Konkrete Zahlen häufig Fehlanzeige

Erfolgsmessung bei Robotic Process Automation

02.08.2018 von Milad Safar
Damit die Prozessautomatisierung mit RPA erfolgreich ist, muss der zeitliche und logische Ablauf der Prozesse sehr sorgfältig erfragt und festgehalten werden. In der Praxis bieten sich dabei drei Methoden zur Prozessanalyse an, die allerdings alle ihre Vor- und Nachteile aufweisen: Process Mining, Process Recording und Process Reporting.

Robotic Process Automation (RPA) spielt als Technologie in der Digitalisierungsstrategie vieler Unternehmen eine wichtige Rolle zur Automatisierung standardisierter Prozesse. Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung sind die Buzzwords, die bei den Unternehmensverantwortlichen im Zusammenhang mit RPA für glänzende Augen sorgen. Die Aussagen, die man immer wieder über die Effizienz dieser Methodik liest, entspringen aber weniger harten Fakten, als vielmehr dem Wunschdenken der Unternehmen.

Wie erfolgreich ein RPA-Projekt wirklich ist, können nur konkrete Zahlen zeigen.
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Denn die tägliche Praxis zeigt immer wieder aufs Neue, dass nur ein ganz geringer Anteil der Unternehmen, die auf RPA setzen, eine wirklich fundierte Aussage über die Effizienz dieser Methodik machen kann. Dies liegt an der Tatsache, dass nur wenige Firmen eine Messung ihrer Prozesszeiten vornehmen. Die Mehrheit der Unternehmen verfügt über keine Informationen bezüglich der Durchlaufzeiten ihrer Prozesse, der Anzahl der Ausführungen und der damit verbundenen Prozesskosten.

Ohne Ausgangsdaten keine Erfolgsmeldung

Dabei sind aber gerade diese Informationen die Grundvoraussetzung, um eine Aussage über die Effizienzsteigerungen nach Abschluss der Automatisierung treffen zu können. Denn die Arbeit des Software-Roboters muss sich in Quantität und Qualität gegen die Performance des früheren, nicht automatisierten Prozesses messen lassen. Aber ohne zu wissen, wie viel Zeit und Arbeit in dem manuellen Prozess steckt, kann nach der Automatisierung keine seriöse Aussage über die Effizienzsteigerung und die Kosteneinsparung getroffen werden.

Damit die Prozessautomatisierung mit RPA erfolgreich ist, muss der zeitliche und logische Ablauf der Prozesse sehr sorgfältig erfragt und festgehalten werden. Die manuelle Prozessaufnahme ist allerdings sehr aufwendig und langwierig. Zudem fallen die involvierten Mitarbeiter in der Regel als verlässliche Informationsquelle aus. Sie fürchten verständlicherweise, dass man ihnen aufgrund ihrer Angaben vorwirft, sie würden entweder zu langsam arbeiten oder sie seien nicht ausgelastet. Will man also valide Zahlen haben, müssen andere Wege beschritten werden.

Methoden zur Prozessanalyse

Process Mining

Das Process Mining bietet Unternehmen die Möglichkeit, die relevanten Kern-, Unterstützungs- und Managementprozesse sowie die dazugehörigen Key Performance Indicators (KPI) aufzuzeichnen und zu analysieren. Hierzu wird­ die Software an einer zentralen Stelle im IT-System des Unternehmens installiert. Alle Systeme, in denen die einzelnen Aktionen oder Schritte in einem Log gespeichert werden können, werden durch einen Experten angebunden. Die Software greift auf die produktiven Log-Dateien zu und konvertiert diese in ein eigenes Datenformat. Die konvertierten Daten bilden die Datenquelle der graphischen Darstellungen.

Sobald die Datenbasis ausreichend ist, können anhand von Auswertungen das Zeit- und Kostenvolumen der Prozesse aufgezeigt und für die Automatisierung geeignete Prozesse identifiziert werden. Für die identifizierten Prozesse gibt die Software ein Codegerüst für die Implementierung aus und unterstützt so die Projektphase. Nach der Einführung von RPA zeigt die Software auf, welche Zeit- und Transaktionsoptimierung im Alltagsbetrieb erzielt wurde.

Der Einsatz von Process Mining reduziert den manuellen Aufwand für die Identifikation geeigneter Prozesse und hilft, fehler- und risikobehaftete Prozesse zu identifizieren. Die Notwendigkeit von Meetings mit vielen Teilnehmern entfällt und man ist nicht länger vom Kenntnisstand des Mitarbeiters bezüglich des Prozesses abhängig. Vielmehr gewinnt das Unternehmen valide Kennzahlen und Leistungsdaten der Prozesse, z.B. die Anzahl an Ausführungen, Durchlaufzeiten usw., die wiederum für ROI-Berechnungen der Automatisierung mittels RPA benötigt werden. Diese Form des Vorgehens ist allerdings relativ aufwendig.

