Kundenbeziehungs-Management

Entlastung für den Vertrieb

30.01.2003 von von Uwe
Gute Kundenbeziehungen sind das wichtigste Potenzial des Mittelstands. Wer mit Software auf Kundenfang gehen will, braucht nicht nur eine Vertriebsanwendung, sondern vor allem eine durchgängige strategische Ausrichtung auf die Kunden.

KUNDEN SIND einfach strukturierte Wesen. Im Prinzip wollen sie immer nur das eine: möglichst viel Leistung für möglichst wenig Geld. Damit steht jedes Unternehmen vor der Aufgabe, seine Geschäftsabläufe so zu optimieren, dass von den eingesetzten Mitteln möglichst viel beim Kunden ankommt. Von der Produktentwicklung über die Verkaufsberatung bis hin zum technischen Kundendienst sollte jeder (Teil-)Prozess an der Frage ausgerichtet werden: „Was bringt’s für den Kunden?“ Unter der Bezeichnung Customer- Relationship-Management (CRM) machte diese Strategie der ganzheitlichen Kundenorientierung in den letzten Jahren Furore. Doch was steckt dahinter?

Wolfgang Martin, selbständiger Analyst und Schirmherr der Branchenmesse CRM-Expo, erklärt den strapazierten Begriff mit einem Vergleich: „Genauso wie mit kommerzieller Standardsoftware im Backoffice alle finanziellen Transaktionen festgehalten und nachvollziehbar gemacht werden, ermöglichen CRM-Systeme, die Interaktion mit dem Kunden auszuführen und zu dokumentieren.“

Mehr Transparenz im Vertrieb

Dadurch wird für jeden Mitarbeiter mit Kundenkontakt nachvollziehbar, wer wann in welcher Angelegenheit mit dem Kunden gesprochen hat - und mit welchem Ergebnis. Der Vorteil dabei: Das Wissen über die einzelnen Interaktionen wird unabhängig von den Personen, die mit dem Kunden in Kontakt standen.

„Wichtig ist, was man an einem Kunden wirklich verdient."

Peter Winkelmann,

FH Landshut

Peter Winkelmann, Professor für Marketing und Vertrieb an der Fachhochschule Landshut, nennt ebenfalls als wichtigsten Vorteil des Kunden-Managements: „Mehr Transparenz im Vertrieb, also die Möglichkeit, schneller auf benötigte Kundendaten zuzugreifen und so den Mitarbeitern mehr Zeit für den Kundenkontakt zu geben.“

Winkelmann, der heute genauso viel von computergestützter Vertriebssteuerung wie von CRM spricht (siehe Kasten „Angst vor CRM“), sieht als weiteren wesentlichen Effekt von Kunden-(Beziehungs-)Management eine bessere Kundenpriorisierung. „Dieses Ziel haben Anwender, die computergestützte Vertriebssteuerung einsetzen, wirklich erreicht. Erst durch den Einsatz von CRM-Systemen hat das Thema Kundenqualifizierung praktische Bedeutung im Vertriebsalltag bekommen.“ Dabei geht es nicht nur um die ABC-Analyse nach Umsatz. Wichtig sind strategische Faktoren und die Frage, was das Unternehmen eigentlich an einem Kunden verdient. Winkelmann: „Die einträglichen Kunden sind im B-to-B-lastigen Mittelstand eben oft nicht die größten, weil diese ihre Marktposition nutzen, um die Preise zu drücken.“

Bei der Umsetzung von Kundenbeziehungs-Management verfügen Mittelständler nach Winkelmanns Ansicht sogar über einen entscheidenden Vorteil gegenüber den großen Konzernen: „Da die kleinen Unternehmen nicht das Problem der vielen Schnittstellen zwischen verschiedenen Abteilungen, Divisionen oder Niederlassungen haben, erzielen sie schnellere und konkretere Verbesserungen.“ Etwa dann, wenn es darum geht, im Service Beschwerdedaten transparenter zu machen und dadurch nicht nur im Reklamationsfall schneller und gezielter zu reagieren, sondern auch Schwachstellen in der Produktion oder in der Logistik auszuschalten.

