Standards

Eine kleine BPM-Fibel

21.02.2011 von Stefan  Ueberhorst
Eine Übersicht über die wichtigsten Standards im Bereich Business-Process-Management (BPM) gibt Saperion.
Saperion gibt einen BPM-Crashkurs.

Saperion beobachtet die im Business Process Management relevanten Standards seit einigen Jahren und doziert zu diesem Thema in Universitäten. Zum Teil hat der Hersteller die Spezifikationen bereits in den eigenen Produkten implementiert. Im Folgenden wird erläutert, was es mit BPM, BPMN, EPK, XPDL und BPEL, sowie den neuen Akronymen ACM und CMPM auf sich hat.

Grundkurs BPM

Business Process Management (BPM) - in Deutschland eher bekannt als Geschäftsprozess-Management - wurde Anfang des Jahrtausends durch die Gartner Group und die Business Process Management Initiative (BPMI, Initiator der BPMN und inzwischen von der Object Management Group übernommen) verbreitet. BPM beschreibt ein Vorgehen zur Verbesserung von Geschäftsprozessen, ohne direkt bestimmte Methoden und Werkzeuge zu spezifizieren. Der zugrundeliegende Aspekt dabei: Es kann nur das verbessert beziehungsweise gesteuert werden, was beschrieben und bemessen ist. In einem ersten Schritt werden vorhandene Prozesse dokumentiert - von der Prozesslandkarte mit dem Überblick bis hin zum ausführbaren Workflow. Das Prinzip: Während der Ausführung von Geschäftsfallinstanzen und Vorgängen werden Daten gesammelt. Diese können im Sinne eines Monitorings genutzt werden, um zum Beispiel bei einer sich abzeichnenden Überlastung schnell gegensteuern zu können. Analysen von Daten, die über einen längeren Zeitraum gesammelt wurden, helfen dabei, Indizien für die Verbesserung der Prozesse zu finden.

Grundkurs ACM

Adaptive Case Management (ACM) - ist ein Begriff, der sich in den letzten 3 Jahren in Amerika, speziell in der Workflow Management Coalition (WfMC, einer in 1993 gegründeten Non-Profit Organisation zur Standardisierungen rund um das Ausführen von Workflows) herausgebildet hat. Grund war die Feststellung der Marktanalysten wie Gartner und Forrester, dass nur der geringere Teil unserer Prozesse in Form von strukturierten Aufgabenketten vordefiniert zur Ausführung gebracht werden kann. Der weitaus größere Teil unserer Prozesse erfolgt eher adhoc, sprich was als nächstes anfällt, entscheidet der Wissensmanager auf Grundlage der aktuellen Situation. Im Deutschen wird Case Management häufig als Fallbearbeitung übersetzt. Typische Anwendungsfälle sind bei den Arbeitsagenturen oder in der Betreuung von schwererkrankten Personen zu finden. Meist fallen während der Bearbeitung mit der Zeit viele Dokumente an, die in einer Akte strukturiert geführt werden. Daher werden hier häufig Produkte von Enterprise Content Management Systemen genutzt, die zusätzlich eine Aufgaben- und Terminverwaltung anbieten. Checklisten und Wissensdatenbanken helfen bei der Durchführung. Der Fall wird überwiegend von einem verantwortlichen Sachbearbeiter betreut.

Standards für Fortgeschrittene - BPMN - Business Process Model and Notation

Abbildung eines BPMN-Diagramms mit 2 Pools (Pizza-Bestellung Kunde, Pizza-Verkauf Lieferant) und 2 Lanes (Lieferjunge, Pizzabäcker) im unteren Pool. (Quelle: Praxishandbuch BPMN von Jakob Freund und Bernd Rücker)

BPMN beschreibt die Formen grafischer Elemente, die zur visuellen Dokumentation von Geschäftsprozessen genutzt werden. Das Modellieren von Aufgabenketten ist eine Teilaufgabe bei der Verbesserung von Geschäftsprozessen in einem Kreislauf immer wiederkehrender Tätigkeiten. Die Idee des BPMN ist es, eine einheitliche, visuelle Sprache für alle Beteiligten im gesamten Kreislauf zu bieten - vom Sachbearbeiter, über den IT-Ingenieur bis zum Manager. Die Elemente der BPMN sind so genannte Pools und Swimplanes zur Bestimmung von Rollen und Aktivitäten, die für eine bessere Übersichtlichkeit durch Pfeile verbunden werden. Ereignisse wie Start, Ende oder Eingang und Ausgang von Informationen sowie Gateways für das Verzweigen vervollständigen das Bild.