Process Recording

Eine wesentlich unkompliziertere und schnellere Datenerhebung ermöglicht der sogenannte "Process Recorder". Er wird auf einem PC im Unternehmen installiert und zeichnet alle Aktionen des Facharbeiters bis hin zu einzelnen Mausklicks und Tastenanschlägen im Hintergrund auf. Das Ablaufdiagramm eines Prozesses wird durch die tatsächlichen Aktionen des Users am PC erstellt. Seine Ergebnisse hinterlegt der Recorder in einem Log-File, der anschließend mit Hilfe eines speziell entwickelten Analyseroboters und einer dort hinterlegten Mustererkennung ausgewertet wird.

Da der Process Recorder an keine weiteren Systeme angeschlossen werden muss, können mit geringem Organisationsaufwand und ohne lange Anlaufzeiten die relevanten Kennzahlen und die Kosten des manuell durchgeführten Prozesses ermittelt werden. Für diese Vorgehensweise muss sich das Unternehmen aber im Klaren darüber sein, an welchem PC so ein Recording sinnvoll ist und welche Prozesse analysiert werden sollen.

Process Reporting

Zur Evaluierung der realisierten Effizienzsteigerung empfiehlt sich der Einsatz eines Process Reportings. Die Visualisierung der relevanten Informationen erfolgt über ein Dashboard. Die strukturierten Logfiles der verschiedenen Bots bilden das Fundament der Monitoring-Lösung. Getrennte Dashboards für eine technische und geschäftliche Sichtweise bilden die gewonnenen Informationen in der gewünschten Tiefe ab.

Um ein zuverlässiges Feedback zum Erfolg der Prozessautomatisierung geben zu können, wertet das Dashboard die Logfiles der Bots hinsichtlich der notwendigen Key Performance Indicators aus. Dies sind vor allem die Durchlaufzeiten des Software-Roboters, die Anzahl seiner erledigten (Teil-) Aufgaben, die eingesparten Kosten und das Zusammenspiel aus vollautomatisierter und mitarbeiterbasierter Entscheidungsfindung, welche als Variable in eine Metrik "Mitarbeiterentlastung" einfließt.

Das Ergebnis der Prozessautomatisierung wird abschließend im Dashboard angezeigt. Zudem kann das Dashboard mit jeder erdenklichen RPA-Software verknüpft werden. So können bereits implementierte Bots mit eingebunden werden und müssen nicht ausgetauscht werden.

Von 52 auf 2,7 Arbeitstage

Ein Beispiel: Ein Online-Fachhändler vergleicht regelmäßig die Preise seiner Artikel mit den Preisen der identischen Artikel seiner Mitbewerber auf drei unterschiedlichen E-Commerce-Plattformen. Die recherchierten Informationen bilden die Grundlage für seine Preispolitik.

Die Recherche und Kalkulation der optimalen Marge ist mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden. Der Einsatz des Process Recorders ergab, dass der Mitarbeiter fünf Minuten benötigte, um den Preis für einen Artikel manuell auf drei Vergleichsportalen abzugleichen. Für den Preisabgleich von 5.000 Artikeln auf drei Vergleichsportalen summierte sich der Aufwand auf 52 Arbeitstage (bei acht Arbeitsstunden). Das bedeutete, dass die Preise nur alle zweieinhalb Monate aktualisiert werden konnten.

Nach der Automatisierung des Prozesses mittels RPA entnimmt ein Roboter dem System des Online-Händlers die notwendigen Artikeldaten und sucht die Artikel mithilfe festgelegter Kriterien auf den Portalen. Die Informationen der gefundenen Artikel werden ausgelesen und gespeichert. Auf der Grundlage dieser Daten erfolgt die Berechnung der optimalen Marge jedes einzelnen Artikels.

Ein Blick auf das Dashboard der Process-Reporting-Lösung offenbarte, dass der Roboter die Arbeit, für die der Mitarbeiter noch fünf Minuten benötigte, in 16 Sekunden erledigt. Für den Preisabgleich von 5.000 Artikeln braucht der Roboter jetzt gerade einmal 22 Stunden (2,7 Arbeitstage). Das entspricht einer Effizienzsteigerung von 95 Prozent. Und da der Roboter rund um die Uhr arbeitet, kann der Online-Händler seine Produkte jetzt täglich zu den bestmöglichen Preisen anbieten. Mit diesen Informationen und den Personalkosten des betreffenden Mitarbeiters kann der Online-Händler jetzt seriöse Aussagen über Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen treffen.

Valide Daten für seriöse Erfolgsmeldungen

Wie das Beispiel zeigt, lösen professionelles Process Mining und Process Reporting den Nebel auf, in dem viele Unternehmen stochern, wenn es um konkrete Zahlen über die Automatisierung von Geschäftsprozessen durch RPA geht. In der Öffentlichkeit wird immer der Eindruck erweckt, dass jedes RPA-Projekt ein Erfolg ist. Das ist leider nicht der Fall. Die Zahl der gescheiterten Projekte ist größer, als viele glauben, weil wesentliche Informationen für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Prozessautomatisierung nicht zur Verfügung standen. Und das muss nicht sein.