Im Umfeld von Projekten, deren Erfolgsfaktoren stark von der erfolgreichen Zusammenarbeit der Fach- und IT-Bereiche abhängt, haben sich aber bisher weder bekannte Vorgehensmodelle der IT- noch der Fachwelt durchsetzen können. Methoden aus der modellgetrieben Softwareentwicklung bieten hier einen vielversprechenden Ansatz, weil sie Vorgehensmodelle aus der IT- und Fachwelt kombinieren. BPM-Plattformen, die Methoden daraus direkt integrieren, haben einen oftmals entscheidenden Erfolgsfaktor.
Business Process Management (BPM) hat als Thema in der Fachwelt seit langem den für neue technische Themen typischen Hype-Cycle durchschritten und ist mittlerweile auf der produktiven, standardisierten Ebene der Projektumsetzungen angekommen. Doch mit der bisherigen Umsetzung ist auch eine Vielzahl an teilweise negativen Erfahrungen verbunden. Dazu zählt neben der technischen Komplexität solcher Initiativen auch die bisher selten erreichte effiziente Integration von IT- und Fachbereichsteams auf Basis gemeinsamer Akzeptanz und geeigneter Methoden der sogenannten "IT-GAP".
Foto: fotografiedk - Fotolia.com
Kombination von Projektmethodik aus IT- und Fachbereich
Der Grund dafür, dass die BPM-Projektmethodik nicht die notwendige Reife erreicht hat, liegt nicht nur an der noch nicht überall ausgeprägten Erfahrung, sondern auch daran, dass bei BPM-Projekten nicht mehr zwingend ein klarer IT-Fokus im Vordergrund steht.
Konnten bei den Vorgängern wie EAI /SOA (Enterprise Application Integration / Service Oriented Architecture) mit Daten- und Serviceintegration immer gängige IT Vorgehensmodelle angewendet werden, die sich über Jahre etabliert haben, so muss für erfolgreiche BPM-Projekte umgedacht werden: Methoden aus dem IT- (SOA) und Fachbereich (Prozessdesign) müssen effizient kombiniert werden. Dass dies in der Vergangenheit nicht immer reibungslos funktioniert hat, zeigen die negativen Erfahrungsberichte, die auch darin begründet sind, dass BPM-Projekte eine Konvergenz bisheriger IT- und Prozessberatungsprojekte sind und damit auch ein neues Vorgehensmodell nötig machen.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass neben den Aspekten wie der technologischen Plattform und dem zentralen Prozessmodell (ablauf- oder systemzentrisch) auch das zur Organisation passende Vorgehensmodell ein wichtiges Auswahlkriterium wird.
Modellierungswerkzeuge und -fähigkeiten gehören zu den Grundlagen
Eines der im Umfeld von BPM-Projekten häufiger genannten Projekt- und Vorgehensmodelle ist die modellgetriebene Softwareentwicklung (Model-Driven Software Development, MDSD). Wobei diese im allgemeinen Kontext die Verwendung von einer oder mehreren domänenspezifischen Modellierungssprachen wie Business Process Model and Notation (BPMN) oder UML-Aktivitätsdiagramme zur abstrakten Beschreibung einer Problemstellung bedeutet. Die dabei in der jeweiligen Modellierungssprache erzeugten Modelle können dabei gleichermaßen der Beschreibung und Diskussion wie auch der (teil-)automatisierten Umsetzung dienen, wie dies zum Beispiel bei BPMN der Fall ist.
Im Kontext von BPM-Projekten ist die Hürde beim Übergang zu einem modellgetriebenen Vorgehen weniger stark ausgeprägt, da zum Beispiel die Prozessmodellierung bereits Bestandteil der allgemeinen Projektmethodik ist und Modellierungswerkzeuge beziehungsweise -fähigkeiten zu den grundlegenden Elementen für eine BPM-Projektplanung gehören. Erfahrungen mit externen Tools, wie ARIS oder Visio oder integrierten Tools, der verwendeten Plattformen wie zum Beispiel Pega oder Appian, sind also bereits Teil der Projekte.
Effiziente Methoden fördern den Austausch im Projektteam
In der praktischen Anwendung ist allein die Verwendung von Methoden aus der MSDS aber noch kein Erfolgsgarant. Vielmehr kommt es darauf an, den Ansatz und die Methoden so zu wählen, dass Anforderungen effizient und so genau wie möglich aufgenommen und die dabei gesammelten Informationen ausgetauscht werden können, sprich, die Zusammenarbeit zwischen den Projektdisziplinen so reibungslos wie möglich gestaltet wird. Dabei gilt es speziell die organisatorischen Hürden vor dem Einsatz eines neuen Vorgehensmodells zu betrachten.
Dass ein Wechsel durchaus gerechtfertigt sein kann, zeigen einige Vorteile:
Bereichsspezifische Modellierungssprachen wie beispielsweise BPMN ermöglichen einen direkten Austausch zur Problemstellung. Für die Diskussion der Lösung können sich Experten der Fachbereiche direkter und damit schneller austauschen.
Modellierungssprachen die neben der fachlichen auch einen einfachen technischen Austausch zwischen Modell und Anwendungsplattform erlauben, vereinfachen die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse durch eine direkte Rückkopplung des Modells mit dem implementierten Prozess.
Kritische Anforderungen können am Modell effizienter besprochen und vermittelt werden und sind für die Bewertung von späteren Änderungen einfacher zugänglich, was zusätzlich ein agiles Vorgehen und den Umgang mit Anforderungs- und Prozessänderungen erleichtert.
