Enterprise-Content-Management beschäftigt die Unternehmen. Nach Erkenntnissen der Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) ist das Wachstum im Markt für ECM-Dienstleistungen im jährlichen Durchschnitt des Zeitraums 2011 bis 2015 fast doppelt so hoch wie im Segment Finanzbuchhaltung. Und der ECM-Software-Markt wächst im gleichen Zeitraum gar dreimal schneller als das Fibu-Geschäft. Frank Niemann, bei PAC verantwortlich für den Bereich Software, kommentiert dieses Phänomen so: "Natürlich haben wir es hier mit unterschiedlichen Größenordnungen zu tun, was die installierte Basis betrifft, doch der Vergleich belegt deutlich das wachsende Interesse der Unternehmen an ECM." Hauptgründe für diese Entwicklung sind die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen und die wachsende Bedeutung von unstrukturierten Daten. Parallel dazu hat sich der Begriff des digitalen Dokuments gewandelt. Neben eingescannten Schriftstücken auf Papier geht es heute auch um E-Mails, Textdateien, Tabellen, Formulare und andere - auch bildhafte - elektronische Informationsträger unterschiedlichster Formate und Inhalte.
Foto: fotolia.com/DigitalGenetics
Als wichtigste Trends hat PAC im Rahmen einer aktuellen Untersuchung eine effiziente Suche, die elektronische Akte, Business-Process-Management, Compliance und Big Data ausgemacht. Zwar kamen die Befragten aus Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern, doch aus anderen Studien und zahlreichen Gesprächen mit mittelständischen Anwendern weiß Softwareexperte Niemann, dass diese Punkte - in unterschiedlicher Ausprägung - auch die IT- und Business-Entscheider im Mittelstand beschäftigen: "Nicht die Größe entscheidet über den Bedarf an ECM, sondern das Lösungspotenzial der Technologie für die Geschäftsabläufe des Unternehmens." Ohnehin ist ECM schon lange kein Thema mehr nur für Großfirmen. Auch für den Mittelstand gibt es bezahlbare und leistungsfähige ECM-Lösungen.
Allerdings, so Niemann, fehle es häufig an einer klaren Strategie: "Angefangen wird da, wo der Druck am größten ist. Das kann der Auftragserfassungs- und -bearbeitungsprozess sein, die Buchhaltung oder auch die E-Mail-Archivierung." Und manchmal kommt der Anstoß zur Beschäftigung mit ECM gar vom Dienstleister, der die Multifunktionsgeräte für Drucken, Scannen, Kopieren und Faxen wartet. Denn die großen Druckerhersteller sind angesichts des Trends, Papier, wenn möglich, zu vermeiden, längst dazu übergegangen, ihren Kunden auch Lösungen für das Management von elektronischen Dokumenten anzubieten. Ohne strategisches Vorgehen in enger Abstimmung der IT mit allen Fachabteilungen ist jedoch schnell eine Entscheidung gefallen, die sich spätestens dann als "zweitbeste" entpuppt, wenn in unterschiedlichen Abteilungen unterschiedliche Systeme eingesetzt und damit Prozesse behindert werden.
ECM ist kein Selbstläufer
Foto: fotolia.com/arahan
Unternehmen sind deshalb gut beraten, das Thema Enterprise-Content-Management nicht auf einen Anwendungsbereich begrenzt zu betrachten, sondern an den Erfordernissen der Geschäftsprozesse auszurichten. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang: Nicht für jede ECM-typische Funktion ist der Einsatz einer ECM-Lösung erforderlich, so Niemann: "Manche Basisanforderungen an das Dokumenten-Management, einen Teilbereich des Enterprise-Content-Managements, werden heute von immer mehr ERP-Produkten mit abgedeckt - sei es durch Eigenentwicklungen des Herstellers oder durch Partnerlösungen." Gerade mittelständische Firmen müssen nicht immer ein umfassendes ECM-System implementieren. Sie sind oft mit kleineren Lösungen, die auf vorhandenen Systemen aufsetzen, bestens versorgt. Niemann erklärt: "Das ist vor allem deshalb wichtig, weil ein ECM-System in der Regel nicht einfach wie ein Textverarbeitungsprogramm installiert wird und dann von selber läuft. Einrichtung und Anpassung sind nötig - und sie sind umso teurer, je komplexer das System ist."
Der Aufwand lohnt sich
Unabhängig davon gilt: Ganz ohne Aufwand ist ECM nicht zu haben - das geht schon beim Scannen der früher papiergebundenen Dokumente los. Doch den Unternehmen winken handfeste wirtschaftliche Vorteile: Beispielsweise konnte der ADAC bei der Einführung seines ECM mehr als 30.000 laufende Meter Aktenordner innerhalb von sieben Monaten um 90 Prozent reduzieren und so nicht nur Platz, sondern auch Kosten für Aktenschränke beim Umzug ins neue Gebäude sparen. Und sind die Dokumente einmal digitalisiert, ergeben sich bei jedem Zugriff Zeitersparnisse aufgrund der komfortablen Suchfunktionen und kurze Antwortzeiten moderner ECM-Lösungen. In Kombination mit der Unterstützung von Abläufen durch Workflows und die elektronische Akte summieren sich die Einsparungen mit jedem Prozessschritt bei Genehmigungen und Freigaben, Vertragsgestaltungen, Aufträgen, Bestellungen und anderen Abläufen. In Summe ergeben sich Vorteile, mit denen sich die ECM-Lösung oft innerhalb eines Jahres bezahlt macht. Diese prozessrelevanten Nutzenargumente sind es denn auch vor allem, die Unternehmen bewegen, sich mit einem effizienten Content-Management zu befassen.
COMPUTERWOCHE Marktstudien zum Thema ECM
Für die Mehrzahl der Verantwortlichen gilt jedoch das Thema Compliance als einer der wichtigsten Gründe, sich mit ECM zu beschäftigen. So bleibt die Verwaltung steuerrelevanter Unterlagen ein Hauptmotiv für den ECM-Einsatz. Aber auch die Dokumentation von Herstellungsprozessen und die Nachverfolgbarkeit von Lieferketten im Zusammenhang mit produkthaftungs- oder lebensmittelrechtlichen Fragen fallen in den Bereich der Compliance-motivierten ECM-Nutzung. Darüber hinaus helfen ECM-Systeme, mit Funktionen zum Digital-Rights-Management (DRM) den Zugriff auf Dokumente nach einem Berechtigungskonzept zu regeln und so die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen sicherzustellen.
Anders als angesichts der allgemeinen Popularität von Cloud und Mobile Solutions zu erwarten, zeigt die PAC-Untersuchung der ECM-Trends in den Unternehmen, dass Themen wie mobiles ECM und Cloud Computing in der Unternehmenspraxis nur von geringer bis sehr geringer Relevanz sind. Dennoch hat sich das Gesicht von ECM aus der Perspektive des Endanwenders stark verändert. Eine ansprechende, verständliche und leicht zu bedienende Oberfläche ist laut PAC-Analyst Niemann ein unverzichtbarer Bestandteil eines zeitgemäßen Systems. Dazu gehört auch die Mehrsprachigkeit der Lösung - schließlich macht die Internationalisierung der Geschäftsprozesse vor dem Mittelstand nicht Halt. (ph)