Betriebswirtschaftliche Software

ERP im Mittelstand 2008 - ein Rückblick

10.12.2008 von Frank Niemann
Wer auf bahnbrechende Neuentwicklungen im ERP-Geschäft gewartet hatte, wurde in diesem Jahr weitgehend enttäuscht. Große Umwälzungen ließ die Softwarebranche vermissen. Was bleibt, ist der Bedarf mittelständischer Unternehmen an modernen Anwendungen.

Anwenderunternehmen suchen nach neuer Software, weil ihre bestehenden Programme teilweise zehn und mehr Jahre auf dem Buckel haben. Die Pflege dieser meist kaum noch erweiterbaren Software kommt die Firmen oft teuer zu stehen. Deshalb begeben sich viele Firmen auf die Suche nach ERP-Software.

Die Hersteller entwickeln ihre Produkte weiter, indem sie ihre Lösungen auf moderne Plattformen wie .NET oder Java hieven, bessere Berichtsfunktionen einfügen, neue Frontends entwickeln sowie ihre Produkte mittels Web-Services öffnen, um Drittsysteme besser ankoppeln zu können. Einige Anbieter konnten 2008 schon Ergebnisse vorweisen.

Große Hypes blieben aus, doch trotzdem hat sich 2008 im ERP-Segment einiges getan.

SAP verschiebt Business ByDesign

Für viel Aufregung im Jahr 2008 sorgte ein Erzeugnis, das am Ende gar nicht auf den Markt kam. SAPs neues Produkt "Business ByDesign" weckte große Erwartungen, doch die Markteinführung wird sich vermutlich noch bis Ende 2009 hinziehen.

Wartungsaufschlag schockt die SAP-Kunden

Einen Sturm der Entrüstung entfachte SAP durch die Ankündigung, die Softwarewartung deutlich zu verteuern. Betroffen sind davon vor allem mittelständische Kunden. Das Thema wird den Konzern auch noch nächstes Jahr beschäftigen. Zumindest hat der Softwarekonzern nun die Kündigung der Wartungsverträge für deutsche und österreichische Kunden zurückgenommen. Die Firmen können im Jahr 2009 zwischen Standard- oder Enterprise Support wählen. Allerdings hat SAP schon durchblicken lassen, die Standardwartung, die bisher 17 Prozent vom Lizenzpreis kostete, "im Rahmen der vertraglichen Möglichkeiten" ab 2010 zu verteuern. Auf diese Weise will der Softwareanbieter das Vertrauen der Softwarenutzer zurückgewinnen.

Sage will ins internationale ERP-Geschäft

SAP-Konkurrent Sage hatte sich bisher darauf konzentriert, ERP-Software für jeweils lokale Märkte anzubieten. Allerdings stehen viele Mittelständler vor der Aufgabe, ihre Geschäftsprozesse in verschiedenen Ländern auszurollen. Besonders die Kunden aus dem gehobenen Mittelstand, die für die Lösung von Sage Bäurer in Frage kommen, musste der Hersteller mangels international ausgelegter Software abweisen. Mit dem aus Frankreich stammenden Produkt "ERP X3" hofft Sage eine Lücke zu schließen. Ob und wie das gelingt, wird sich wohl erst im nächsten Jahr zeigen.

Microsoft zieht Dynamics Entrepreneur zurück …

Microsoft dagegen nahm ein Produktangebot vom Markt, weil es sich nicht verkaufen ließ. Mit "Dynamics Entrepreneur" hatte der Konzern gehofft, mit kleinen Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Die technische Basis bildete das Kernprodukt "Dynamics NAV" (vormals Navision).

… und schickt neue Navision-Generation ins Rennen

Mit Dynamics NAV 2009 brachte Microsoft zum Jahresende eine neue Softwaregeneration der verbreiteten Geschäftsapplikation auf den Markt, die sowohl eine neue Architektur als auch eine neue Benutzeroberfläche bereitstellt. Zudem soll die ERP-Umgebung über Web-Services mehr Möglichkeiten bieten, andere Programme einzubinden.

Abas-ERP mag Java und das Web

Weit weniger spektakulär mutet dagegen die Entwicklungsstrategie des ERP-Herstellers Abas aus Karlsruhe an. Dieser öffnet seine Software nun stärker neuen Web-Techniken sowie der Programmier- und Ablaufumgebung Java.

Polnische Firma Comarch kauft SoftM

Ereignisreich war das Jahr 2008 auch für den Softwareanbieter SoftM. Das polnische Unternehmen Comarch hat die Mehrheit der Firma aus München übernommen. Mit Unterstützung der Polen sollen die Produkte "Semiramis" und "Sharknex" europaweit vermarktet werden.

