Interview Enterprise Content Management

EMC sucht die Allianz mit SAP und Microsoft

25.11.2008 von Sascha Alexander
Mark Lewis, EMCs President für Content Management und Archivierung, sieht in einer Service-orientierten Architektur, Web-2.0-nulligen Benutzeroberflächen und dem Ausbau des Lösungsgeschäfts seine Strategie gegen IBM und Oracle.

CW: In unserem letzten Gespräch hatten Sie als neuer President der Content Management and Archiving Division von EMC angedeutet, die bis dahin vernachlässigte Integration zwischen dem Portfolio für Enterprise-Content-Management (ECM) und ihren Speicherprodukten verbessern zu wollen. Wie weit ist Ihnen dies gelungen?

Lewis: Das Content-Management-Geschäft ist mittlerweile technisch und in der Vermarktung fester Bestandteil von EMCs Gesamtstrategie eines Information-Lifecycle-Managements. Dadurch können wir als einziger ECM-Hersteller auch Einsparpotenziale unserer Speichertechnik bieten wie etwa eine Policy-basierende und deduplizierte Datenverwaltung. Mit der ECM-Plattform Documentum 6.5 wurde zudem die technische Integration zwischen den Produktlinien über eine Service-orientierte Architektur (SOA) und Web-Services vertieft.

Mark Lewis kündigte auf der diesjährigen Kundenveranstaltung Momentum in Prag eine Fokussierung auf ECM-Lösungen und einen schnellen RoI in Projekten an.


CW: Anfang 2007 war President und Chief Executive Officer Joe Tucci wenig begeistert von der Entwicklung des ECM-Geschäfts gewesen. Hat sich die Lage gebessert?

Lewis: Die Akzeptanz von Documentum 6 und 6.5 ist groß und hat zu einer erheblichen Zahl neuer Installationen geführt (hierzulande stehen die ersten Kunden vor der Live-Schaltung ihrer Documentum-6.5-Lösung. Anmerkung der Redaktion). Vor allem unter bisherigen IBM/FileNet-Kunden haben wir Zuspruch gefunden. Insgesamt mussten wir aber feststellen, dass Unternehmen entgegen unseren Erwartungen weniger nach einem Ersatz für vorhandene ECM-Repositories suchen, sondern einen föderierten Ansatz verfolgen. Sie wollen dabei auf Documentum neuen Anwendungen entwickeln, aber die alten Repositories weiterhin für die Suche, Indizieren, Speicherung von Dokumenten einbeziehen. Dies trägt der Einsicht Rechnung, dass sich eine Migration von Repositories oft für sie nicht lohnt.

Unternehmen automatsieren nur Kernprozesse

CW: EMC positioniert seine ECM-Produktplattform als Framework für den Aufbau umfassender Informations-Infrastrukturen und dokumentenzentrierter Prozesse. Doch scheinen Anwender bisher, wenn überhaupt, nur einzelne Kernprozesse automatisieren und optimieren zu wollen.

Lewis: Das stimmt. In Unternehmen gibt es heute viele unflexible Dokumentenprozesse, die entweder noch auf Papier basieren oder anwendungsabhängig sind. Unsere ECM-Plattform "EMC Documentum" soll Anwendern helfen, stattdessen möglichst einfach leichtgewichtige inhaltszentrierte Workflows erstellen und anpassen zu können. Zudem können wir dank Übernahmen wie der von Captiva (Posteingangserfassung) oder Document Sciences (Output-Management) sämtliche ECM-Felder abdecken.

Content Management und operative Prozesse kommen zusammen

CW: Sie haben erklärt, dass ECM-Lösungen künftig ein transaktionsorientiertes Content-Management unterstützen müssen. Hierfür müsste man aber ECM-Produkte weitaus enger mit ERP-Prozessen und Techniken des Business-Process-Managements koppeln als bisher.

