Herkömmliche Business-Intelligence-Lösungen stellen dem Management Vergangenheitsdaten zur Verfügung. Entscheider erhalten damit jedoch keine Aussagen über mögliche Zukunftsentwicklungen. Ein zielsicheres Agieren in der modernen, zunehmend dynamischeren Wirtschaftswelt ist so nur eingeschränkt möglich. Gefragt ist deshalb eine Realtime Business Intelligence, die Aussagen über zukünftige Entwicklungen bereitstellt und damit dem Management frühzeitig die passenden Handlungsoptionen eröffnet.
Business Intelligence Classic
Herkömmliche BI-Werkzeuge bereiten vorhandene Daten in den Schritten Sammeln, Bereinigen, Speichern, Analysieren und Bereitstellen auf (siehe Abbildung). Dabei können Unternehmen mittels aktueller Datenbanktechnologie zwar schon heute große Datenvolumina effizient bewältigen. Daraus abgeleitete historische Berichte reichen Firmen jedoch bei Weitem nicht aus, um in ihrer komplexen Umwelt erfolgreich zu agieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Zu viele Daten können darüber hinaus auch kontraproduktiv wirken, da bedeutsame von trivialen Daten auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden sind. Da herkömmliche BI-Systeme Informationen nicht in Echtzeit, sondern mit erheblicher Verzögerung bereitstellen, werden Krisen oft erst erkannt, wenn die Folgen bereits zu spüren sind.
Realtime Business Intelligence
Realtime Business Intelligence analysiert Daten, um daraus überwiegend Indizes wie beispielsweise Key Performance Indicators (KPIs) abzuleiten. Im Unterschied zu herkömmlichem BI geschieht das in Echtzeit. Daraus entstehen Prognosen, die dem Management rasche Entscheidungen in einer sich ständig verändernden Umwelt ermöglichen. Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen können so gesteigert werden.
Das Besondere dabei: Obwohl Realtime Business Intelligence vorhandene Daten in Echtzeit, das heißt sofort nach dem Eintreffen, analysiert, müssen diese nicht zwingend in Echtzeit vorliegen. Ein Realtime-Business-Intelligence-System wird auch dann nützlich sein, wenn die Daten mit einer geringen Zeitverzögerung bereitgestellt und beispielsweise einmal pro Tag aktualisiert werden.
Neben den Modulen eines herkömmlichen BI-Systems verfügt Realtime Business Intelligence über zwei weitere Bausteine (siehe Abbildung):
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ein Prognosemodul für Prognosen in Echtzeit und
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ein Anpassungsmodul zur Minimierung der Differenz zwischen vorausgesagten und aktuellen Daten durch selbständige Anpassung der Empfindlichkeit der eingesetzten Prognosemodelle.
Das Prognosemodul
Für die Vorhersage von einzelnen Indizes, zum Beispiel für Umsatzprognosen, setzt man meist auf statistische Verfahren. Andere Fragen lassen sich beispielsweise durch neuronale Netze oder Cluster-Analysen beantworten. Das Prognosemodul wird so konfiguriert, dass bei Überschreitung definierter Schwellwerte automatische Warnmeldungen ausgelöst werden. Damit kann das Management ohne Zeitverlust wichtige Entscheidungen treffen.
Da eine einzelne Prognosemethode für ein gegebenes Problem oft nicht ausreicht, wählt man in der Praxis meist ein kombiniertes Vorgehen: Anstelle eines einzigen Prognosemodells werden mehrere parallel eingesetzt. Dieses hybride Prognosemodell löst Abweichungen und Widersprüche zwischen den Einzelergebnissen. Dabei kommen folgende Methoden zum Einsatz:
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Stimmenmehrheit bei einer Abstimmung,
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gewichtete Mittelwerte.
Die Abbildung zeigt den Entscheid zwischen mehreren Prognosemodellen auf der Basis von Abstimmungen beziehungsweise gewichteten Mittelwerten.
Unter hohem Zeitdruck ist es jedoch nicht immer möglich, mehrere Prognosemodelle parallel zu berechnen und zu konsolidieren. In solchen Fällen helfen definierte Regeln, nach denen automatisch ein geeignetes Modell ausgewählt und eine Prognose berechnet wird. Die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt ein solches regelbasiertes, hybrides Prognosemodell.
Das Anpassungsmodul
Anpassungsfähige Systeme sind in der Lage, sich automatisch an veränderte Umstände anzupassen. Dazu zählen beispielsweise:
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Ein Sessel mit flexibler Form, der sich dem individuellen Sitzverhalten anpasst.
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Eine Internet-Verkaufsplattform, die Shopping-Vorschläge nach dem bisherigen Kauf- und Suchverhalten ihrer Kunden unterbreitet.
Den Unterschied zwischen prognostizierten und aktuellen Daten bezeichnet man als Fehler. Effiziente Prognosemodelle weisen nur geringe Fehler auf. Dafür sorgt das Anpassungsmodul, das Prognosefehler durch Anpassung verschiedener Parameter innerhalb der Prognosemodelle auf ein Minimum reduziert. Die Parameter können in regelmäßigen Zeitabständen (zum Beispiel monatlich oder quartalsweise) von Hand modifiziert werden. Effizienter ist es jedoch, die verschiedenen Parameter automatisch (zum Beispiel täglich) über ein dediziertes Anpassungsmodul zu aktualisieren.
