Arbeitgeber

Employer Branding ist mehr als Marketing

06.06.2012 von Ingrid  Weidner
Im Wettlauf um gute Bewerber haben Firmen die Nase vorn, die als besondere Arbeitgeber wahrgenommen werden. Dafür reichen Hochglanzbroschüren nicht aus. Die Unternehmenskultur muss im Alltag gelebt werden.
Katrin Menzner, Brose: "Wir sind stark gewachsen und haben in diesem Jahr mehr als 300 Stellen zu besetzen."
Foto: Brose

Große Markenhersteller sind durch ihre Produkte allgemein bekannt. Doch Arbeitgeber, die im B2B-Umfeld erfolgreich sind, werden von Bewerbern oft übersehen. Der Automobilzulieferer Brose in Coburg beschäftigt weltweit rund 19.500 Mitarbeiter und sucht für seine Standorte Ingenieure, Techniker, IT-Mitarbeiter und kaufmännisches Personal. "Wir sind stark gewachsen und haben in diesem Jahr mehr als 300 internationale Aufgaben für Fach- und Führungskräfte zu vergeben", sagt Katrin Menzner, verantwortlich für das Personal-Marketing von Brose. Allein in Deutschland sind es etwa 190 Positionen. Brose konkurriert im Wettlauf um Bewerber auch mit seinen Kunden, den Autoherstellern. Seit 2004 widmet sich der Zulieferer dem Thema Employer Branding.

Doch bevor Brose ausgefallene Anzeigen entwickelte und seine Twitter- und Facebook-Aktivitäten startete, wurde in Coburg intensiv über die zentralen Inhalte dieser Arbeitgebermarke nachgedacht. Dabei kristallisierten sich die Kernbotschaften Technikbegeisterung, Traditionsbewusstsein sowie die Werte eines Familienunternehmens heraus. "Unsere Leidenschaft für Technik haben wir deshalb auch zum Gegenstand einer Anzeigenkampagne gemacht", erklärt Menzner. Aus Produkten des Zulieferers wurden beispielsweise Schmetterlinge geformt und mit dem Slogan "Technikschwärmer gesucht" veröffentlicht.

Emotionalität darf nicht fehlen

Neben Anzeigenkampagnen und Stellenausschreibungen in Jobbörsen kommt den Karriereseiten auf der Homepage eine große Bedeutung zu. "Da wir nicht direkt über unsere Produkte wahrgenommen werden, müssen wir andere Wege gehen, um uns als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren", sagt die Personalerin. Umfangreiche Informationen über Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Sozial- und Zusatzleistungen finden Bewerber auf den Karriereseiten des Unternehmens.

Alfred Quenzler, Hochschule Ingolstadt: "Es ist interessant, Bewerber zu befragen, die sich gegen die Firma entschieden haben."
Foto: Privat

Wenn Firmen darüber nachdenken, was sie als Arbeitgeber auszeichnet, darf die Emotionalität nicht fehlen. Bekanntlich entscheiden Bewerber genauso wenig wie Konsumenten nur nach rationalen Argumenten. Alfred Quenzler lehrt an der Hochschule Ingolstadt internationales Personal- und Organisations-Management. Als ehemaliger Leiter des Personal-Marketings und Recruitings von Audi kennt er die praktische und theoretische Seite des Employer Brandings gut. Neben einer umfassenden Analyse und der intensiven Beschäftigung mit den eigenen Zielen empfiehlt der Professor, auch die Wettbewerber genau im Auge zu behalten sowie Aussagen zu Unternehmens- und Arbeitgeberimage im Netz regelmäßig zu überprüfen: "Es ist interessant, Bewerber zu befragen, die abgelehnt wurden oder sich gegen das Unternehmen entschieden haben. Auch ehemalige Praktikanten können relevante Antworten auf die Frage liefern, wie sie die Firma sehen und ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben."

Antworten auf solche Fragen schmeicheln dem Management nicht immer. Wenn ein Werkstudent den Chef als engstirnig und rechthaberisch beschreibt, in der Stellenanzeige aber von eigenständigem Arbeiten die Rede war, dann bietet das zumindest Diskussionsstoff. Quenzler rät, neue Mitarbeiter nach einem halben Jahr zu befragen, wie sie ihre Einarbeitung erlebt haben. "Jüngere Mitarbeiter antworten aufgrund ihrer idealistischen Einstellung auf solche Fragen oft viel offener und ehrlicher als Berufserfahrene", so Quenzler.