„Je höher der Integrationsgrad, desto größer der Erfolg."

Wolfgang Martin,

selbständiger Anlalyst

Allerdings ist es mit der Einführung von IT-Lösungen nicht getan. Auch wenn man sich beim Kunden-Management zunächst ganz pragmatisch auf den Vertriebsbereich mit Marketing und Service beschränkt, meint Martin: „Der teamorientierte Umgang mit den Kundeninformationen erfordert organisatorische Änderungen. So muss beispielsweise die Verantwortlichkeit für den Kunden geklärt werden.“ Dabei ist prinzipiell egal, ob diese Verantwortung letztlich beim Vertrieb oder beim Service liegt. Wichtig ist, dass jeder weiß, was er zu tun hat, und alle an einem Strang ziehen.

In der Praxis stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage: Wie motiviert man den Außendienst zum Mitmachen? Hier gilt es nach Martins Ansicht zum einen die technischen Hürden zu überwinden, die bei Software von Siebel, Front-Range oder anderen darin bestehen, dass der Anwender sich zunächst mit einem neuen System vertraut machen und dann bei der Arbeit permanent zwischen unterschiedlichen Anwendungen wechseln muss.

Außendienst macht mit

Zum anderen sei dafür zu sorgen, dass der Außendienst auch von dem Kunden-Beziehungs-Management profitiere. „Wenn der Vertriebler beispielsweise Reports nicht extra erstellen muss, sondern sie per Knopfdruck als Abfallprodukt seiner Dokumentation der Kundeninteraktionen generieren kann, hat er selbst etwas davon. Und das ist die beste Motivation zum Mitmachen.“

„Bei uns entlastet die Software vor allem den Außendienst."

Frank Willmann,

Sedus Stoll AG

Diese Erfahrung machte auch Frank Willmann, Leiter der Objektabteilung beim Büromöbelhersteller Sedus Stoll AG in Waldshut, der mit über 1000 Mitarbeitern zu den Branchenführern in Europa zählt: „Bei uns bringt die CRMSoftware in erster Linie Entlastung für den Außendienst.“ In der Praxis sieht das so aus: Der Außendienstmitarbeiter legt eine Adresse an und kennzeichnet diese als Interessenten. Dann wird diese Adresse vom Vertrieb Innendienst weiterbearbeitet.

Per Mailing oder Telefonakquise wird der Interessent kontaktiert, und erst wenn er durch eine Antwort entsprechendes Interesse signalisiert, wird der Akquisestatus der Adresse geändert. Anschließend erfolgt die weitere Betreuung durch den Außendienst, der dann ein konkretes Beratungs- oder Verkaufsgespräch führt. Nach sieben Jahren Erfahrung mit dem CRM-System, das mit dem „Marketing.manager“ von Update.com realisiert wurde, kann Willmann sagen: „Aufgrund dieser Entlastung ist die Akzeptanz der User sehr gut.“ Der Erfolg rechtfertige die Kosten, die sich inklusive Software, Hardware, Abschreibungen sowie Aufwendungen für Datenübertragungen und Personal für die Systemadministration auf 2000 bis 3000 Euro pro Arbeitsplatz belaufen.

Die Vorteile für die Beteiligten zu verdeutlichen, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Vertriebsleitung beim Kunden-Management, meint Unternehmensberater Wolfgang Schwetz: „Ein positiver Effekt eines einheitlichen Kunden-Managements kann etwa die Erkenntnis sein, dass ein nach Umsatz als C-Kunde kategorisiertes Unternehmen das Zeug zum A-Kunden hat und daher eine höhere Priorität in der Kundenbetreuung verdient.“

CRM-Experte Schwetz erklärt, wo Unternehmen ansetzen sollten: „Das Wichtigste ist den Kundenstamm zu bereinigen.“ Denn Kundendaten hat fast jedes Unternehmen in seinem ERP-System, im Marketing, in der Werbung, im Service und dann noch bei den verschiedenen Außendienstlern.

