Enorm gefragt - und stark gelangweilt

23.07.2024 von Silvia Hänig
Obwohl IT-Fachkräfte heiß begehrt sind, fühlen sich viele im Job nicht wohl. Woran das liegt, zeigt eine aktuelle Studie.
Nicht wenige hochqualifizierte IT-Experten sind alles andere als zufrieden mit ihrer Tätigkeit.
Foto: Roman Samborskyi | shutterstock.com

Mittlerweile weiß wohl jeder, dass sich der IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren noch dramatisch beschleunigen wird. Der Branchenverband Bitkom bezifferte die personelle Lücke, die bis zum Jahr 2040 auf die Wirtschaft zukommt, auf rund 663.000 IT-Fachleute. Ein Kompetenzverlust, der viele Industrien in ihrer ohnehin lahmenden Digitalisierung noch weiter ins Hintertreffen befördern dürfte.

Angesichts dieser Entwicklung sollte man also davon ausgehen können, dass Firmen alles Erdenkliche dafür tun, um ihre IT-Fachkräfte langfristig zu binden und mit interessanten Aufgaben zu betrauen. Das Gegenteil ist laut dem aktuellem "Tech Talent Explorer 2024"-Report des Personaldienstleister Hays der Fall: Von den rund 2.000 festangestellten IT-Kräften, die in Deutschland befragt wurden, gaben rund 41 Prozent an, ihre aktuelle Tätigkeit nicht herausfordernd und abwechslungsreich genug zu finden.

Was sich IT-Profis von ihrem Arbeitgeber wünschen

Dem Report zufolge könne das an den Anreizen liegen, die Arbeitgeber anbieten, um ihre Mitarbeiter möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Offensichtlich haben IT-Fachkräfte bei diesen Zusatzleistungen ihre ganz eigenen Vorstellungen davon, welche Leistungen des Arbeitgebers ihnen persönlich den größten Mehrwert stiften. Ganz konkret:

Das Thema Work-Life Balance spielt für gestandene IT'ler mit Blick auf nicht-monetäre Anreize seitens des Arbeitgebers hingegen eine eher untergeordnete Rolle. Das macht erneut deutlich, wie wichtig es diesen Mitarbeitern insgesamt ist, zeitlich und inhaltlich eigenverantwortlich arbeiten zu können.

Die formulierten Ansprüche unterscheiden sich, abgesehen von der Vertragsform, kaum von der Projektarbeit hochqualifizierter IT-Freiberufler. Diese sehen jedoch aktuell keinen Grund zur Klage, wie Alexander Raschke, Vorstand bei Etengo, einem Personaldienstleister für IT-Projektexperten, weiß: "Wir erhalten von unseren externen IT-Experten keine entsprechende Rückmeldung. Im Gegenteil: In Abhängigkeit vom Skill-Bereich ist die Projektakquise herausfordernder geworden. Die Tätigkeiten an sich werden nicht als eintönig kritisiert."

Karriereentwicklung Fehlanzeige?

Auch bei den Themen Gehalt und Weiterbildung scheint es bei den internen IT-Fachkräften noch reichlich Luft nach oben zu geben. Demnach vermissen 22 Prozent bei ihrem Arbeitgeber gezielte finanzielle Anreize für individuelle Weiterbildungen. Die letzte Veränderung ihres Aufgabenspektrums oder Verantwortungsbereichs liegt oft schon lange zurück und beim individuellen Zuschnitt zur internen Weiterqualifizierung sehen die Befragten kaum Fortschritte. Ihr Bedürfnis nach fachlicher Weiterentwicklung (82 Prozent plädieren für Knowhow-Aufbau im Bereich künstlicher Intelligenz) findet intern anscheinend wenig Gehör, denn:

Die IT-Freiberufler haben in puncto maßgeschneiderter Weiterbildung zwar erneut einen Vorteil, da sie sich je nach Art und Umfang des Projekts ihre Weiterbildung selbst gestalten können. Allerdings gibt Raschke zu bedenken: "Aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation flacht die Wachstumsrate an zu besetzenden IT-Projekten leicht ab, was den Wettbewerb unter IT-Experten treibt."

Stagnierende Gehälter (noch) kein Kündigungsgrund

Die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass die Gehälter durchweg eher stagnieren oder nur punktuell nach oben korrigiert werden. Laut dem Report von Hays beklagt mit 24 Prozent knapp ein Viertel der Umfrageteilnehmer, dass trotz einer permanent hohen Arbeitsdichte keine Verbesserung der Bezüge für das laufende Jahr zu erwarten ist.

Nach Angaben der Mehrheit der Befragten wurde ihr Gehalt zuletzt durch einen Arbeitgeberwechsel verbessert. Immerhin ein Fünftel konnte jährliche Gehaltszuwächse aufgrund der eigenen Leistungssteigerung verzeichnen. Hinsichtlich der Gehaltstransparenz sind mehr als 50 Prozent pessimistisch und glauben nicht, dass ihr Arbeitgeber Gehaltsstrukturen oder -bänder künftig offenlegen wird. Trotzdem sieht knapp ein Drittel der Befragten darin noch keinen akuten Kündigungsgrund. Zwar sind sie durchaus offen für neue berufliche Entwicklungen, möchten aber vorerst im bestehenden Job bleiben.

"Die Ergebnisse zeigen, dass sich viele Arbeitgeber etwas einfallen lassen müssen, um ihre wertvollen IT-Ressourcen dauerhaft zu binden. Sowohl bisherige, allzu starre Arbeitskonzepte als auch das Aufgabenspektrum an sich müssen aufgebrochen und abwechslungsreicher gestaltet werden," bewertet Andreas Sauer, Bereichsleiter Technology bei Hays die Ergebnisse des Reports. (fm)

Im Juli 2024 wurden 1.939 festangestellte IT-Fachkräfte aus den Bereichen Softwareentwicklung (24,7 Prozent), IT-Projekt- und Change Management (21,4 Prozent), IT-Infrastruktur (21,1 Prozent) sowie der Datenanalyse (6,6 Prozent) und dem Bereich Cybersecurity (6,40 Prozent) im Rahmen einer Online-Survey befragt. Knapp 50 Prozent der Teilnehmer sind bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden beschäftigt, die übrigen Fachkräfte sind bei mittelständischen Unternehmen beschäftigt.