Arbeitgeber
Vorhang auf für....
....die 30 beliebtesten IT-Arbeitgeber 2012. Über 7000 Examensnahe Informatikstudenten aus ganz Deutschland haben für das diesjährige Trendence Graduate Barometer abgestimmt, das der CW exklusiv vorliegt.
Platz 26: ProSiebenSat1 Media AG
Medienkonzerne sind insbesondere unter angehenden Informatikerinnen beliebt. ProSiebenSat1 teilt sich den 26 Platz mit folgenden drei Unternehmen....
Nvidia...
einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen, ist ebenfalls auf Platz 26 gelandet ( Vorjahr Platz 27).
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz...
hat sich auch in diesem Jahr in den Top 30 behauptet. Forschungseintrichtungen ziehen insbesondere die 25 Prozent Besten eines Jahrgangs an.
Platz 25: Max-Planck-Gesellschaft
Sie gehört für IT-Studenten zu den ersten Adressen, wenn es um Innovation geht.
Platz 24: Lufthansa Systems AG
Stefan Hansen, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Systems AG, kann zufrieden sein: Sein Unternehmen hat es als einer der wenigen IT-Dienstleister unter die Top 30 geschafft.
Platz 22: EADS
Der Konzern mit seinen Töchtern Airbus, Eurocopter, EADS Astrium und EADS Defence & Security konnte seinen Platz im Vergleich zu 2011 behalten.
Platz 21: Adobe
Der US-amerikanische Softwarehersteller ist insbesondere für sein Bildbearbeitungsprogramm Photoshop bekannt. Bekannte Produkte überzeugen den IT-Nachwuchs.
Platz 20: Daimler/ Mercedes Benz
Daimler ist einer von insgesamt fünf deutschen Automobilherstellern, die in der Top 30 vertreten sind. Nach der IT ist die Automobilindustrie die Branche, in der Informatiker am liebsten arbeiten möchten.
Platz 19: Electronic Arts
Neben Autos locken den IT-Nachwuchs auch noch Computerspiele. Spielehersteller Electronic Arts verlor aber im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze.
Platz 17: Intel
Der Chiphersteller teilt sich in diesem Jahr den Platz mit dem....
...Bundesnachrichtendienst
2011 schnitt der BND, der viele offene Stellen für IT-Spezialisten hat, noch um sechs Plätze besser ab.
Platz 15: Bosch Gruppe
Das Unternehmen, das den weltgrößten Automobilzulieferer Robert Bosch und 300 Tochterfirmen umfasst, hat im Vergleich zum Vorjahr fünf Plätze im Ranking gut gemacht.
Platz 13: Volkswagen
Der VW-Konzern ( hier im Bild die Autostadt in Wolfsburg) stieg in der Gunst des IT-Nachwuchses, und zwar um fünf Plätze.
Platz 13: Porsche
Die VW-Tochter ist seit Jahren als Arbeitgeber unter IT-Studenten äußerst beliebt.
Platz 12:Crytek
Spielehersteller Crytek war 2011 der größte Aufsteiger im Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber und konnte seine Top-Platzierung fast halten.
Platz 11: Amazon
Eine der wenigen Internet-Firmen, die es unter die Top 30 geschafft haben.
Platz 10: BMW
Attraktive Produkte = attraktiver Arbeitgeber. Diese Gleichung scheint auch für den bayerischen Autobauer aufzugehen.
Platz 9: Siemens
Deutschlands größter Konzern war noch vor zehn Jahren der beliebteste Arbeitgeber der Informatikstudenten. Seitdem verliert er jedes Jahr einen oder mehr Plätze. 2011 belegte er Platz 7.
Platz 8: Fraunhofer Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten - hier im Bild der für den Fußball entwickelte RedFIR Chip- eine feste Größe unter den Top Ten.
Platz 8: Fraunhofer Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten - hier im Bild der für den Fußball entwickelte RedFIR Chip- eine feste Größe unter den Top Ten.
Platz 6: Audi
Die Ingolstädter, für angehende Ingenieure längst Arbeitgeber Nummer eins, werden auch unter Informatikstudenten immer beliebter. Von acht auf Platz sechs in diesem Jahr.
Platz 5: IBM
Martina Koederitz, IBM-Deutschland-Chefin, kann sich dieses Jahr nicht so recht freuen: IBM büßte den zweiten Platz des Vorjahres ein und rutschte drei Plätze ab.
Platz 2: Microsoft Deutschland...
...hier die Zentrale in Unterschleißheim, heißt der Aufsteiger des Jahres. Um zwei Plätze verbesserte sich die Gates-Company, die weltweit 2000 neue Stellen schaffen will.
Doch die meisten Informatikstudenten...
...wollen wie schon seit vier Jahren.....
....bei Google arbeiten.
23,5 Prozent der Stimmen vereinte Google auf sich und damit mehr als doppelte soviel wie der Zweitplatzierte Microsoft.
Ob es an solchen Büros liegt?