Mit der Version 2.0 wurden dem Collaboration Diagramm wie im obigen Bild zu sehen noch das Conversation und das Choreographie Diagramm zur Seite gestellt. Besonders das Conversation Diagramm ist zu Beginn der Modellierung hilfreich, stellt es doch dar, welche Informationen zwischen den Prozessteilnehmern ausgetauscht werden.

Martin Bartonitz von Saperion: Die Serialisierung in BPMN 2.0 ermöglicht die Interoperabilität zwischen einzelnen BPMN-Werkzeugen.

Erst mit der Version BPMN 2.0, an der nun sämtliche Marktführer für Business Process Management Softwarelösungen mitgearbeitet haben, ist auch die Interoperabilität der Modelle erreicht. Was bisher fehlte, war das Format zur Speicherung der Modelle. Hierzu wurde nun ein XML-Format spezifiziert, das nun den Austausch mit den Werkzeugen unterschiedlicher Hersteller erlaubt. Das XML-Format besitzt zwei Bereiche, einen für die grafische Repräsentation der Modelle und eines mit den Eigenschaften, die während der Ausführungszeit von Process/Workflow Engines genutzt wird.

Die SAPERION AG hatte schon in der frühen Spezifikationszeit mit der Anpassung ihres ihrer Produkte begonnen und war pünktlich mit der Freigabe des Standards mit dessen Unterstützung am Markt. Dr. Martin Bartonitz, Product Manager Workflow, SAPERION: "Die wichtigste Eigenschaft der neuen Version ist die Serialisierung. Sie ermöglicht eine Interoperabilität zwischen den einzelnen BPMN-Werkzeugen. Daher haben wir frühzeitig begonnen, den Import von Prozessmodellen, die auf BPMN 2.0 basieren, zu implementieren. Dabei fanden wir Unterstützung bei unserem Partner Signavio, der seine Modelle über ein Deployment an unsere Workflow Engine übergeben kann. Wir mussten allerdings feststellen, dass der Standard für die Ausführung mehr Web-Service orchestrierende Process Engines unterstützt als Workflow Engines, wie die unsrige, die vorrangig Aufgaben koordiniert, die von Menschen erledigt werden. Und hier sieht die Welt doch komplexer aus, sprich es fehlen dem Standard noch eine Reihe von Attributen, die wir in als Extension ergänzen mussten."

Standard in den Startlöchern - CMPM - Case Management Process Modeling

Derzeit wird an einer Erweiterung der BPMN gearbeitet. Die Stärke der BPMN liegt in der Modellierung von strukturierten Aufgabenketten. Wie wir gelernt habe, gibt es aber auch die unstrukturierteren Prozess im Bereich des Case Management. Da aber auch hier gewisse Strukturen ausgemacht werden können, ist bei der OMG mit der Spezifikation der CMPM als Ergänzung der BPMN begonnen worden.

Konkurrenzstandard EPK?

Beispiel für eine EPK.

Bis zum Erscheinen von BPMN wurden diverse Modelle für die visuelle Beschreibung von Prozessen verwendet - von einfachen Flussdiagrammen über Petri-Netze bis hin zu ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK). EPK sind Anfang der 1990er Jahre als Teil des ARIS Toolset von IDS Scheer auf den Markt gekommen. Sie lassen sich zumindest in Deutschland als Industriestandard bezeichnet. Im Prinzip ähneln EPK dem BPMN-Modell. Auch hier werden Funktionen über Pfeile miteinander verbunden. Anstelle von Pools und Lanes existieren kleine Blasen an den Funktionen für die beteiligte Rolle. Insgesamt ist die Fülle an möglichen Differenzierungen begrenzter.

