Von A wie Analyse bis Z wie Zeitverständnis

Erfolgsfaktoren für interkulturelle IT-Projektteams

28.06.2010 von Sonja  App und Sandra Eggelhöfer
Jedes zweite IT-Projekt sprengt den Zeit- und Kostenrahmen. Erst richtig kompliziert wird die Zusammenarbeit in international besetzten Teams, die oft nur virtuell kommunizieren. Hier muss man vieles berücksichtigen, ob das nun die Analyse der Firmenkulturen oder das unterschiedliche Zeitverständnis von Deutschen und Asiaten ist.

Warum scheitern IT-Projekte? Laut einer Studie der parameta Projektberatung liegt es an den so genannten weichen Faktoren. Umso größer sind die Herausforderungen für die Leiter von internationalen Projekten. Sie müssen Defizite in der Zusammenarbeit genauso vermeiden wie Fehler bei der Kommunikation. Sie müssen Sprachprobleme, Kultur- und Mentalitätsunterschiede überwinden, um eine funktionierende Zusammenarbeit zu installieren. Doch wer die Erfolgsfaktoren kennt, sichert sich im Wettbewerb die entscheidenden Nasenlängen Vorsprung.

Wichtiger Erfolgsfaktor: Analyse von Unternehmenskulturen

Woran scheitern Projekte besonders häufig?

Ein Beispiel für IT-Projekte, in denen die Zusammenarbeit in interkulturellen Teams eine besondere Herausforderung darstellt, sind Outsourcing-Projekte. Hier werden häufig die IT-Mitarbeiter des Kunden von einem IT-Beratungsunternehmen weltweit übernommen. Dabei kommt es nicht selten zu einer Kollision von verschiedenen Unternehmenskulturen. Die betreffenden Mitarbeiter stehen manchmal zwischen den Fronten, ist die Erfahrung von Dr. Michael Timmermann, Partner bei Dr. Kraus & Partner, Bruchsal: "Das Thema Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft wird bei Outsourcing-Projekten massiv unterschätzt. Auf einmal hat der frühere Kollege einen anderen Firmenausweis, arbeitet aber immer noch im gleichen Gebäude. Es können Situationen entstehen, in denen die Mitarbeiter in Identitätskrisen stürzen.

Manager ignorieren häufig diese Fragen. Sie begleiten den "psychologischen Prozess" ihrer Mitarbeiter nicht aktiv und riskieren deshalb, dass gute Mitarbeiter sich in die innere Kündigung zurückziehen". Die Integration der neuen Mitarbeiter ist daher eine wichtige Hürde, die es in allen Regionen zu überwinden gilt. Wer im Rahmen eines Outsourcing-Deals Mitarbeiter eines anderen Unternehmens übernimmt, sollte deshalb dieses Change-Management-Projekt sorgfältig planen. Er muss dafür sorgen, dass die neuen Mitarbeiter sich mittel- und langfristig im neuen Unternehmen wohl fühlen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist eine Analyse der Unternehmenskulturen der betroffenen Unternehmen. Anhand einer solchen Analyse erkennt man recht schnell, wie groß der "Kulturschock" der Mitarbeiter bei einer Übernahme sein wird. Auf dieser Basis lassen sich Integrationsmaßnahmen zielsicher planen.