Kosten sparen

Dieses Problem macht sich dann bei jeder Mailing-Aussendung negativ bemerkbar. Und die allfälligen Dubletten erhöhen nicht nur die Kosten der Aussendung, sie verärgern auch den Kunden, der ja weiß, dass er diese Verschwendung von Ressourcen letztlich mitbezahlt. Durch die Konsolidierung der verschiedenen Kundendaten in einem zentralen Kundendatenstamm sparen Unternehmen also und tun gleichzeitig etwas für den Erhalt der Kundenbeziehung. Im nächsten Schritt geht es dann darum, das Wissen über die Kunden in dieser Datenbank verfügbar zu machen. Dafür sollte man sich laut Schwetz einen mittelfristigen Rahmen setzen: „Wichtig ist, sich zu überlegen, wo stehe ich heute und wo möchte ich in fünf Jahren sein.“

„Kunden-Management wird auf allen Ebenen des Unternehmens genutzt."

Wolfgang Stahl,

Birco GmbH

In welcher Abteilung und mit welchen Werkzeugen Unternehmen mit dem Kunden-Management anfangen, ist letztlich vom jeweiligen Geschäftsmodell abhängig. In der Investitionsgüterbranche etwa besteht der Leidensdruck häufig bei der Angebotserstellung durch den Vertrieb. Hier kann ein Produktund Preiskonfigurator die Kundenbeziehungen verbessern, indem er schnellere und kundenspezifischere Angebotserstellung ermöglicht. Allerdings kosten professionelle Produktkonfiguratoren ähnlich viel wie ein CRM-System. Wer jedoch hier den größten Handlungsbedarf erkennt, wird im Zweifelsfall lieber am Kontakt-Management sparen, das er schon für 10 000 Euro bekommt (gegenüber 25 000 Euro für eine typische CRM-Installation bei einem Unternehmen mit etwa 15 Mitarbeitern im Vertrieb).

Ein Versandhändler hingegen braucht vielleicht eher ein Kampagnen-Management für das Direktmarketing, während im Vertriebs- und Serviceunternehmen für Büromaschinen ein Call-Center gefragt ist, um der Flut der eingehenden Anrufe und E-Mails im technischen Kundendienst Herr zu werden.

Akzeptanzprobleme

Häufig ist es jedoch das Kontakt-Management, mit dem die Unternehmen einsteigen. So etwa beim Birco Baustoffwerk in Baden-Baden. Der Familienbetrieb in der dritten Generation produziert mit seinen 130 Mitarbeitern Entwässerungsrinnen für Freiflächen, Dächer und Fassaden und vertreibt sie via Fachhandel an Bauunternehmen.

Wolfgang Stahl, Projektleiter CRM, über die wichtigsten Vorteile des Kunden-Management-Projekts: „Jetzt haben unsere Außendienstler Zugriff auf die Kundendaten und erhalten Einsicht in alle Verkaufsbelege wie Rechnungen, Lieferscheine, Aufträge und Angebote.“ Über ein Analysewerkzeug können sie sich einen Überblick über ihre eigenen Gebietsergebnisse verschaffen und über die Umsätze ihrer Kunden. „Möglich wurde das nur dadurch, dass alle Vertriebsmitarbeiter im Innen- und Außendienst ihre Kundenkontakte weitestmöglich erfassen“, erklärt der Adito-Anwender. Das „klassische Außendienstproblem“ mit der Transparenz der Kundenbeziehungen trete in seinem Unternehmen kaum auf. Akzeptanzprobleme habe es anfänglich eher bei den Mitarbeitern gegeben, die selbst nicht operativ arbeiten.

Inzwischen wird das softwaregestützte Kundenbeziehungs-Management aber auf allen Ebenen des Unternehmens genutzt und geschätzt. Wer mit einer Lösung für das Kontakt-Management in das Kunden-Management einsteigen will, der hat die Qual der Wahl. Nicht weniger als 25 Produkte auf Windows-Basis listet allein der „Kontaktmanagement Guide 2002“ auf, den Schwetz Consulting neben diversen anderen Marktübersichten zum Thema CRM herausgibt (siehe Kasten). Die aufgeführten Systeme reichen vom Standard-Adress-Management-Tool bis hin zur kompletten CRM-Software inklusive Reporting und Call-Center- Integration.

