konzerne etwa aus dem Online-Handel, wird klar: Wer sich in den kommenden Jahren nicht in die neuen Netzwerke einklinken und nach deren Regeln spielen kann, ist aus dem Rennen. Durchgängige Informationen für und über Kunden, Abbau der Hürden und Barrieren, schnelle Reaktion auf Veränderungen bei Preisen und Angeboten: Kundenfokussierung klingt gut, ist aber eine gewaltige Aufgabe für traditionelle Organisationen. Viele Kunden haben jedoch die digitale Transformation ihres Einkaufsverhaltens bereits vollzogen - dank der umfassenden Vernetzung rollen sie die Wertschöpfungskette von hinten auf. Es ist Zeit, dass Unternehmen darauf eine überzeugende Antwort formulieren. Mit DCX haben sie die Gelegenheit, ihren Worten von der Kundenfokussierung auch Taten folgen zu lassen.

Studie Digital Customer Experience 2017

Die Studie zur Digital Customer Experience (DCX) basiert auf einer Online-Befragung. Im Zeitraum vom 21. Dezember 2016 bis 25. Januar 2017 wurden dazu insgesamt 326 qualifizierte Interviews abgeschlossen. Grundgesamtheit sind oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der DACH-Region, also strategische (IT-)Entscheider aus dem C-Level und den Fachbereichen sowie Entscheider und Spezialisten aus der IT-Organisation. Partner der DCX-Studie waren die Unternehmen BSI Business Systems Integration AG, Cobra - computer's brainware GmbH, Damovo Deutschland GmbH & Co. KG und die Dynatrace GmbH.

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