Teams
Virtuelle Teams: Beziehungspflege
Von Projekt Beginn an sollten intensive "Kennenlern-Komponenten" eingeplant werden. Teammitglieder müssen die Möglichkeit erhalten, emotionale Verbindungen zu den Kollegen herzustellen. Es ist wichtig, dass Mitglieder für das geschätzt werden, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Idealerweise geschieht das über ein Face-to-face Kick-off-Meeting. Falls das nicht möglich ist, wäre eine virtuelle Vorstellungsrunde etwa in Wikis oder per Videokonferenz angebracht. Dabei könnten Mitglieder beispielsweise ihre Interessen, Ziele und Visionen sowie persönliche Bilder untereinander austauschen.
Interkulturelle und virtuelle Teams führen
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Virtuelle Teams: Klare Ziele
Es zahlt sich aus, zu Anfang genügend Zeit in die Klarstellung des Teamzwecks, der Rollenverteilung im Team und den Verantwortlichkeiten zu investieren. Aufgrund der Distanz bestehen schon ausreichend Unsicherheiten, die nicht noch zusätzlich mit Verwirrung und Ungewissheit angereichert werden sollten. Klare Ziele und Aufgaben, einschließlich der Festlegung von wem, bis wann und in welcher Art diese zu erfüllen sind, schaffen Fokus und Klarheit für alle Teammitglieder.
Virtuelle Teams: Berechenbarkeit
Unmodern, aber nicht wegzudenken: Ein klarer Ablauf und Berechenbarkeit der Teammitglieder sind kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Teams. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Angst und Rückzug. Das Resultat ist ein demotiviertes und unproduktives Team. Der Nutzen von einheitlichen Team Tools, Vorlagen, definierte Prozesse oder festgelegte Kommunikationszeiten tragen zu einem klaren Ablauf und somit zu Berechenbarkeit bei. Teamleiter sollten leicht erreichbar sein sowie den Dreh- und Angelpunkt im Team darstellen.
Virtuelle Teams: Ablaufvereinbarungen
Operationale Ablaufvereinbarungen legen Methodik und Prozesse der Teamarbeit fest und sollten zu Beginn des Projektes gemeinsam definiert werden. Ablaufvereinbarungen bedarf es in der Regel für Planungsprozesse, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Koordination. Während virtueller Team-Meetings sollte der Teamleiter sich immer wieder Zeit nehmen zu prüfen, ob und wie gut die Ablaufvereinbarungen gelebt werden.
Virtuelle Teams: Aufmerksamkeit
Was bei Face-to-face-Teams selbstverständlich ist und in Kaffeeecken oder auf dem Flur vor dem Meeting informell passiert, sollten Manager von virtuellen Teams explizit einplanen, nämlich dass sie einzelne Teammitglieder auch außerhalb des offiziellen Meetings treffen. Jedes Mitglied sollte die Möglichkeit bekommen, mit dem Leiter persönliche Erfolge, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche zu besprechen. Die Distanz und die Technologien wecken leicht den Eindruck, dass Teammitglieder abstrakt und "ohne Gesicht" sind. Persönliche Aufmerksamkeit schafft Vertrauen, kostet wenig und bietet einen enormen Vorteil für jeden einzelnen im Team und letztlich für die gesamte Teamleistung.

Bei der Auswahl nicht nur auf Fachwissen achten

Darüber hinaus sollten sich Projektleiter früh mit den Qualifikationsprofilen und Erfahrungen ihrer neuen Mitarbeiter auseinander setzen. Nur so können sie diese optimal einsetzen. Häufig entscheidet bereits das Staffing über Erfolg oder Misserfolg eines Projekts. Heute wird in vielen Unternehmen bei der Besetzung von IT-Projekten in erster Linie auf harte Faktoren wie das fachliche Know-how geachtet. Zahlreiche weiche Faktoren wie Sprache, interkulturelle Kompetenz und andere Soft Skills werden vernachlässigt.

Letztendlich können aber diese weichen Faktoren entscheidend für den Projekterfolg sein. Ein Netzwerkingenieur kann sich noch so gut mit Netzwerken auskennen. Er wird scheitern, wenn er weder mit der Sprache noch mit der Kultur in einem bestimmten Land vertraut ist, in dem er unter schwierigen Rahmenbedingungen ein Projekt ausführen muss. Daher ist es unerlässlich, Projektmitarbeiter, die in andere Länder entsendet werden, sorgfältig auf die Rahmenbedingungen im Ausland vorzubereiten

Führung virtueller Teams

Ein Seminar zum Thema "Interkulturelle virtuelle Teams erfolgreich führen" bietet Unternehmensberaterin Sonja App am 8. und 9. November 2010 in Hannover an. Inhouse-Seminare veranstaltet sie auf Anfrage.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind Sprachkenntnisse. In internationalen Projekten wird häufig Englisch als gemeinsame Projektsprache gewählt, und viele Projektleiter gehen davon aus, dass alle Mitarbeiter Englisch auf sehr hohem Niveau sprechen und schreiben. In der Realität stellt sich jedoch oft heraus, dass dies nicht der Fall ist. Deswegen sind Unternehmen gut beraten, vorurteilsfrei Kenntnisse zu überprüfen und in Sprachtrainings zu investieren. Selbst eine gemeinsame Sprache schützt allerdings nicht vor Missverständnissen, zum Beispiel wenn sich ein Texaner und ein Inder unterhalten.

