Foto: Brose
Große Markenhersteller sind durch ihre Produkte allgemein bekannt. Doch Arbeitgeber, die im B2B-Umfeld erfolgreich sind, werden von Bewerbern oft übersehen. Der Automobilzulieferer Brose in Coburg beschäftigt weltweit rund 19.500 Mitarbeiter und sucht für seine Standorte Ingenieure, Techniker, IT-Mitarbeiter und kaufmännisches Personal. "Wir sind stark gewachsen und haben in diesem Jahr mehr als 300 internationale Aufgaben für Fach- und Führungskräfte zu vergeben", sagt Katrin Menzner, verantwortlich für das Personal-Marketing von Brose. Allein in Deutschland sind es etwa 190 Positionen. Brose konkurriert im Wettlauf um Bewerber auch mit seinen Kunden, den Autoherstellern. Seit 2004 widmet sich der Zulieferer dem Thema Employer Branding.
Doch bevor Brose ausgefallene Anzeigen entwickelte und seine Twitter- und Facebook-Aktivitäten startete, wurde in Coburg intensiv über die zentralen Inhalte dieser Arbeitgebermarke nachgedacht. Dabei kristallisierten sich die Kernbotschaften Technikbegeisterung, Traditionsbewusstsein sowie die Werte eines Familienunternehmens heraus. "Unsere Leidenschaft für Technik haben wir deshalb auch zum Gegenstand einer Anzeigenkampagne gemacht", erklärt Menzner. Aus Produkten des Zulieferers wurden beispielsweise Schmetterlinge geformt und mit dem Slogan "Technikschwärmer gesucht" veröffentlicht.
Emotionalität darf nicht fehlen
Neben Anzeigenkampagnen und Stellenausschreibungen in Jobbörsen kommt den Karriereseiten auf der Homepage eine große Bedeutung zu. "Da wir nicht direkt über unsere Produkte wahrgenommen werden, müssen wir andere Wege gehen, um uns als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren", sagt die Personalerin. Umfangreiche Informationen über Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Sozial- und Zusatzleistungen finden Bewerber auf den Karriereseiten des Unternehmens.
Foto: Privat
Wenn Firmen darüber nachdenken, was sie als Arbeitgeber auszeichnet, darf die Emotionalität nicht fehlen. Bekanntlich entscheiden Bewerber genauso wenig wie Konsumenten nur nach rationalen Argumenten. Alfred Quenzler lehrt an der Hochschule Ingolstadt internationales Personal- und Organisations-Management. Als ehemaliger Leiter des Personal-Marketings und Recruitings von Audi kennt er die praktische und theoretische Seite des Employer Brandings gut. Neben einer umfassenden Analyse und der intensiven Beschäftigung mit den eigenen Zielen empfiehlt der Professor, auch die Wettbewerber genau im Auge zu behalten sowie Aussagen zu Unternehmens- und Arbeitgeberimage im Netz regelmäßig zu überprüfen: "Es ist interessant, Bewerber zu befragen, die abgelehnt wurden oder sich gegen das Unternehmen entschieden haben. Auch ehemalige Praktikanten können relevante Antworten auf die Frage liefern, wie sie die Firma sehen und ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben."
Antworten auf solche Fragen schmeicheln dem Management nicht immer. Wenn ein Werkstudent den Chef als engstirnig und rechthaberisch beschreibt, in der Stellenanzeige aber von eigenständigem Arbeiten die Rede war, dann bietet das zumindest Diskussionsstoff. Quenzler rät, neue Mitarbeiter nach einem halben Jahr zu befragen, wie sie ihre Einarbeitung erlebt haben. "Jüngere Mitarbeiter antworten aufgrund ihrer idealistischen Einstellung auf solche Fragen oft viel offener und ehrlicher als Berufserfahrene", so Quenzler.
Gefährliche Marketing-Versprechen
Auch wer in Bewertungsportalen wie Kununu nachliest, was dort über das eigene Unternehmen geschrieben wird, kann als Personaler die eigene Betriebsblindheit schnell überwinden. "Glaubwürdigkeit und Werte sind Mitarbeitern und Bewerbern sehr wichtig. Der Erfolg von Employer Branding hängt zum wesentlichen Teil davon ab. Deshalb ist es wichtig, dass Vorstand und Management hinter der Entwicklung einer attraktiven Arbeitgebermarke stehen und sich diesen Fragen stellen", fordert Quenzler und ergänzt: "Leere Marketing-Versprechen werden dagegen schnell entlarvt." Auch für Brose reicht der Hinweis auf die Tradition als Familienunternehmen als Argument nicht aus. Katrin Menzner berichtet, dass ihr Arbeitgeber Bildung, Soziales, Kultur sowie Spitzensport fördert, etwa als Hauptsponsor des Bamberger Basketballvereins Brose Baskets. "Besonders in der Freude am fairen Wettbewerb und dem Streben nach Perfektion und Leistungsorientierung erkennen wir unsere eigenen Werte wieder", sagt Menzner.