Bei Verwendung einer eng mit dem IT-System verbundenen Modellierungssprache können über das Modell definierte Architekturprinzipien verstärkt und ein gewisses Maß an Governance bereits auf Anforderungslevel erreicht werden.
Dass sich diese Vorteile auch realisieren lassen, zeigen Umsetzungserfahrungen mit Plattformen wie z.B. Pega die sowohl mit hochintegrierten Modellen als auch einer darauf abgestimmten Methodik die Effizienz und Qualität steigern.
Erweitern klassischer Auswahlprozesse
In der Gesamtbetrachtung bedeutet das, dass Unternehmen, die sich für BPM-Projekte einem möglichst ganzheitlichem, modellgetriebenen Vorgehensmodell bedienen, eine höhere Qualität der Anforderungs- und Prozessbeschreibung in einer kürzeren Zeit erreichen und damit deutlich mehr Wert aus ihren BPM-Initiativen schöpfen. Je vollständiger die Anwendung der Methodik im Gesamtzyklus- von der Anforderung bis zur Umsetzung- ist, desto größer sind direkte und zukünftige Vorteile.
Neben den klassischen Vorbereitungen von BPM-Initiativen wie Plattformauswahl, Prozessumfang, Teamzusammensetzung und Release-Planung sollten Unternehmen also auch folgende Punkte berücksichtigen, um die Vorteile für die konkrete Situation zu identifizieren:
Bewerten Sie das Potential eines aktiven Prozess-Kapitals
Unternehmen sind unterschiedlich weit fortgeschritten in der Dokumentation kritischer Geschäftsprozesse und der prozessgetriebenen Modellierung zukünftiger Geschäftsfelder. Vorhandene Kompetenzen sollten nutzbar bleiben und vorhandene Modelle auf ihre Überführbarkeit hin betrachtet werden. Trotzdem bleiben viele Organisationen mit ihren Modellierungsinitiativen deutlich hinter den erwarteten Vorteilen zurück, da die Modellierung nur als Dokumentation verstanden wird oder die erstellten Modelle keinen Bezug zum IT System besitzen. Die Vorteile einer aktiven Nutzung des Prozessbestands sollten objektiv der bisherigen Investition gegenübergestellt werden. In den meisten Fällen wird der zukünftige Nutzen weitestgehend integrierter Prozessmodelle die bisherigen Investitionen übersteigen und einen Wechsel rechtfertigen.Berücksichtigen Sie organisatorische Rahmenbedingungen
Immer häufiger wird in Unternehmen nicht nur organisatorisch zwischen Geschäftsbereichen, Supportfunktionen und IT unterschieden, sondern dies direkt in spezialisierte Unternehmensbereiche oder an Dienstleister ausgegliedert. Oftmals ergeben sich daraus unterschiedliche Zielsetzungen und Vorgehensmodelle, die in gemeinsamen Projekten wieder zusammengeführt werden müssen. Modellgetriebenes Vorgehen kann hier ein entscheidendes Bindeglied bieten und die Integration der Teams über eine gemeinsame Sprache deutlich vereinfachen. Je heterogener die Zusammensetzung der Projektteams ist, desto positiver können sich stark integrierte Modelle durch eine enge Bindung an das IT-System und berücksichtigte Architektur- und Governance-Vorgaben auswirken, sofern alle beteiligten Projektmitglieder auch ausreichend auf das gewählte Vorgehen hin geschult wurden.Modellierung muss die Flexibilität nicht einschränken, auch in einem sehr agilen Lösungskontext
Obwohl häufige Änderungen eher gegen den klassischen Modellierungsansatz sprechen und die gefühlte Agilität im Entwicklungszyklus einschränken, kann dies durch ein System mit integrierter Modellierung ausgeglichen werden. Je variabler die Anforderungen und je agiler die Prozessdefinition, desto enger sollte die Bindung zwischen Modell und System sein.Soziale Prozesskompetenz erfordert einen einfachen Zugang zu Prozessen
Unternehmen, bei denen nicht ein zentrales Process Center of Excellence (PCoE) das Wissen über kritische Geschäftsprozesse bündelt, sondern dezentral organisierte Experteneinheiten in den Fachbereichen, benötigen einen einfachen, gemeinsamen Zugang zu Prozessmodellen. Je weiter die Prozesskompetenz in der Organisation verteilt ist, desto effizienter unterstützt eine eng an das IT-System gebundene, integrierte Modellierung durch eine Verringerung von Übersetzungen von der Fach- in die IT-Welt. Voraussetzung dafür ist aber auch das die erzeugten Modelle in den jeweils geeigneten Detaillierungsgraden verfügbar sind.
Erfolgsfaktor: Integrierte Modellierung und Methodik
Im Spannungsfeld intensiver Zusammenarbeit von Fach- und IT-Teams und Anwendung agiler Projektmethoden können integrierte Methoden der modellgetrieben Softwarenentwicklung den entscheidenden Erfolgsfaktor für BPM-Projekte darstellen. Die klassische Auswahl von Software und Projektpartnern für die Umsetzung kritischer BPM-Initiativen sollte um die Aspekte der Umsetzungsmethoden, der Projektorganisation, der Prozesskompetenz und den Umgang mit diesen Rahmenbedingungen auf der jeweiligen Plattform erweitert werden. (bw)