Gefährliche Marketing-Versprechen

Auch wer in Bewertungsportalen wie Kununu nachliest, was dort über das eigene Unternehmen geschrieben wird, kann als Personaler die eigene Betriebsblindheit schnell überwinden. "Glaubwürdigkeit und Werte sind Mitarbeitern und Bewerbern sehr wichtig. Der Erfolg von Employer Branding hängt zum wesentlichen Teil davon ab. Deshalb ist es wichtig, dass Vorstand und Management hinter der Entwicklung einer attraktiven Arbeitgebermarke stehen und sich diesen Fragen stellen", fordert Quenzler und ergänzt: "Leere Marketing-Versprechen werden dagegen schnell entlarvt." Auch für Brose reicht der Hinweis auf die Tradition als Familienunternehmen als Argument nicht aus. Katrin Menzner berichtet, dass ihr Arbeitgeber Bildung, Soziales, Kultur sowie Spitzensport fördert, etwa als Hauptsponsor des Bamberger Basketballvereins Brose Baskets. "Besonders in der Freude am fairen Wettbewerb und dem Streben nach Perfektion und Leistungsorientierung erkennen wir unsere eigenen Werte wieder", sagt Menzner.

Lügen
Sie müssen nicht umziehen!
Das versprach ein IT-Beratungshaus den neuen Mitarbeitern. Schließlich würden Hotel- und Reisekosten von den Projekten getragen. Schnell stellte sich heraus, dass das nicht für Projekte am Stammsitz des Unternehmens galt, so dass die angeworbenen Berater doch die Kisten packen mussten.
Leere Schreibtische ...
... können darauf hinweisen, dass Unternehmen bereits entlassen mussten. Doch bei Restrukturierungen schummeln Firmen oft: Einer Bewerberin fielen die leeren Schreibtische bei einem Rundgang durch die Büroräume auf. Sie wurde mit dem Kommentar "Die Kollegen sind in der ganzen Welt auf Projekten unterwegs" abgespeist. Am ersten Arbeitstag stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter schon lange entlassen worden waren.
Wir legen großen Wert auf Weiterbildung
Das sagt sich schnell und kommt im Vorstellungsgespräch bei den umworbenen Kandidaten gut an. Wenn der Satz aber nur für bestimmte Mitarbeiter gilt und nicht für erfahrene Projekt-Manager, die nur als "Cash Cow" beim Kunden eingesetzt werden, ist der Schaden groß.
Ein Arbeitsvisum für die USA ...
... versprach ein Unternehmen einem IT-Marketingprofi und ließ ihn ohne Visum solange in die USA immer wieder ein- und ausreisen, bis er das Visum nicht mehr beantragen konnte.
Firmenwagen: Polo statt BMW
Was Firmen Bewerbern im Vorstellungsgespräch versprechen, sollten sie auch halten. Sonst ist der Frust groß. Etwa wenn einer IT-Vertriebsexpertin ein 3er BMW versprochen wird, sie aber dann am ersten Tag den Schlüssel für einen VW Polo in die Hand gedrückt bekommt.