Lewis: Absolut. Immer mehr Kunden suchen nach Content-fähigen, -zentrierten Anwendungen, die zugleich transaktionsorientiert sind. Beispiele sind die Schadensfallbearbeitung oder die Kreditorenbuchhaltung. Mit Documentum 6 schufen wir das Basis-Framework für ein transaktionsorientiertes Content-Management und entwickeln es kontinuierlich weiter. Bei der Lösungsentwicklung auf dieser Plattform setzen wir hingegen auf Kooperationen mit Softwarehäusern (ISVs) und arbeiten eng mit SAP und Microsoft zusammen. Es gib zu viele Industrien, um sie allein abdecken zu können. EMC will daher nur sehr wenige, robuste ECM-Lösungen selbst entwickeln.

CW: Wie sehen Sie Ihre ECM-Strategie im Vergleich zu IBM und Oracle?

Lewis: Wir haben einen anderen Ansatz. IBM verfolgt eine an Dienstleistungen ausgerichtete Strategie und kundenspezifische Projekte. Oracle hat zwar starke Infrastrukturkomponenten, aber es fehlt bisher der Fokus auf ein Prozess-Management und ECM-Lösungen. EMC setzt hingegen auf Content-Management-Technik, die Integration mit Partnern wie Microsoft und SAP sowie standardisierte ECM-Anwendungen gleichermaßen (Lesen Sie mehr zur Entwicklung und Trends im deutschen ECM-Markt).

CW: Aber auch IBM hat durch den Kauf von FileNet nun viele ECM-Lösungen zu bieten.

Lewis: Ja, FileNet hatte immer eine starke Lösungsausrichtung. Aber ich frage mich, wie IBM aus seinem eigenen ECM-Angebot und dem von FileNet eine gemeinsame Plattform schaffen will.

CW: Mit Documentum 6.5 überholen Sie auch ihre Frontends. Wie sieht die künftige Client-Strategie aus?

Lewis: Der Client "MediaWorkspace" hat jetzt eine Flex-basierende Oberfläche erhalten und soll den hohen Ansprüchen kreativer Anwender (digitaler Inhalte wie Videos etc.) nachkommen. Er soll auch künftig ein separates Angebot bleiben. Mit "CenterStage", das sich an den "Knowledge Worker" richtet und ebenfalls auf Flex basiert, möchten wir hingegen alle übrigen ECM-Clients konsolidieren.

CW: Mit dem Collaboration-Client CenterStage verschwindet die bisherige Collaboration-Umgebung eRoom?

Lewis: Ja, sobald wir alle Features abgebildet haben.

Enterprise Mashups und Collaboration

CW: Wir würden Sie CenterStage mit Microsoft SharePoint vergleichen?

Lewis: SharePoint ist stark auf die Nutzung mit Microsoft Office und hat ein entsprechendes Look-and-feel. CenterStage ist hingegen auf breitere Unternehmensszenarien und die Web-Nutzung ausgerichtet. Das bedeutet, dass wir sowohl die Individualentwicklung von Collaboration-Lösungen gut unterstützen müssen als auch die Einbindung externer Dienste über Web-Services und die Integration des Clients in Anwendungen wie SharePoint.

CW: Wie wollen Sie CenterStage positionieren? Stand-alone, als Portalerweiterung, als Office-Baustein?

Lewis: Grundsätzlich wird CenterStage als Portalumgebung dienen, die das ECM-Backend einbindet und darüber hinaus andere Anwendungen einschließt. Zudem ist es eine Entwicklungsumgebung.

CW: Welche Rolle spielen diesbezüglich Enterprise Mashups wie beispielsweise der "Duet"-Client von SAP und Microsoft?

Lewis: Wir ermöglichen Mashups und eine Content-Integration auf verschiedenen Gebieten. So können Kunden über die virtuellen Repository Services von Documentum unstrukturierten Content, unabhängig von dessen Quelle, auffinden und verwalten, also auch auf Content-Server etwa von Open Text oder IBM/FileNet zugreifen. Ebenso wird der CMIS-Standard künftig eine bessere Integration bieten. Externe Anwendungen und Clients können ihrerseits über das "Documentum Web Services Framework" auf unsere Plattform zugreifen. Am Frontend erlaubt CenterStage Mashups im dem Sinne, dass sich Wikis, Blogs etc. in Documentum einbinden lassen.