Frische Ideen ohne großes Werbebudget
Mittelständische Firmen brauchen frische Ideen, um gegen die Übermacht der Branchenschwergewichte zu bestehen. Dass das auch ohne PR-Agentur und großes Marketing-Budget funktioniert, zeigt das Softwarehaus mgm Technology Partners. "In München ist es schwierig, Java-Entwickler zu finden. Deshalb haben wir uns überlegt, was uns als Arbeitgeber auszeichnet und wie wir Bewerber ansprechen können", sagt Personalreferentin Esther Bösche.
Foto: mgm
Ein Kollege aus dem hauseigenen Projektteam kam auf die Idee, dass die Wortschöpfung "bajavarisch" den Standort Bayern und die Java-Entwickler als gesuchte Zielgruppe zusammenführt. Der Grafiker konzipierte Plakate und eine eigene Website. In München, Augsburg, Erlangen oder Nürnberg finden sich diese Poster von Zeit zu Zeit. Die dort beworbene Website liefert Hintergrundinformationen zum Unternehmen und listet Jobangebote auf. "Mit ‚Sprechen Sie bajavarisch?` sind wir richtig bekannt geworden, viele Werkstudenten und Bewerber sind so auf uns aufmerksam geworden", freut sich Bösche.
Gutes Image dank Blog
Doch das ist nicht die einzige Idee, sich als Arbeitgeber zu positionieren. Seit zwei Jahren schreiben Entwickler von mgm Technology Partners einen Blog und diskutieren dort mit anderen IT-Experten. "Unser Blog wird inzwischen weltweit von Leuten gelesen, die sich für Softwareentwicklung interessieren", sagt Bösche. Das 1994 gegründete Unternehmen beschäftigt rund 260 Mitarbeiter und möchte noch mindestens 40 Kollegen an Bord holen.
Gerade entsteht eine zweite Plakatkampagne, die ebenfalls das eigene Projektteam entwickelt hat. Die neuen Motive zeigen Mitarbeiter und ihre Hobbys, etwa am Strand, beim Yoga oder auf einer Skitour. "Die Kollegen waren begeistert von der Idee und haben viele Fotos geliefert", so Bösche. Denn mgm Technology Partners möchte nicht nur Bewerber ansprechen, sondern auch über eine starke Arbeitgebermarke die Mitarbeiter an das Unternehmen binden. Auf der Homepage können Bewerber ihre künftigen Kollegen in kurzen Videos kennen lernen. Auch Firmengründer Hamarz Mehmanesh erzählt dort ganz leger in T-Shirt und ohne Schlips, was das Besondere an seinem Unternehmen ist.
Foto: Projectplace
Gute Mitarbeiter zu finden und an die Firma zu binden beschäftigt auch Projectplace. Der vor 14 Jahren in Stockholm gegründete IT-Dienstleister genießt zwar in Schweden einen guten Ruf unter Bewerbern, doch die neu gegründete deutsche Niederlassung muss sich erst noch einen Namen machen. Charlotta Tingshammar, die seit Januar als Country Managerin die Dependance in Frankfurt am Main leitet: "Wir sind ein junges Unternehmen und bieten unseren Mitarbeitern viele Möglichkeiten." Ein wichtiges Argument gegenüber Bewerbern ist für Tingshammar die eigene Software, ein Web-basierendes Projekt-Management-Tool. "Social Business, Cloud-Lösungen und Software as a Service haben ein großes Wachstumspotenzial und verändern gerade die Art und Weise, wie wir arbeiten und kommunizieren. Wir entwickeln diese Lösungen", so die Managerin. Neben den Inhalten möchte Projectplace Bewerber auch mit Werten überzeugen. Wenn Tingshammar darüber spricht, fallen einige Besonderheiten auf: "Wir gehen anders an Employer Branding heran. Uns ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter auch persönlich entwickeln, dass sie genügend Freizeit haben und diese auch genießen." Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren ist ein Aspekt, Gesundheit sowie Weiterentwicklung sind weitere Werte.