Frische Ideen ohne großes Werbebudget

Mittelständische Firmen brauchen frische Ideen, um gegen die Übermacht der Branchenschwergewichte zu bestehen. Dass das auch ohne PR-Agentur und großes Marketing-Budget funktioniert, zeigt das Softwarehaus mgm Technology Partners. "In München ist es schwierig, Java-Entwickler zu finden. Deshalb haben wir uns überlegt, was uns als Arbeitgeber auszeichnet und wie wir Bewerber ansprechen können", sagt Personalreferentin Esther Bösche.

mgm macht's vor: Mit guter Werbung werden Bewerber auch auf mittelständische Firmen aufmerksam.
Foto: mgm

Ein Kollege aus dem hauseigenen Projektteam kam auf die Idee, dass die Wortschöpfung "bajavarisch" den Standort Bayern und die Java-Entwickler als gesuchte Zielgruppe zusammenführt. Der Grafiker konzipierte Plakate und eine eigene Website. In München, Augsburg, Erlangen oder Nürnberg finden sich diese Poster von Zeit zu Zeit. Die dort beworbene Website liefert Hintergrundinformationen zum Unternehmen und listet Jobangebote auf. "Mit ‚Sprechen Sie bajavarisch?` sind wir richtig bekannt geworden, viele Werkstudenten und Bewerber sind so auf uns aufmerksam geworden", freut sich Bösche.

Gutes Image dank Blog

Doch das ist nicht die einzige Idee, sich als Arbeitgeber zu positionieren. Seit zwei Jahren schreiben Entwickler von mgm Technology Partners einen Blog und diskutieren dort mit anderen IT-Experten. "Unser Blog wird inzwischen weltweit von Leuten gelesen, die sich für Softwareentwicklung interessieren", sagt Bösche. Das 1994 gegründete Unternehmen beschäftigt rund 260 Mitarbeiter und möchte noch mindestens 40 Kollegen an Bord holen.

Gerade entsteht eine zweite Plakatkampagne, die ebenfalls das eigene Projektteam entwickelt hat. Die neuen Motive zeigen Mitarbeiter und ihre Hobbys, etwa am Strand, beim Yoga oder auf einer Skitour. "Die Kollegen waren begeistert von der Idee und haben viele Fotos geliefert", so Bösche. Denn mgm Technology Partners möchte nicht nur Bewerber ansprechen, sondern auch über eine starke Arbeitgebermarke die Mitarbeiter an das Unternehmen binden. Auf der Homepage können Bewerber ihre künftigen Kollegen in kurzen Videos kennen lernen. Auch Firmengründer Hamarz Mehmanesh erzählt dort ganz leger in T-Shirt und ohne Schlips, was das Besondere an seinem Unternehmen ist.

Charlotta Tingshammar, Projectplace: "Uns ist wichtig, dass die Mitarbeiter genügend Freizeit haben."
Foto: Projectplace

Gute Mitarbeiter zu finden und an die Firma zu binden beschäftigt auch Projectplace. Der vor 14 Jahren in Stockholm gegründete IT-Dienstleister genießt zwar in Schweden einen guten Ruf unter Bewerbern, doch die neu gegründete deutsche Niederlassung muss sich erst noch einen Namen machen. Charlotta Tingshammar, die seit Januar als Country Managerin die Dependance in Frankfurt am Main leitet: "Wir sind ein junges Unternehmen und bieten unseren Mitarbeitern viele Möglichkeiten." Ein wichtiges Argument gegenüber Bewerbern ist für Tingshammar die eigene Software, ein Web-basierendes Projekt-Management-Tool. "Social Business, Cloud-Lösungen und Software as a Service haben ein großes Wachstumspotenzial und verändern gerade die Art und Weise, wie wir arbeiten und kommunizieren. Wir entwickeln diese Lösungen", so die Managerin. Neben den Inhalten möchte Projectplace Bewerber auch mit Werten überzeugen. Wenn Tingshammar darüber spricht, fallen einige Besonderheiten auf: "Wir gehen anders an Employer Branding heran. Uns ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter auch persönlich entwickeln, dass sie genügend Freizeit haben und diese auch genießen." Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren ist ein Aspekt, Gesundheit sowie Weiterentwicklung sind weitere Werte.