Deutsche halten wenig von ausgedehntem Small Talk

Ein weiterer Faktor mit Konfliktpotenzial sind die unterschiedlichen Kulturen der involvierten Projektmitarbeiter. Kommunikationsstile unterscheiden sich von Land zu Land stark. So ist in Deutschland die Smalltalk-Phase zu Beginn eines Meetings oder einer Telefonkonferenz oft auf wenige Minuten beschränkt. Mitarbeiter vieler anderer Kulturen gehen dagegen in eine ausgedehnte Smalltalk-Runde, was die Geduld mancher deutschen Kollegen strapazieren kann. Außerdem sind es viele Deutsche gewohnt, recht direkt zu kommunizieren. Sie trennen sehr klar Sache und Person. In vielen anderen Kulturen ist dies jedoch nicht der Fall. Dort werden negative News und Kritik häufig freundlich umschrieben, damit man selbst und andere das Gesicht wahren können. So gilt es in den meisten asiatischen Ländern zum Beispiel als unhöflich, eine Aufgabe abzulehnen oder Verständnisprobleme einzugestehen.

Wichtig sind bilaterale Gespräche, damit die Mitarbeiter offen reden können. Wer sich kontinuierlich über den Stand der vereinbarten Leistung Gewissheit verschafft, reduziert das Risiko von unangenehmen Überraschungen zu Meilensteinen. "Unter Betrachtung der reinen Stundenkosten erscheint die Einbindung von Softwareentwicklern aus Indien oder China sehr verlockend. Allerdings sind die höheren Planungs- und Monitoring-Aufwendungen oft nicht einkalkuliert und führen im Nachgang zu Überziehungen.", sagt Guido Matern, Senior Consultant / Projektmanager bei der Proventa AG.

Unterschiede im Arbeitsrhythmus und Zeitverständnis

Kulturelle Unterschiede zeigen sich auch im Arbeitsrhythmus, dem Zeitverständnis und den bevorzugten Kommunikationskanälen. Selbst innerhalb Europas gibt es große Unterschiede. Spanier machen in der Regel zwischen 15 und 16 Uhr Mittagspause und arbeiten abends länger als Deutsche. Auch die virtuelle Zusammenarbeit ist nicht bei allen Kulturen gleichermaßen beliebt. Während Deutsche es gewohnt sind, viel per E-Mail zu kommunizieren, ziehen Mitarbeiter anderer Kulturen oft den persönlichen und telefonischen Kontakt vor.

Sofern die Projektmitarbeiter aus verschiedenen Erdteilen kommen, erschweren Zeitverschiebungen die Vereinbarung von Telefonterminen und persönlichen Treffen. Projektleiter, die ihr Team fast ausschließlich virtuell führen, stehen vor besonders großen Herausforderungen - zumal sie in der Regel keine disziplinarische Verantwortung für die Mitarbeiter haben. Sie müssen über eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz verfügen, denn in der Regel haben sie Mitarbeiter aus vielen verschiedenen Kulturkreisen zu integrieren, die rund um den Erdball verstreut sind. Interkulturelle Trainings und/oder Coachings sensibilisieren diese Zielgruppe für kulturelle Unterschiede auf Mitarbeiter- und Kundenseite und sind eine gute Investition in den Projekterfolg.

Ohne persönlichen Kontakt geht es nicht

Auch im Web-2.0-Zeitalter sollten Projektteams nicht ausschließlich virtuell zusammenarbeiten. Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Gerade zu Beginn eines Projektes ist es von großer Bedeutung, dass sich ein Team persönlich kennenlernt. Zum Kennenlernen kann eine Galerie mit Fotos und kurzen Vorstellungen der Teammitarbeiter im Intranet ein erster Schritt sein. Ein Kickoff-Meeting, das mit einer interkulturellen Teambuilding-Maßnahme kombiniert wird, fördert signifikant das Miteinander und das Verständnis für andere Kulturen im Team. Zum Beispiel könnte jeder Projektmitarbeiter etwas Typisches aus seiner Kultur vorstellen.