Vorsicht mit Teilkomponenten

Beim Einstieg in das Kunden-Management mit einer Teilkomponente ist allerdings Vorsicht geboten, warnt Schwetz: „Dies sollte man nicht ohne eine mittelfristige Rahmenkonzeption tun, die dann den Maßstab für die Softwareauswahl setzt. Die Grenzen der Ausbaufähigkeit preiswerter Standardlösungen im Kontakt-Management sind schneller erreicht, als man glaubt.“ Wenn nach ein oder zwei Jahren weitere Anforderungen hinzukommen, die bei der ursprünglichen Softwareauswahl nicht berücksichtigt wurden, steht man oft in der Sackgasse. Daher sollten Anwenderunternehmen auch die Ausbaufähigkeit der Software vor dem Kauf ausgiebig testen, so der Experte.

Kundenbeziehungs-Management ist vor allem dann sinnvoll und erfolgreich, wenn es mit allen Unternehmensprozessen integriert erfolgt. Dazu Analyst Martin: „Je höher der Integrationsgrad, umso größer der Erfolg.“

Wer sich mit dem Gedanken trägt, IT-gestütztes Kundenbeziehungs-Management einzuführen, der sollte unbedingt auf die Hilfe externer Berater zurückgreifen - da sind sich die Experten einig. Qualifizierte Berater sind jedoch für Mittelständler nicht einfach zu finden, denn Berater mit Erfahrung aus CRM-Projekten sind teuer. Hinzu kommt, dass die Erfahrungen aus Großunternehmen nicht einfach auf den Mittelstand übertragbar sind.

Umfassender Arbeitsplan

Für das Vorgehen bei der Einführung empfiehlt Winkelmann einen ganzheitlichen Ansatz nach einem umfassenden Arbeitsplan. Dabei wird Schritt für Schritt die Neuausrichtung des Vertriebs ausdiskutiert. Es beginnt mit einer Analyse der Marktstrategie. Mit strategischen Kundenleitbildern: Wer sind eigentlich unsere wichtigen Kunden? Welche Kunden wollen wir nicht haben? Was wollen wir bei den Zielgruppen erreichen? Was sind die dafür wichtigen Prozesse? Über welche Kanäle soll das laufen? Dann ist die Datenbank zu integrieren. Da stellt sich die Frage: Wo liegen eigentlich die relevanten Daten?

Berater Schwetz hat beim Thema Kundendatenbanken die Erfahrung gemacht: „Wer seine betriebswirtschaftlichen Anwendungen Anwendungen (ERP-Systeme) bereits früh auf Standard umgestellt hat, hat meistens eine bessere Datenbasis.“ Bei vielen Firmen hätten sich allerdings im Lauf der Zeit zusätzlich in verschiedenen Systemen unterschiedliche Kundenverzeichnisse angesammelt, die nun zu konsolidieren sind.

Daten bereinigen

Auch das sollte ein Mittelständler nicht selbst machen, wenn es um mehr als 100 000 Datensätze geht. Der Einsatz entsprechender Dienstleister kann aber auch bei geringeren Datenvolumina sinnvoll sein, abhängig von der Größe der Vertriebsorganisation. Schwetz: „Bei 300 bis 400 Kunden pro Mitarbeiter lässt sich das schon noch zu Fuß machen. Wenn es in die Tausende geht, nicht mehr.“ Die Kosten für eine CRM-Lösung im Mittelstand sind nach Auskunft des CRM-Spezialisten mit mindestens 50 000 Euro zu beziffern. Winkelmann gibt als Faustregel an: „5000 Euro pro beteiligten Mitarbeiter sollten reichen.“ Davon entfällt jeweils ein Drittel auf die Software, die organisatorischen Anpassungen und die technische Implementierung mit Abnahme, Anpassung von Schnittstellen zu ERPSoftware, Schulung und Ähnlichem.