Kurz vor der Übernahme war SoftM gemeinsam mit IBM in das Geschäft mit Business-Software zur Miete eingestiegen.

Welche ERP-Software der Mittelstand will

Bedarf an ERP-Software besteht weiterhin. Firmen aus dem Mittelstand modernisieren ihre Geschäftsapplikationen. Viele Unternehmen steigen auf aktuelle Versionen ihres Lieferanten um. In vielen Fällen trennen sie sich jedoch auch vom bisherigen System, weil es sich nicht mehr erweitern beziehungsweise weiterentwickeln lässt. Oft verwenden Betriebe mehrere, unter Umständen eher schlecht als recht integrierte Anwendungen. Mitunter haben die Programme zehn und mehr Jahre auf dem Buckel und sind am Ende ihres Lebenszyklus angelangt.

Zu den zahllosen Unternehmen, die im Lauf dieses Jahres neue Lösungen in Betrieb genommen haben, zählen die Industrieunternehmen Mädler und Lambrecht. Beide haben sich für noch recht junge, Web-basierende Softwarelösungen entschieden.

Bei der Wahl des Produkts spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, unter anderem die Branchenausrichtung der Geschäftssoftware. Manche Unternehmen wollen möglichst viele Funktionen über den Standardumfang der Lösung abdecken können, um den Anpassungsaufwand in Grenzen zu halten.

Die Unternehmen Eisen Wagner (Stahlhandel), Containex (Container-Management) und Roller (Möbelhandel) sind Beispiele für Betriebe, die in branchenspezifische ERP-Produkte investiert haben.

Speziell für den Mittelstand hat auch ERP-Marktführer SAP in Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen branchenorientierte Applikationen aufgelegt. Im Herbst hatte der Konzern das Angebot ausgebaut.

ERP-Einführung bleibt ein heißes Eisen

Die Auswahl des geeigneten Produkts ist schon eine Leistung, doch danach beginnt die eigentliche Arbeit erst. Die Einführung einer Geschäftsapplikation stellt für den Mittelstand eine hohe Belastung in puncto Budget, Organisation und Personalkapazität dar. Daran hat sich auch 2008 nichts geändert. Einerseits muss die Chemie innerhalb des Projektteams stimmen, andererseits müssen IT-Anbieter und Anwender die gleiche Sprache sprechen können. Selbstverständlich ist das keineswegs. Für Probleme sorgen weit mehr schlechte Kommunikation und unklare Zuständigkeiten als technische Defizite eines Softwareprodukts. Zwar gibt es Einführungsmethoden und -werkzeuge, doch diese werden nicht immer konsequent genutzt.

Unternehmerisches Wissen, Denken in größeren Zusammenhängen und Kenntnisse über Geschäftsbeziehungen sollten einen Projektleiter für die ERP-Einführung auszeichnen. Das ist wichtiger, als sich in den Tiefen der Software auszukennen.

Projekte stehen und fallen mit einer geeigneten Projektleitung. Der Projektleiter sollte nicht nur viel von ERP verstehen, sondern vor allem die Prozesse des Unternehmens kennen und mit den "Betroffenen" umgehen können. Details lesen Sie in den "sieben Tugenden des ERP-Projektleiters" nach.

Wie Anwender ihre ERP-Systeme bewerten

Nicht immer kommt am Ende des Projekts wirklich die Software heraus, die sich das Anwenderunternehmen vorgestellt hatte. Die COMPUTERWOCHE und das Beratungshaus GPS aus Ulm haben den Online-Service "ERP-Quickcheck" entwickelt, der im Juni ans Netz ging. Der ERP-Quickcheck gestattet es Firmen, die Situation und den Stand der eigenen Lösung zu analysieren, Schwachstellen zu erkennen und Verbesserungsmöglichkeiten zu bestimmen. Aus 100 Detailanalysen kristallisierte sich heraus, dass viele ERP-Applikationen in keinem besonders guten Zustand sind.

Und wie geht es weiter?

Was das Jahr 2009 vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Abschwungs für den ERP-Markt bringt, lässt sich schwer vorhersagen. An umfängliche Neuinvestitionen dürften sich viele Firmen nicht heranwagen. Bereits begonnene Vorhaben werden unter Umständen zeitlich gestrafft. Andererseits können Unternehmen gerade mit Investitionen in Geschäftssoftware ihre Prozesse effizienter gestalten und damit Geld sparen. Mehr wissen wir dann beim nächsten Jahresrückblick.