Die Firma IDS bietet zum Austausch ihrer EPK-Modelle den Export in das Format XPDL sowie zur Ausführung nach BPEL (beide siehe unten). IDS Scheer hat auf die Kundennachfragen reagiert unterstützt seit einiger Zeit ebenfalls PBMN in der Version 1.1. Mit der im letzten Jahr erfolgten Übernahme durch die Software AG ist zudem auch die Unterstützung der Serialisierung der BPMN 2.0 zu erwarten.

Prozessbeschreibungssprache XPDL

XPDL steht für XML Process Definition Language. Dieser Standard wird durch die Workflow Management Coalition vorangetrieben und ist inzwischen in der Version 2.1, demnächst 2.2 auf dem Markt. Ziel des Standards ist der Austausch von Prozessmodellen. Dabei wurde XPDL bis dato von vielen Herstellern von BPMN-Tools dafür verwendet, ihre Modelle mit anderen Herstellern auszutauschen. Von großem Vorteil ist für die Hersteller von Workflow Engines, dass Spezialfunktionen in sogenannten Extensions untergebracht werden können. Dies birgt gleichzeitig jedoch einen Nachteil bei der Interoperabilität, denn Workflow Engine B kann mit den Erweiterungen der Engine A in der Regel nichts anfangen. SAPERION bietet den Export ihrer Workflow-Modelle nach XPDL seit 2007 an.

Prozessbeschreibungssprache BPEL

BPEL steht für Business Process Execution Language. Das Standardisierungsgremium für die Prozessbeschreibungssprache ist die Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS). Der wesentliche Unterschied zu XPDL: Im PBEL übernehmen Web-Services die Aufgaben, im XPDL sind es Menschen, die ihre Aufgabe zur Bearbeitung erhalten. Ein weiterer Unterschied: Während XPDL Graphen-orientiert arbeitet, agiert BPEL Block-orientiert. Das bedeutet, dass typische Wiederholungen, wie sie in menschlichen Prozessen häufig vorkommen, schwerer zu implementieren sind. Ein weiterer Nachteil von BPEL ist das Fehlen der grafischen Koordinaten, so dass der Weg von einem Malprogramm in eine Workflow Engine über BPEL nur unidirektional stattfindet. Das bedeutet: Werden weitere Prozessinformation für die Ausführung in dem Tool der Workflow Engine eingegeben, ist ein weiterer Abgleich zwischen den Modellen nur noch manuell möglich. Andererseits verfügt BPEL gegenüber XPDL über ausgefeiltere Mechanismen, die zur Ausführung in Workflow Engines hinsichtlich der Fehlerbehandlung wichtig sind. Die BPMN profitierte von beiden und ist mit ihrer Serialisierung nun einen Schritt voraus.

Ausblick BPMN mit BMM, OSM und SVBR

Fest steht: BPMN 2.0 wird XPDL und BPEL die Show stehlen. Darüber hinaus werden weitere Standards der OMG für zusätzliche Veränderungen sorgen. Mit dem Business Motivation Model (BMM) werden Ziele und Strategien definiert, die wieder Einfluss auf die BPMN-Modelle haben werden. Das Organizational Structure Model (OSM) bietet die Möglichkeit der grafischen Abbildung von Unternehmensstrukturen. Diese stehen in Beziehung zu den Rollen in der BPMN. Abgerundet wird das Bild durch die Semantics of Business Vocabulary and Rules (SBVR), einer an der natürlichen Sprache (allerdings nur Englisch) angelehnten Notation zur Formulierung von Geschäftsregeln. Die SAPERION AG arbeitet aktuell an der Integration entsprechender Rule Engines. Dabei ist ein weiterer Standard interessant, der JSR 94, eine Klassenmodell zur Ansteuerung der Rule Engine mittels Java. Der Vorteil ist ein deutlich vereinfachtes Prozessmodell, das leichter gelesen werden kann. (ue)