Lernen von den Mitarbeitern

Vergnügte Gesichter bei Projectplace: Das Unternehmen tut viel für die Work-Life-Balance der Mitarbeiter.
Foto: Projectplace

"Offen und ehrlich gegenüber den Mitarbeitern sein heißt für uns auch, dass wir von ihnen lernen möchten", sagt Tingshammar. Sie sieht sich als gutes Beispiel für die Unternehmenskultur: Seit drei Jahren arbeitet sie für Projectplace in Stockholm. Nach der schwedischen Unternehmensphilosophie trägt die Familie zur Gesundheit eines Mitarbeiters bei. Deshalb unterstützt Projectplace seine Belegschaft darin, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Dazu beitragen können flexible Arbeitszeiten, Home Offices oder auch ein freier Nachmittag, wenn ein Elternteil die Sprechstunde an der Schule besuchen muss. "Solange es mit dem Manager abgesprochen ist und es niemand ausnutzt, ist das kein Problem", ergänzt Tingshammar, deren Töchter inzwischen zehn und 15 Jahre alt sind. Als sich für sie die Möglichkeit ergab, als Country Managerin für ein Jahr zwischen Stockholm und Frankfurt zu pendeln, ergriff sie die Chance: "Ich lerne gerade sehr viel über den deutschen Markt, und es ist alles sehr faszinierend für mich."

Die Botschaft ist wichtiger als das Design

Christian Scholz hält Employer Branding für eine erfolgreiche, aber nicht ganz einfache Methode. Der Professor für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes erklärt, worauf es ankommt.

CW: Wie können Firmen eine Arbeitgebermarke entwickeln?

Scholz: Firmen müssen sich zunächst fragen, wofür sie stehen, welche Werte sie haben und mit welcher Botschaft sie gegenüber Mitarbeitern und Bewerbern auftreten möchten. Im günstigsten Fall umfasst das Konzept Arbeitgebermarke alle Personal-Management-Aktivitäten, die das Besondere des Unternehmens und der Unternehmenskultur herausarbeiten. Allerdings sollten Personalabteilungen diese Aufgabe nicht an ihre Marketing-Kollegen delegieren. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur eine Werbebroschüre entsteht, in der sich alles um Design und Corporate Identity dreht, Fakten und die Realität jedoch verloren gehen.

CW: Welche realistischen Ziele lassen sich erreichen?

Christian Scholz, Universität des Saarlandes: "Employer Branding wird zur Katastrophe, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen."
Foto: Privat

Scholz: Die Kunst besteht darin, das Unternehmen so auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, dass die wichtigen Werte klar ersichtlich sind. Denn Employer Branding soll nicht heißen, das Blaue vom Himmel herunterzuloben, sondern das "echte" Unternehmen und seinen individuellen Wiedererkennungswert so darzustellen, dass es die passenden Kunden oder Bewerber anspricht und anzieht. Eine Arbeitgebermarke kann aber noch mehr. Sie spornt Mitarbeiter zu Höchstleistungen an, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, und bindet diese Mitarbeiter langfristig.

CW: Das klingt wie das perfekte Zaubermittel für all die Sorgen, mit denen sich Personaler herumschlagen. Wo gibt es Probleme in der Umsetzung?

Scholz: Employer Branding ist in vielen Fällen eine absolute Katastrophe, vor allem dann, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen, Manager per E-Mail die Unternehmenswerte an die Mitarbeiter verschicken, jedoch von all der schönen Rhetorik im Arbeitsalltag nichts zu spüren ist.

CW: Sollten es die Firmen lieber mit einer Blut-Schweiß-Tränen-Rede versuchen und riskieren, dass sich keiner mehr bei ihnen bewirbt?

Scholz: Ehrlichkeit und Authentizität sind sehr wichtig. Gerade kleinere Firmen sollten sich Plattformen wie Blogs oder Veranstaltungen aussuchen, in denen sie von potenziellen Bewerbern wahrgenommen werden. Es muss nicht immer Facebook oder Twitter sein, denn wichtig ist nicht, alle anzusprechen, sondern die Richtigen.

CW: Gibt es eine Erfolgsformel für Employer Branding?

Scholz: Ich empfehle die 70-20-10-Regel. 70 Prozent des Aufwands sollten für die interne Analyse und Strategiearbeit erbracht werden. Nur wenn sich Firmen im Klaren sind, wo sie stehen und in welche Richtung sie sich entwickeln möchten, können sie die Strategie umsetzen. 20 Prozent sollten sie der internen Kommunikation widmen und die eigenen Mitarbeiter von der Arbeitgebermarke überzeugen. Die verbleibenden zehn Prozent sollten sie in die externe Kommunikation investieren. Dabei kommt es weniger auf das Design und mehr auf die Botschaft an.