Lernen von den Mitarbeitern
Foto: Projectplace
"Offen und ehrlich gegenüber den Mitarbeitern sein heißt für uns auch, dass wir von ihnen lernen möchten", sagt Tingshammar. Sie sieht sich als gutes Beispiel für die Unternehmenskultur: Seit drei Jahren arbeitet sie für Projectplace in Stockholm. Nach der schwedischen Unternehmensphilosophie trägt die Familie zur Gesundheit eines Mitarbeiters bei. Deshalb unterstützt Projectplace seine Belegschaft darin, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Dazu beitragen können flexible Arbeitszeiten, Home Offices oder auch ein freier Nachmittag, wenn ein Elternteil die Sprechstunde an der Schule besuchen muss. "Solange es mit dem Manager abgesprochen ist und es niemand ausnutzt, ist das kein Problem", ergänzt Tingshammar, deren Töchter inzwischen zehn und 15 Jahre alt sind. Als sich für sie die Möglichkeit ergab, als Country Managerin für ein Jahr zwischen Stockholm und Frankfurt zu pendeln, ergriff sie die Chance: "Ich lerne gerade sehr viel über den deutschen Markt, und es ist alles sehr faszinierend für mich."
Die Botschaft ist wichtiger als das Design
Christian Scholz hält Employer Branding für eine erfolgreiche, aber nicht ganz einfache Methode. Der Professor für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes erklärt, worauf es ankommt.CW: Wie können Firmen eine Arbeitgebermarke entwickeln?
Scholz: Firmen müssen sich zunächst fragen, wofür sie stehen, welche Werte sie haben und mit welcher Botschaft sie gegenüber Mitarbeitern und Bewerbern auftreten möchten. Im günstigsten Fall umfasst das Konzept Arbeitgebermarke alle Personal-Management-Aktivitäten, die das Besondere des Unternehmens und der Unternehmenskultur herausarbeiten. Allerdings sollten Personalabteilungen diese Aufgabe nicht an ihre Marketing-Kollegen delegieren. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur eine Werbebroschüre entsteht, in der sich alles um Design und Corporate Identity dreht, Fakten und die Realität jedoch verloren gehen.
CW: Welche realistischen Ziele lassen sich erreichen?
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Scholz: Die Kunst besteht darin, das Unternehmen so auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, dass die wichtigen Werte klar ersichtlich sind. Denn Employer Branding soll nicht heißen, das Blaue vom Himmel herunterzuloben, sondern das "echte" Unternehmen und seinen individuellen Wiedererkennungswert so darzustellen, dass es die passenden Kunden oder Bewerber anspricht und anzieht. Eine Arbeitgebermarke kann aber noch mehr. Sie spornt Mitarbeiter zu Höchstleistungen an, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, und bindet diese Mitarbeiter langfristig.
CW: Das klingt wie das perfekte Zaubermittel für all die Sorgen, mit denen sich Personaler herumschlagen. Wo gibt es Probleme in der Umsetzung?
Scholz: Employer Branding ist in vielen Fällen eine absolute Katastrophe, vor allem dann, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen, Manager per E-Mail die Unternehmenswerte an die Mitarbeiter verschicken, jedoch von all der schönen Rhetorik im Arbeitsalltag nichts zu spüren ist.
CW: Sollten es die Firmen lieber mit einer Blut-Schweiß-Tränen-Rede versuchen und riskieren, dass sich keiner mehr bei ihnen bewirbt?
Scholz: Ehrlichkeit und Authentizität sind sehr wichtig. Gerade kleinere Firmen sollten sich Plattformen wie Blogs oder Veranstaltungen aussuchen, in denen sie von potenziellen Bewerbern wahrgenommen werden. Es muss nicht immer Facebook oder Twitter sein, denn wichtig ist nicht, alle anzusprechen, sondern die Richtigen.
CW: Gibt es eine Erfolgsformel für Employer Branding?
Scholz: Ich empfehle die 70-20-10-Regel. 70 Prozent des Aufwands sollten für die interne Analyse und Strategiearbeit erbracht werden. Nur wenn sich Firmen im Klaren sind, wo sie stehen und in welche Richtung sie sich entwickeln möchten, können sie die Strategie umsetzen. 20 Prozent sollten sie der internen Kommunikation widmen und die eigenen Mitarbeiter von der Arbeitgebermarke überzeugen. Die verbleibenden zehn Prozent sollten sie in die externe Kommunikation investieren. Dabei kommt es weniger auf das Design und mehr auf die Botschaft an.