Zu Projektbeginn sollte der Projektleiter in Absprache mit dem Team gewisse Gruppenregeln aufstellen und Hol- und Bringschulden der Teammitglieder klären. Wichtig ist, dass jeder ein klares Bild von seiner Rolle und der seiner Kollegen hat. Wenn ein Kickoff-Meeting für das Team aus Kostengründern nicht möglich ist, sollte das Reisekostenbudget des Projektleiters nicht zu knapp bemessen sein. Schließlich muss er in der Lage sein, im persönlichen Kontakt zu bleiben und sich vor Ort einen Eindruck von der geleisteten Arbeit sowie der Zusammenarbeit zu machen.

Denn Ineffizienzen in der Zusammenarbeit verursachen deutlich höhere Aufwendungen im Nachgang. So sorgen Schnittstellen- und Koordinationsprobleme für ungeplante Kosten durch Doppelarbeiten oder Insellösungen. Teams mit einem schlechten Arbeitsklima zeigen weniger Einsatzbereitschaft und sie haben eine deutlich geringere Produktivität. Verzögerungen in anspruchsvollen Projekten sind somit programmiert. Führt das schlechte Klima gar zu Kündigungen bei den Projektmitarbeitern, dann drohen der Verlust von Know-How und hohe Kosten für die Neubesetzung und Einarbeitung.

Ein weiterer Punkt, der bei der virtuellen Zusammenarbeit nicht zu unterschätzen ist, ist die technische Ausstattung der Mitarbeiter. Bei Projektstart sollte der Projektleiter gewährleisten, dass alle Mitarbeiter über adäquate technische Kommunikationsmöglichkeiten verfügen, mit den entsprechenden Software-Programmen und Tools vertraut sind und ggf. Schulungsmaßnahmen anbieten.

Erfolge bitte feiern

Eine Maßnahme, in die es sich zu investieren lohnt, sind Lessons Learned Workshops. Sie sollten nicht nur am Ende eines Projektes, sondern bei allen wichtigen Meilensteinen auf dem Plan stehen. Dadurch erkennt ein Projektleiter rasch, wo mögliche Stolperstellen sind. "Die Erfahrungen bei CSC zeigen, dass es sinnvoll ist, den vorhandenen Erfahrungsschatz aus weltweit umgesetzten Projekten zu nutzen", sagt Michael Schweres, Berater bei CSC. "Unsere Best Practices berücksichtigen alle Parameter einer erfolgreichen interkulturellen Zusammenarbeit. Dies betrifft insbesondere eine klare Darstellung der Erwartungshaltung und präzise Vorgaben sowie Handlungsempfehlungen zur Teamarbeit."

Und nicht zu vergessen: Erfolge wollen gefeiert sein. Viel zu häufig lösen sich internationale Projektteams am Ende eines Projektes sang- und klanglos auf. Hier punkten Projektleiter, die einen wertschätzenden Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen und in kleine Geschenke und Teamevents investieren. Denn wer seine High Potentials halten möchte und sie für das nächste internationale Projekt begeistern will, darf den Faktor "Mensch" nicht vernachlässigen.

Die wichtigsten Regeln für interkulturelle Projektteams

Quellen: Interkulturelles Management, Professor Dr. rer. Pol. Jürgen Rothlauf, R. Oldenbourg Verlag; Handbuch Change Management, Georg Kraus, Christel Becker-Kolle/Thomas Fischer, Cornelsen Verlag

Sonja App, Inhaberin Sonja App Management Consulting, ist Unternehmensberaterin und zertifizierter interkultureller Coach und Trainerin mit langjähriger Erfahrung in IT-Beratungsunternehmen im In- und Ausland. Ihre Beratungsschwerpunkte sind internationales Marketing und Management, Diversity Management, E-Business, CRM, PRM und Innovationsmanagement. Sie ist Initiatorin und Moderatorin der Xing-Gruppe " Mehr Erfolg durch Diversity".

Sandra Eggelhöfer, Inhaberin Talent Management Service, ist Unternehmensberaterin mit mehr als zehnjähriger Erfahrung im International Human Resource Management von großen und mittelständischen Unternehmen. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen auf Diversity Management und Talent Management Sie ist Mitbegründerin und Moderatorin der Xing-Gruppe ": Mehr Erfolg durch Diversity.