Praxisbeispiel: Erkennung von Kreditkartenbetrug
Bei Systemen zur Erkennung von Kreditkartenbetrug geht es darum, potenziell betrügerische Finanztransaktionen zu erkennen, das heißt, die Transaktionen zunächst einmal korrekt zu klassifizieren. Solche Systeme müssen allerdings in der Lage sein, tausende von Transaktionen pro Sekunde auf Betrug zu überprüfen.
Als "wahr" wird eine korrekte Klassifikation einer Finanztransaktion benannt, während "falsch" einer falschen Klassifikation entspricht. "Positiv" sind betrügerische Transaktionen, während die berechtigten Transaktionen als "negativ" verstanden werden. Folgende Kombinationsfälle lassen sich bei der Klassifikation von Finanztransaktionen unterscheiden:
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Wahr-positiv: Betrügerische Transaktion, korrekterweise als betrügerisch klassifiziert.
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Falsch-positiv: Berechtigte Transaktion, fälschlicherweise als betrügerisch klassifiziert.
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Wahr-negativ: Berechtigte Transaktion, korrekterweise als berechtigt klassifiziert.
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Falsch-negativ: Betrügerische Transaktion, fälschlicherweise als berechtigt klassifiziert.
Bei einem System zur Erkennung von Kreditkartenbetrug wird es vor allem darum gehen, die folgenden Arten von Klassifikationen zu minimieren:
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Anzahl berechtigter Transaktionen, die fälschlicherweise als betrügerisch gemeldet werden.
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Anzahl betrügerischer Transaktionen, die fälschlicherweise als berechtigt klassifiziert werden.
Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass die Zahl beider unerwünschter Klassifikationen nicht gleichzeitig minimiert werden kann. Die Gründe sind einfach: Klassifikationen, die betrügerische Transaktionen als berechtigt angeben, führen zu unentdecktem Missbrauch. Andererseits können berechtigte Transaktionen, die als betrügerisch "erkannt" werden, die Kunden anhaltend verärgern. Um dieses Problem zu lösen, muss ein akzeptabler Kompromiss gefunden werden.
Ein effizientes System zur Erkennung von Kreditkartenbetrug lässt sich mit Hilfe eines Prognosemoduls umsetzen, das eine Verdachtsstufe für jede einzelne Transaktion ermittelt. Aufgrund der hohen Komplexität ist dazu ein hybrides Prognosemodell erforderlich. Jedes Einzelmodell berechnet zunächst eine Betrugswahrscheinlichkeit auf einer Skala von 0 bis 1 und erhält ein Gewicht. Die Summe der Einzelgewichte aller Modelle ergibt den Wert 1. Die resultierenden gewichteten Wahrscheinlichkeiten werden anschließend addiert. Um Betrugsfälle möglichst zielsicher zu identifizieren, werden Schwellwerte für die gewichteten Betrugswahrscheinlichkeiten festgelegt. Der tiefste Schwellwert legt eine Grenze fest, unter der Transaktionen ohne Rückfragen genehmigt werden. Ein mittlerer Schwellwerte-Bereich gilt für genehmigte Transaktionen, die jedoch einer manuellen Überprüfung standhalten müssen. Ab einem festgelegten höheren Schwellwert lehnt das System die Transaktionen ab, und Kunden werden unter Umständen direkt kontaktiert.
Die Effizienz eines Systems zur Erkennung von Kreditkartenbetrug lässt sich anhand von KPIs ermitteln: Die Anzahl der korrekt klassifizierten betrügerischen Transaktionen wird dabei durch die Gesamtzahl der Transaktionen, die als betrügerisch klassifiziert wurden, dividiert.
Umsetzung von Realtime-BI
Aufgrund der Komplexität eines Realtime- Business-Intelligence-Systems sollte die Entwicklung schrittweise erfolgen und sich zunächst auf einzelne Pilotprojekte mit überschaubaren Problemstellungen und Statistikverfahren beschränken. Außerdem ist es ratsam, auch die Zahl der Indizes am Anfang möglichst gering zu halten. Der Vorteil: Kleinere Pilotprojekte helfen, die gewählten Prognosemodelle zu validieren. Darüber hinaus lässt sich durch ausführliche Tests sicherstellen, dass das Realtime-Business-Intelligence-System möglichst sichere Prognosen liefert und den Erwartungen der Entscheider gerecht wird. Sollten die mit einfachen Statistikverfahren erzielten Resultate nicht genügen, können komplexere Verfahren evaluiert und schrittweise eingeführt werden.
Fazit
Herkömmliche Business Intelligence beschränkt sich auf:
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den Zugriff auf Daten aus unterschiedlichen Quellen und
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die Präsentation von Daten in historischen Berichten.
Realtime Business Intelligence hingegen unterstützt Organisationen in Echtzeit bei:
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der frühzeitigen Erkennung von Trends (Prognose),
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dem Treffen von schnellen Entscheidungen in Echtzeit und
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der Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen.
Damit steigert Realtime Business Intelligence die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen, setzt aber gleichzeitig den Einsatz von Modulen für Prognose und Anpassung voraus. (ba)